Valerius de Saedeleer - Leben und Werk
Das Licht der Welt erblickte das spätere Mitglied der Künstlerkolonie Sint-Martens-Latem am 4. August 1867 in seinem Elternhaus an der Nieuwstraat Ecke Vredeplein in Aalst. Sein Vater besaß eine kleine Sodafabrik und eine Seifensiederei und gehörte wohl zu seiner Zeit zum Kleinbürgertum des »Fabrikstädtchens« Aalst.
Valerius besuchte mit durchwachsenem Erfolg die Schule, war er doch eher an den Kursen an der Städtischen Akademie für Schöne Künste als am herkömmlichen Unterrichtsstoff interessiert. Dieses Interesse teilten die Eltern jedoch nicht. Mit 15 Jahren verließ de Saedeleer die Schule und mußte auf Wunsch seines Vaters bei dem Gentener Weber De Leener eine Lehre beginnen. Gegen den Willen der Eltern schrieb es sich aber auch an der Königlichen Kunstakademie ein. Doch seine »akademische Begabung« war nach eigenen Aussagen äußerst mangelhaft.1885 verließ de Saedeleer Gent und kehrte nach Aalst zurück, wo er nur zeitweilig in den Schoß der verhaßten Familie zurückkehrte. De Saedeleer zog es alsbald nach Brüssel. Dort nahm er Unterricht bei dem damals sehr bekannten, aus Dendermonde stammenden Landschaftsmaler Frans Courtens (1854-1943), in dessen Atelier er von 1887 an für zwei Jahre die Feinheiten der Malerei lernen sollte. Diese Lehrzeit beim impressionistisch malenden Courtens bestimmten die ersten künstlerischen Jahre de Saedeleers ganz nachhaltig, wenn auch in dieser Zeit allzu deutlich wurde, daß de Saedeleer, der sich gerne in der Rolle eines Bohémiens sah, kaum einen Stil von eigener Ausprägung entwickelte.
Die Heirat, das unstete Leben und die Suche nach künstlerischem Erfolg
1889 heiratete de Saedeleer die Kaufmannstochter Clementina Limpens,
die eine ansehnliche Mitgift in die Ehe mitbrachte. Doch das Geld war
bald verbraucht, das eingerichtete Geschäft in Blankenberge bankrott.
Das Paar wechselte fortan häufig den Wohnort. Geldmangel war an der
Tagesordnung, und der künstlerische Erfolg wollte sich auch nicht recht
einstellen.Einige Zeit ließ sich de Saedeleer wieder in Gent nieder und
verkehrte dort in Kreisen der örtlichen Sozialisten, nahm sogar an
politischen Demonstrationen für das allgemeine Stimmrecht teil und
verkaufte die radikal-sozialistische Zeitschrift »Fackel«. Doch die
revolutionäre Unrast war auch nur ein Intermezzo. Enttäuscht von der
geringen Einflußmöglichkeit der Belgischen Arbeiterpartei auf das
politische Geschehen des ausgehenden 19. Jahrhunderts, zog sich de
Saedeleer ein weiteres Mal in die Provinz zurück. Und von 1895 bis 1898
wurde Lissewege sein Zuhause. Doch auch hier hoffte er verblich auf
künstlerische Inspiration, mit deren Hilfe er die flämische Landschaft
meisterlich auf Leinwand bannen konnte. Kein Wunder also, daß er seinen
Lebensunterhalt in dieser Zeit durch eine mehr oder minder erfolgreiche
Hühnerzucht bestreiten mußte. Nach kurzem Zwischenaufenthalt in Gent
verzog er im Dezember 1898 nach Sint-Martens-Latem, wo er bis 1908
bleiben sollte.
Die Suche nach Ruhe und Idylle an der Leie
In diesem kleinen Dorf an der Leie bezog er, unterstützt durch den
Mäzen und Apotheker Hector Van Houte, ein kleines Gehöft, in dem er
neben der Malerei ein weiteres Mal der Hühnerzucht nachging. Neben ihm
zogen sich nach und nach noch andere Künstler in dieses Dorf zurück,
um auf dem flachen Lande neue Impulse für ihr künstlerisches Schaffen
zu erhalten. 1899 kam George Minne, ein Jahr später Karel Van de
Woestijne und nach ihm auch dessen Bruder Gustave, schließlich 1904
noch Albert Servaes. Von George Minne, der auch internationale
Anerkennung vorzuweisen hatte, ging die künstlerische Inspiration, von
Karel Van de Woestijne der intellektuelle Disput in der Künstlergruppe
an der Leie aus. De Saedeleers Arbeit wurde davon scheinbar wenig
beeinflußt und, drohende Verarmung lähmten seine künstlerische
Aktivität. Die als Lebensgrundlage aufgebaute Hühnerzucht war nämlich
alles andere als finanziell erfolgreich. Nur dank eines Stipendiums von
500 Belgischen Franken war es ihm überhaupt möglich, seine Laufbahn
als Maler fortzusetzen.
Der künstlerische Durchbruch
Ein erster Erfolg ist ihm vergönnt, als er 1903 auf dem 13. Salon der
Société Nationale des Beaux-Arts ausstellen darf. Vor allem seine
intensive Beschäftigung mit den flämischen Primitiven und den
Panoramalandschaften eines Pieter Breughel eröffneten ihm neue Wege in
der eigenen Malerei. Doch statt lichter expressiver Farbgebungen
beharrte de Saedeleer auf den dunklen Tönen, die der Landschaft etwas
Niedergedrücktes verleihen, so auch in »Ruhiger Abend am Fluß« (Stedelijk
Museum Oud Hospital Aalst), ein Gemälde, das ihm 1904 auch zu
kommerziellen Erfolg verhalf. Diese depressive Stimmung, eine nahezu
bleierne Schwere, ist auch Jahre später in seinem Gemälde »Sommer in
Etikhove« zu erkennen. Auf diesem entdeckt mein keine goldgelbe Sonne,
sondern fahles gelbgrünliches Licht über den erdbraunen Äckern. Es
scheint als gäbe es in Flandern keine Sonnen-, sondern nur
Schattenseiten. Typisch für die Panoramaansichten de Saedelers ist das
1905 entstandene Gemälde »Der Fluß - Sommermorgen«, in dem die Sonne
- sie ist nur zu erahnen, aber noch nicht zu sehen - sich allmählich
über den grünen Wiesen erhebt.1907 findet die erste eigene Ausstellung de Saedeleers in Gent und
ein Jahr später eine weitere in London statt. Die Jahre der seelischen
und finanziellen Krisen, des Verzweifelns an den eigenen Fähigkeiten
scheinen vorüber zu sein. Im Jahr der Londoner Ausstellung zog de
Saedeleer mit seiner Frau und unterdessen vier Töchtern nach Tiegem in
die Flämischen Ardennen. Dort bezog er, unterstützt von einem Mäzen,
ein ansehnliches Haus mit Blick auf das Tal der Schelde. Der Erfolg im
eigenen Land stellte sich nun endlich ein. Museen in Gent und die Stadt
Aalst erwarben das eine oder andere Gemälde. Und er war inzwischen als
Künstler so gefragt, daß er 1911 um die Beteiligung an der
Weltausstellung für Schöne Künste in Rom gebeten und zwei Jahre
danach mit der Goldmedaille des Internationalen Wiener Salons geehrt
wurde. Im gleichen Jahr beteiligt sich de Saedeleer mit einigen Arbeiten
an der Weltausstellung in Gent. An einem der dort ausgestellten
Gemälde, »Winter in Flandern«, zeigte sich König Albert I., der
damalige Regent Belgiens, sehr interessiert. De Saedeleer mußte es von
Baron Louis de Bethune zurückkaufen, um es dem Monarchen überhaupt
verkaufen und in den Palast bringen zu können.
Es folgten zwischen 1914 und 1921 Jahre in Wales, wohin die Familie bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges flüchtete. Erst 1921 kehrten die de Saedeleers nach Flandern zurück und wurden in Etikhove ansässig. Die letzten Lebensjahre verbrachte de Saedeleer bei einer seiner Töchter in Leupegem. Kurz vor seinem Tod im Jahr 1941 wurde ihm noch die Ehre zuteil, Mitglied der Königlichen Akademie von Belgien zu werden. Am 25. Juli 1943 wurden de Saedeleers sterbliche Überreste in seine Geburtsstadt überführt. Eine erste Retrospektive seines Werks fand 1958 statt, weitere folgten, so in Aalst 1967 und 1999.
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