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Die Perlen der Seidenstraße

Was wird auf einer Straße transportiert? Sprotten von Kiel nach Freiburg? Kabeljau von Lissabon nach St. Petersburg? Seide von Suzhou nach Venedig?

Schon vor der Zeitenwende war die Seidenstraße zwischen dem Chinesischen Meer und dem Mittelmeer einer der weltweit wichtigsten Transportwege für Handelsgüter. In mehreren langen Abschnitten wurden Waren von Ost nach West und von West nach Ost transportiert, zwischengelagert, weiterverkauft und erneut transportiert. Jahrelang konnten sie unterwegs sein, bis sie ihren Zielort erreicht hatten. Denn die Seidenstraße war keine Autobahn, weder was ihren Ausbau, noch was die Streckenführung betraf.
Die Seidenstraße war ein weitverzweigtes Wegenetz mit Endpunkten in Orten wie Xi’an, Kalkutta, Karachi, Istanbul und Alexandria. Sie war ein Abenteuer.
Die Wege führten durch unwegsames Gebiet wie Wüsten und Steppen, über Pässe von drei- bis viertausend Metern Höhe, durch dramatisch eingeschnittene Täler. Ihre Ziele waren und sind wohlklingende Namen aus der Geschichte des Handels und des Reisens, doch die Namen der Knotenpunkte zergehen einem auf der Zunge: Kashgar, Buchara, Samarkand.

Welche Bilder entstehen da, von endlosen Basaren mit den exotischsten Waren, von Tiermärkten mit Schafen und Ziegen und Pferden und Kamelen, von verwegenen Gestalten in bunten Gewändern. Aber auch von Hitze und Staub, von kargem und einsamem Leben. Vor 4000 Jahren schon zogen Karawanen über die Handelswege Zentralasiens, vor 2000 Jahren sahen diese ihre Blütezeit, und vor 500 Jahren begann mit immer größeren und schnelleren Schiffen ihr Niedergang.

Doch zu keinem Zeitpunkt war die Seidenstraße nur ein Transportweg für Waren, immer wurden auf ihr auch Ideen, Techniken und Kulturen verbreitet. Wiederum in beide Richtungen. Der Buddhismus gelangte von Indien nach China, der Islam von Arabien nach Zentralasien. Kunststile und -techniken aus dem Zweistromland nach Osten, die Seidenraupenzucht aus China nach Westen. Zentralasien bekam beides mit. Die Seidenstraße bewährte sich als Straße der Toleranz für Religionen und Kulturen und als Straße der Gewalt für Missionierungen und die Ausweitung gewaltiger Reiche nicht nur der mongolischen Reiterheere.

Von alledem ist heute wenig mehr geblieben als die Erinnerungen in den Geschichtsbüchern. Denn seit der Islam Zentralasien mit Gewalt überrannte, hatten nur noch seine sakralen Bauwerke Bestand. Seine Ornamentik in Malerei, Schnitzkunst, Ziegellegerei und später Fayencen, seine Architektur in Moscheen, Medresen und Mausoleen. Allerdings reibt man sich gelegentlich die Augen: Tiger und Antilopen auf dem Portal der Medrese Shir Dor in Samarkand, Vögel auf dem Portal der Medrese Nadir Diwan Begi in Buchara? Ja, denn sie sind Relikte und Beispiel auch islamischer Zeitgeiste, die Toleranz und Fortschritt kannten.

Franz Binder skizziert in seinem Text die Geschichte Zentralasiens, wobei es sicher sinnvoller gewesen wäre, die großen Strömungen aufzuzeigen, statt unendliche Listen von Namen aneinanderzureihen. Die Vielfalt und Abfolge der Religionen wird deutlich, die beherrschende Stellung des Islam ab dem 8. Jahrhundert. In der Darstellung der Kunst dieser weiten Region verweist der Autor auf jene Ansichten und Funde, die heute in Museen oder (zum Teil frisch restauriert) in den Städten zu sehen sind und die er in seinen Farbtafeln abgebildet hat. Dabei zeigt sich, dass das kulturell wichtigste Land Zentralasiens das heutige Usbekistan ist. Hier lagen die großen Stätten der islamischen Kultur: Buchara, Samarkand und Chiwa, die in diesem Bildband, immer wieder aufgelockert von Menschen- und Alltagsbildern, dokumentiert werden.

fjk@saw

Franz Binder: Mittelasien: Tor zwischen zwei Welten, München: Hirmer 2004, ISBN: 3-7774-9860-2, 207 Seiten, 52 Euro.

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