Nordrhein-Westfalen 1946 bis heute - ein historischer Reiseführer
Was sich hinter dem Warnamt Eifel verbirgt, bleibt beim Lesen des Reiseführers kein Rätsel mehr. Auch was im Forschungsreaktor Jülich eigentlich so getrieben wurde, wird wie die Atomkugelaffäre von 2011 aufgedeckt. Der NSU-Terror und die Kölner Keupstraße gehören zur jüngsten Geschichte, zu der auch die Brücke der Solidarität in Duisburg-Rheinhausen zählt. Dort fand einer der letzten großen und spektakulären Arbeitskämpfe in dieser Republik statt. Eingestreut in die Beschreibung der einzelnen historischen Orte, sind Biografien bekannter Persönlichkeiten, ob nun von Jürgen W. Möllemann, dem Zampano der FDP, der einen Fallschirmsprung nicht überlebte, vom langjährigen Ministerpräsidenten Johannes Rau oder vom „Maschinengewehr Gottes“ Johannes Leppich, der mit seinen Predigten Menschen in Scharen anzog, auch wenn er nicht nur wegen seiner glühenden Verehrung für den spanischen Diktator Generalissimo Franco sehr umstritten war. Man erfährt außerdem Wissenswertes über Joseph Beuys, das Enfant terrible der deutschen Kunstszene, und zu Berthold Beitz, dem letzten Lenker eines Ruhrgebietskonzerns. Überblicksbeiträge zu Themen wie Kultur, Sport, Verkehr, Mentalität, Religion und Strukturwandel runden den historischen Reiseführer ab und öffnen zugleich den Blick auf das einst künstlich, auf Geheiß der englischen Alliierten geschaffene Bundesland. Warum also nicht mal eine historische Entdeckungstour jenseits vom Münsteraner Prinzipalmarkt und Kölner Dom unternehmen? © Text ferdinand dupuis-panther Peter Henkel: Nordrhein-Westfalen 1946 bis heute - Der historische Reiseführer, Klappenbroschur, 124 Seiten, Abbildungen s/w: 37, Abbildungen farbig: 84, Karten: 3, ISBN: 978-3-86153-779-3, Preis 15 Euro |
Der vorliegende historische Reiseführer wirft einen anderen Blick auf NRW, als man ihn vorschnell vermuten würde. Es geht nicht darum NRW von A bis Z abzuhandeln, ob nun mit dem Schwerpunkt Industriekultur oder nicht, sondern in den fünf Regierungsbezirken des sogenannten Bindestrichbundeslandes ausgewählte Orte zu präsentieren, die von besonderer historischer Bedeutung sind. Das beinhaltet nun in erster Linie nicht diejenigen Orte, die durch eine besonders sehenswerte Architektur hervorstechen, sondern durchaus eher banal wirkende Orte, die aber wie die Deutsche Bank in Gladbeck für Tage für Schlagzeilen sorgten. Das Gladbecker Geiseldrama hielt die Republik in Atem, auch weil die Presse sich sehr unrühmlich verhielt und sich mit den Tätern gemeinmachte. Ja, das Verbrechen musste vermarktet werden. Dass eine Geisel ihr Leben ließ, wurde dabei billigend in Kauf genommen. Wer kennt die Küppersbusch-Siedlung, die im Rahmen der IBA Emscher in die Schlagzeilen geriet, wer das Ruhrfestspielhaus, das nur deshalb zu einem Dreh- und Angelpunkt der Kultur im Pott wurde, weil Kumpel aus der Recklinghausener Zeche König Ludwig IV/V illegal Kohle an Hamburger Theater lieferten? Diese wiederum revanchierten sich mit einer fünftägigen Tournee in Recklinghausen. Seither gehören das Festspielhaus und die dortigen Kulturtage zum festen Bestandteil der Kultur im Ruhrpott. Wer bisher nicht wusste, dass in Bielefeld aus einer Kirche eine Synagoge wurde, nämlich die Synagoge Beit Tikwa, wird im vorliegenden „Geschichtsband“ darüber informiert. Dass man auch in der Geschichte von NRW die Herausforderungen meisterte, Neuankömmlinge zu integrieren, beweist die Siedlung Espelkamp-Mittwald, die ebenso vorgestellt wird wie DITIB-Moschee in Duisburg-Marxloh. Die wechselvolle und unrühmliche Geschichte der Wewelsburg wird ebenso behandelt wie die Geschichte des einzigen in NRW existierenden Krankenhauses einer Justizvollzugsanstalt. In Lemgo geht es nicht um Weserrenaissance und Fachwerkbau, sondern um das Geburtshaus des Schumachers und Buchbinders Heinrich Drake, der nach dem Krieg die Geschicke von Schaumburg-Lippe lenkte und dazu beitrug, dass dieses selbstständige Land in NRW aufging. Die Bedeutung der Ruhr-Universität Bochum mit ihren an Maritimes angelehnten Bauten behandelt der Autor ebenso wie die einstige Heilstätte für TBC-Erkrankte in Ennepetal. Zum Stichwort Strukturwandel lohnt der Blick auf die Abschnitte zur Birlenbacher Hütte in Siegen oder zur Zeche Pluto in Herne. zurück zur Übersicht "Reiseführer"
