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Hühnerhölle

Herbert Beckmann: HühnerhölleEin Autor, der aus Ahaus stammt, schreibt über einen Hühnermastbetrieb mit 40000 Hühnern und einem Mord, der Kommissar Hufeland ins östliche Münsterland ruft. Der Betriebsinhaber namens Wilhelm Kock – der Name, welch Zufall – wird eines Tages hingestreckt auf dem Grab seiner ersten Frau gefunden. Erster am Tatort ist der Friedhofswärter des Örtchens Vennebeck, das unter dem Nebel von Hühnergestank leidet. Auch Paul Lanfermann leidet unter dem Pesthauch der Kock'schen Hühnerfarm, der wie ein Teufelsfurz über Vennebeck wabert. Nun ist er also tot der Hühnerbaron, liegt mit dem Gesicht nach unten auf dem Grab seiner ersten Frau, die Nase ins Erdreich gebohrt, so, als wolle er selbst den infernalischen Gestank seines Federviehs nicht einatmen.

Wer hat ihn, den wohl gehasstesten Einwohner von Vennebeck, wohl mit dem Unkrautstecher ins Jenseits befördert? Verdächtige gibt es viele. Eigentlich sind alle Einwohner Vennebecks schlecht auf Wilhelm Kock zu sprechen. „Mausetot, das Schwein“, bemerkt der Dorfpolizist, als er am Ort des Geschehens eintrifft. Trocken fügt der Friedhofsgärtner an: „Kräht kein Hahn mehr nach.“

Genau diese trocken-humorigen Dialoge sind es, die Beckmanns vorliegenden Roman ausmachen. Ein Schelm ist übrigens der, der beim Lesen an die Firma Wiesenhof denkt. Nein, die Geschichte ist frei erfunden und ein Produkt der Schöpfergabe des Autors.

Westfälische Totleger sind es übrigens nicht, die Kock mästet. Derartige Hühner, richtige Hühner, wie Lanfermann bemerkt, sind eine unkaputtbare Rasse. Wagner, der Dorfbulle, greift das Stichwort Westfälische Totleger auf und meint nachdenklich: „Ein westfälischer Totleger war hier auch am Werk.“ Ja, wieder ein witziges Wortspiel, mit dem der Autor überzeugt!

Doch Wagner ermittelt nicht alleine. Dazu hat er nicht die Kompetenz. Kommissar Hufeland, der an einer furchtbaren Prostataentzündung leidet, muss auf der Bildfläche erscheinen, obgleich er sich um seine demente Mutter kümmern sollte. An seiner Seite steht der asexuell lebende, klein geratene und dickliche Kripo-Azubi Kuczmanik, der ein wenig besserwisserisch Hufelands Ermittlungsarbeit ab und an durchkreuzt. Kein Wunder, denn der ist aufgrund seines Männerleidens mehr als angeschlagen und teilweise gar nicht Herr des Verfahrens.

Hm, schon wieder einmal ein Kommissar mit Schwächen, nicht nur mit Beziehungsproblemen, sondern körperlichen Schwächen. Das scheint sich durch die Welt moderner Kriminalromane zu ziehen, betrachtet man Kommissar Beck und Kommissar Wallander – beide Helden mit Makel in schwedischen Krimis. Beckmann schließt mit seiner Figur des kränkelnden Kommissars an dieses Rollenmuster an.

Trotz seines Leidens muss Hufeland an den Ort des Geschehens. „Es roch wie Hühnerkot, frisch aus dem Wok, gebraten in Benzin.“ Das ist der erste Eindruck, den Hufeland gewinnt, als er am Friedhof von Vennebeck aus dem Wagen steigt.

Nun beginnt die Arbeit, das Puzzle aus vielen Elementen zusammenzustellen. Ist es der Ortsbürgermeister, der von Kock ein Grundstück erworben hat, der den verhassten Hühnerbaron erledigt hat? Ist es der eigene Sohn Kocks, der vom Vater enterbt worden ist? Ist es vielleicht der Besitzer eines Golfhotels und Golfplatzes, dem die Gäste wegen der „Hühnerhölle“ ausbleiben? Lange Zeit wähnt der Leser des humorigen Kriminalromans, den Täter zu kennen: Bruno Kock. Doch völlig unerwartet zeigt sich am Tatort eine ganz andere Spur, und diese führt zu einem Drama, an dessen Anfang der mehrtägige Erstickungstod eines Jungen steht. Wer der Täter ist? Das erfährt der Leser erst ganz zum Schluss. Zugleich ereignet sich am Ende des Romans eine weitere Katastrophe in Vennebeck: „Am ersten Weihnachtstag kam Kockoshima über Vennebeck.“ Der nun von Bruno Kock betriebene Mastbetrieb geht in Flammen auf“ und legt den Ort in eine „gift- und huhnhaltige Wolke“. Wer glaubt, der Ort sei nun von der Hühnerhölle erlöst, den belehrt der Autor eines Besseren: Bruno Kock plant danach eine noch größere Anlage. Goldene Broilerzeiten dachte Bruno, doch es endete ganz anders, als er es erwartete. © fdp

Herbert Beckmann: Hühnerhölle, Kriminalroman, 273 Seiten, 12 x 20 cm, Meßkirch 2013, ISBN 978-3-8392-1415-2, Preis 9,99 Euro




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