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Die italienische Begeisterung

Die italienische Begeisterung - Eigner"Eine Woche vor ihrem Tod sagte mir die Frau, mit der ich ein Vierteljahrhundert gelebt und drei Kinder großgezogen hatte, dass sie immer nur ihn geliebt habe.“ Mit diesem fulminanten Bekenntnis beginnt Gerd-Peter Eigner seinen Roman „Die italienische Begeisterung“, der zu den interessantesten Neuerscheinungen des diesjährigen Bücherherbstes gezählt werden darf.

Gerd-Peter Wer? Bei dem Namen Gerd-Peter Eigner legen selbst versierte Literaturkenner die Stirn in Falten. Eigner ist kein Großschriftsteller, der die Medien in regelmäßigen Abständen mit seiner Ansicht zur Lage der Nation beglückt, sondern ein eher leiser Autor, der große Teile des Jahres zurückgezogen in einem mittelitalienischen Bergdorf um Worte und Formulierungen ringt.

Keine Frage: Der 1942 in Oberschlesien geborene Eigner gehört zu den großen Unbekannten der deutschen Literatur; er debütierte 1978 mit seinem Roman „Golli“ und veröffentlichte in großen Abständen drei weitere Romane, die von der Kritik hoch gelobt wurden. Inzwischen sind zwölf Jahre vergangen, seit er sich zuletzt mit „Lichterfahrt mit Gesualdo“ zu Wort gemeldet hatte und Eigner drohte schon, der Vergessenheit anheim zu fallen.

Doch glücklicherweise ist Gerd-Peter Eigner nicht verstummt. Vielmehr hat er die Zeit genutzt, um einen vielschichtigen Roman zu schreiben, in dessen Zentrum die ehemaligen Schulkameraden Rolf Bronken und Theo Boddensiek stehen; beide haben einst das Gymnasium vorzeitig verlassen, weil sie nach Freiheit strebten und mit dem von Alt-Nazis geprägten Lehrerkollegium nicht klar kamen, damals in den 1950er-Jahren in einer norddeutschen Kleinstadt.

Obwohl sie keine Rebellen waren, konnten sich beide nur schwer ins bürgerliche Leben einfügen. Boddensiek wurde erst Kapitän, dann Schiffslotse und Bronken studierte Medizin, doch statt nach einer eigenen Praxis zu streben, begnügte er sich damit, sich als Anästhesist mit Urlaubs- und Krankheitsvertretungen durchzuschlagen, um möglichst viel Freiraum für diverse Amouren und sein geliebtes Latium zu haben.

Über Jahre hinweg standen sie nur lose miteinander in Kontakt, doch nun macht sich Boddensiek auf, den einstigen Schulfreund, der Aischas große Liebe war, in Italien zu besuchen und ihm "mitzuteilen, dass sie tot ist".

Eigner lässt sich mehr als 350 Seiten Zeit, um die sperrigen Außenseiter beim Entkorken zahlreicher Weinflaschen zueinander finden zu lassen. Der egomanische Bronken monologisiert über seine gescheiterten Liebesbeziehungen und anderes Seelenleid, von dem auch Boddensiek nicht verschont geblieben ist. Sie teilen das gleiche Schicksal, wurden von den eigenen Frauen nicht geliebt und hadern mit dem schwierigen Verhältnis zu ihren Töchtern, die sich ihnen entfremdet haben.

Aus der Distanz der Erinnerung entwirft Eigner ein komplexes Beziehungsgefüge, dessen Sog man sich um so schwerer entziehen kann, je verletzlicher die Protagonisten werden. Gerd-Peter Eigner schreibt eine nachdenkliche, ja abgeklärte Prosa, die mit ein paar erotischen Eskapaden gewürzt ist und mit literarischem Gespür die emotionalen Abgründe des Lebens auslotet. Bleibt nur zu hoffen, dass sich seine Leser nicht wieder zwölf Jahre gedulden müssen, bis der nächste Roman erscheint.

 ran@saw

Gerd-Peter Eigner: Die italienische Begeisterung, Kiepenheuer & Witsch Verlag 2008, ISBN-10: 3462040316, 19,95 Euro.

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