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Jazz it in Brüssel

Nicht nur beim Brüssel-Jazz-Marathon im Frühjahr kommen Jazzfreunde in der belgischen Hauptstadt auf ihre Kosten, sondern auch beim Besuch der zahlreichen Clubs, von denen das „Sounds“ der älteste Jazzclub der Stadt ist. Ist das samstägliche Shopping in der Dansaertstraat erledigt und das kleine Nachtschwarze oder hippe Top erstanden, dann öffnet das „Archiduc“ ab 17 Uhr seine Pforten zum „Jazz after shopping“. Also auf, zu jazzigen Riffs und melodischen Pianoläufen; unser Autor führt Sie in einige der angesagten Clubs der Stadt.

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Der Bassist Jean-Louis Rassinfosse

Es ist noch früh am Abend, das „Sounds“ hat gerade geöffnet. Die Musiker, die am Abend die Bühne erobern, sind schon eingetroffen. Dies ist die Gelegenheit, mich mit einem von ihnen, dem Bassisten Jean-Louis Rassinfosse, zu unterhalten. Doch erst muss noch der gewichtige Kontrabass auf die Bühne gebracht werden. Wenn Jean-Louis dies tut, wirkt dieses gewaltige Saiteninstrument federleicht. Der Gitarrist Paolo Radoni und der Schlagzeuger Bruno Castellucci sitzen über einem ersten kühlen Blonden und gehen das Programm des Abends durch.

Im Gespräch mit Rassinfosse beklagt dieser die Ungleichbehandlung von Jazz und ernster Musik, fordert einen gleichen Anteil öffentlicher Mittel. Zugleich macht er sich stark für Auftrittsmöglichkeiten, auch und gerade für junge Musiker, die Jazz am Konservatorium in Brüssel studieren. Selbsthilfe, ein Wort, das heute aus der Mode gekommen zu sein scheint, ist ein Begriff den Rassinfosse immer wieder einbringt. Deshalb engagiert er sich auch bei Lundis d`Hortense,  macht sich für Veranstaltungen wie Midis Jazz stark. Sommerworkshops sind ein weiteres Interesse, das Rassinfosse verfolgt, um junge Leute in Jazz zu unterrichten. Und dieses Engagement währt nun schon seit drei Jahrzehnten.

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Der Schlagzeuger Bruno Castellucci

Jazz, das sei für ihn, im Kopf zu komponieren, während man spielt, so Rassinfosse. Gemeinsam mit Paolo Radoni stellt er dies im nachfolgenden Konzert mit Bearbeitungen von Titeln des Gitarristen Wes Montgomery unter Beweis. Wenn Radoni zu seinen Soli ansetzt, verstummt das Publikum. Gut gelaunt sitzt Bruno Castellucci hinter seinem Schlagzeug, wechselt von Schlagstock zu Schneebesen, wirbelt sanft über seine Trommeln und Becken. Ruhig sind die Läufe, die Rassinfosse auf seinem Kontrabass hinzufügt.

Von Berlin-Kreuzberg nach Brüssel-Elsene

Sergio Duvalloni ist wie an jedem Werktag mit seine Vorbereitungen für die Gäste des Abends beschäftigt, sorgt für den Getränkebestand und steht am Zapfhahn hinter der Theke des „Sounds“. Doch für eine selbst gedrehte Zigarette bleibt noch Zeit. Gemeinsam mit seiner Frau Rosy hat er vor mehr als zwei Jahrzehnten Berlin-Kreuzberg für Brüssel-Elsene eingetauscht. Statt einen Jeansladen im Berliner Kiez zu betreiben, kaufte er ein Restaurant in Brüssels Gemeinde Elsene – bekannt für seine Jugendstilhäuser - und richtete einen Musikclub ein. Montags finden hier Sessions statt, wenn Eric Vermeulen oder Michael Blass am Klavier sitzen und Musiker der örtlichen Szene hinzukommen. Big Bands sind ebenso zu hören wie Jazz Flamenco von Soniquete. Ab und an werden auch Singers Nights veranstaltet, besondere Abende für Jazzsänger und –sängerinnen, die versuchen, beim Publikum anzukommen. Vor 22 Uhr beginnt jedoch keines der Konzerte, die meist am frühen Morgen enden


. Jazz in Brüssel - Octurn
Urban Jazz mit Octurn

Hautnah ist man den Musikern, wenn man auf dem erhöhten Podest und nicht direkt am Bühnenrand sitzt. Für Speis – italienische Küche wie Antipasto all`italiana oder Carpaccio de carne - und Bier von Leffe Bruine bis Orval und Rodenbach ist auch gesorgt. Schwarz-Weiß-Fotos unter anderem von Louis Armstrong, von dem noch jungen Miles Davis, von Oscar Peterson, tief über die Klaviertasten gebeugt, und von John Coltrane hängen an den Wänden.

Jazz’halo – Jazz im Netz

Es gibt mehr Jazz als Jazz’halo, aber es gibt nie genug Jazz – das ist das Motto der Macher des Online-Magzins Jazz’halo. Dabei handelt sich um ein mehrsprachiges Magazin, das seit Jahre eine wichtige Plattform für Jazz ist.

Beiträge wie CD-Besprechungen, Konzertkritiken und Interview mit Jazzmusiker werden jeweils in Niederländisch, Englisch, Französisch und Deutsch veröffentlicht – wahrlich international. Rückblicke auf Jazz Brügge 2014 sind ebenso nachzulesen wie Interviews mit dem Saxofonisten Christoph Grab oder dem Vibrafonisten Stefan Bauer. Schon mal von der Einspielung Silk Moon des franko-katalanischen Bassisten Renaud Garcia-Fons gehört? Nein, na dann mal bei Jazz’halo vorbeischauen und die entsprechende Kritik lesen. Umfangreich ist der Veranstaltungskalender für Jazzliebhaber, die wissen wollen, wo Jazz gespielt, z. B. im Lokerse Jazzclub oder At the Bebop in Leuven. Jazz’halo – ein Muss für Jazzfreunde, nicht nur belgische Jazzfreunde.

Information
www.jazzhalo.be

Nicht nur Jazz 

Der bekannte Jazz-Gitarrist Philip Catherine spielt hin und wieder mit seinem Trio in diesem Urgestein der Brüsseler Jazzclubszene. Neben belgischen Jazzern wie Bert Joris und Steve Houbon haben im „Sounds“ auch Jazzgrößen wie der in Amsterdam lebende Saxofonist Charlie Mariano, Joe Lovano  oder Lee Konitz gespielt. Doch Sergio öffnet seinen Club auch für junge Talente.  „Octurn“ und das Brussels Jazz Orchestra fanden hier ihre ersten Zuhörer. „In erster Linie kommen die Leute hierher, um Jazz zu hören.“, erläutert Sergio die Frage nach den Gästen. „Für viele ist Jazz eine intellektuelle Musik. Doch das liegt nur daran, dass die Musik zu wenig gehört wird. Je mehr man Jazz hört, desto mehr versteht man, dass Jazz eine sehr komplexe Musik ist“, fügt der Boss vom „Sounds“ hinzu. Übrigens, wer kein Purist ist, dem gefällt, dass Sergio auch Blues und Salsa serviert, wenn Chamaquiando oder The Witness zu hören sind.

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