Bali:
Insel der Trauer – Insel der Mythen
Bei
einer Reise nach Bali im Jahr 2003 bot die Touristenregion im Süden der Insel einen erschütternden Anblick: Nicht nur die
Strände waren leer, sondern auch die Hotels, die Restaurants und
die speziell auf Touristen ausgerichteten Geschäfte. Der Taxifahrer
jammerte, wir seien seit zwei Tagen seine ersten Kunden. Symptomatisch
für eine Region, die sich ausschließlich auf Tourismus konzentriert
hatte – bis der zusammen brach. Auf Bali geschah dies mit dem
Attentat auf eine Diskothek in Kuta im Oktober 2002.
Bis dato hatte der Süden Balis sich zum Mallorca Australiens entwickelt:
schrill, laut, zügellos, vulgär – ein Fleck der Primitivität
in einer alten Kultur. Das ist, zumindest vorübergehend, vorbei.
Das Jammern der Taxifahrer, das Herausposaunen von Preisabschlägen
für schlechtes Essen, das Anpreisen des groben Tands als Souvenirs
tönt zwar noch heraus, doch die Kakophonie verhallt in den dichten
Wäldern der Berge, den Tempeln, zwischen den Ackerfurchen im Norden.
Hat doch die Touristenenklave im Süden nichts mit Bali zu tun,
liegt sie nur zufällig dort - der Strände wegen. Bali lebt
in seinen Bergen, gekrönt von majestätischen Vulkanen, in
seinen Tempeln, einladend mit ihren gespaltenen Toren, in seiner Kultur,
vom Hahnenkampf bis zu den Tänzen, dem Schattenspiel, dem Gamelan,
den aufwendigen Opferzeremonien, an denen ganze Dörfer teilnehmen.
Das wirkliche Bali ist ein Mythos, als solches auch beschrieben
von Roland Dusik in im vorliegenden Reisetaschenbuch Bali. Der Autor gehört
zu den wenigen Spezialisten für Südostasien unter den Reisejournalisten,
und so kennt er natürlich auch die Wege auf die Vulkane, weiß die
Symbolik der Tempel zu deuten, kennt die Hintergründe der balinesisch-hinduistischen
Kultur, die sich von dem vorwiegend islamisch geprägten Indonesien
deutlich absetzt. Und dieses, sein Wissen bestimmt die Dichte dieses
Reiseführers in ausführlichen Hintergrundkapiteln, in zahlreichen
Tipps und ausgewogenen Betrachtungen.
So wird auch die
balinesische Gesellschaft als das beschrieben, als was sie gilt:
als von Harmonie geprägt (weshalb sie auch die Entwicklung
im Süden kritisch, aber still duldete und über die Gewaltanwendung
so entsetzt war), doch in der Gestaltung ihres Lebens rücksichtslos
zur Natur: Die wie mit einem sanften Pinsel gezeichneten Reisterrassen,
die ganze Berghänge in ständig changierendes leuchtendes
Grün oder Gelb tauchen, sind dafür das deutlichste Zeichen.
Sie und die dort arbeitenden Menschen lockten den 1895 geborenen deutschen
Maler Walter Spies an, dem andere Künstler folgten und der im
Zentrum der Insel, in Ubud, eine Künstlerkolonie gründete.
Heute herrscht auch hier der Rummel vor, werden Götterköpfe
in Beton gegossen, Elefanten aus einfachem Weichholz geschnitzt, bunt
bemalte Tücher in den Wind gehängt. Und doch hat Spies für
Fremde wie Einheimische eine Tür zu einer Moderne in der Kunst
geöffnet, die aus der Tradition Balis erwuchs. So begegnen sich
Kulturen tatsächlich.
Wer also nach Bali reist, und das sollte man gerade jetzt tun,
packt am besten das Reisetaschenbuch ein, ignoriert den verschandelten
Süden
und macht sich auf die Suche nach seinem eigenen Bali.
fjk@saw
Dusik,
Roland: DuMont Reisetaschenbuch Bali & Lombok,
DuMont Verlag 2009, 288 S., ISBN 3770172760, 14,95 Euro.
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