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Quasikristalle

Seit sie 2005 mit ihrem Familienroman „Vienna“ ihr Romandebüt vorgelegt hat, wird die in Wien geborene und inzwischen in Berlin lebende Eva Menasse als eine der großen Hoffnungen am deutschen Autorenhimmel gepriesen. Sieht man von dem Erzählband „Lässliche Todsünden“ ab, so hat sie sich acht Jahre Zeit gelassen, um ihren zweiten Roman zu veröffentlichen.

„Quasikristalle“ ist die Lebensgeschichte der Roxane Molin, genannt Xane. Die Autorin Eva Menasse hat in ihrem Buch einen Kunstgriff gewählt, um das Leben von Xane herauszukristallisieren. Ihr Roman ist in dreizehn Kapitel gegliedert, genau genommen sind es dreizehn Erzählungen, die jede auch einzeln für sich stehen könnte, dreizehn Erzählungen, in denen Xane mal mehr, mal weniger im Mittelpunkt steht.

Eva Menasse: Quasikristalle

Mosaikstein für Mosaikstein setzt Menasse so Xanes Lebensweg zusammen, bis im Kopf des Lesers ein Gesamtbild entsteht, wobei manche biografischen Eckdaten im Ungefähren bleiben. Anfangs begleiten wir Xane als Jugendliche in den Ferien, dann sehen wir sie als Studentin und Mutter, die sich in der digitalen Berliner Bohème zurechtzufinden versucht, schließlich verfolgen wir, wie Xane mit einer avantgardistischen Werbeagentur Erfolg hat, nach Wien zurückkehrt und ihr Leben als Witwe und Großmutter neu strukturiert.

Menasse fächert ein ganzes Leben auf, mit all seinen Hoffnungen und Enttäuschungen, Schicksalsschlägen und Wendepunkten. Themen wie Ehebruch und künstliche Befruchtung werden ebenso gestreift wie Erziehungsprobleme, Sterbehilfe und Depression.

Alle Geschichten thematisieren immer wieder die Beziehung zwischen Mann und Frau, sich wandelnde Rollenverständnisse und Begehrlichkeiten. Dabei stehen Alltäglichkeiten gleichberechtigt neben gut recherchierten Themen wie der Holocaust bei einem Auschwitz-Besuch oder unerfüllte Kinderwünsche.

Menasse erzählt aus der Perspektive von Menschen, die Xane in ihren verschiedenen Lebensphasen in irgendeiner Form begleitet oder ihren Weg gekreuzt haben. So lässt sie beispielsweise die Schwester einer Jugendfreundin, einen leicht voyeuristischen Vermieter und eine Gynäkologin, aber auch den eigenen Sohn Amos und die Stieftochter Viola zu Wort kommen.

Nur in einem Kapitel in der Mitte des Buches reflektiert Xane über ihr eigenes Leben, und dieses Kapitel wirkt wie ein Fremdkörper im Romankonstrukt. Xane kämpft mit ihrer Rolle als junger Mutter, sie hadert mit dem weiblichen „Ablaufdatum“ auf dem Beziehungsmarkt und sucht nach „einer Sexualität, die den Namen verdient“, vor allem, „wenn die Brust tropft und die Dammnähte gerade verheilt sind“. Diese Beichte erinnert trotz ihrer Eindringlichkeit doch sehr an diverse Berichte in einschlägigen Frauenmagazinen.

Keine Frage: „Quasikristalle“ ist gut geschrieben, dennoch will der Funke der Begeisterung nicht so ganz überspringen. Die dreizehn verschiedenen Erzähler finden nicht so recht einen eigenen Tonfall. Und obwohl Xane am Schluss des Buches gealtert und gereift ist, fehlen dem Roman die „Falten“ und der Tiefgang, auf dem sich große Literatur gründet.

Ralf Nestmeyer

Eva Menasse: Quasikristalle, Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2013, 430 S., 19,99 Euro




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