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Tokio Killer

Krimis, deren Handlungsbühne Asien sind, etikettieren gerne die gängigen Klischees einer konfliktlosen, auf Harmonie ausgerichteten Gemeinschaft. In ihr taugt jeder Einzelne zum Philosophen, was sich in den Kulissen von mächtig viel Feng-Shui-Geschwurbel und vorgeblicher Exotik denn auch ausgiebig darstellt. Da drängt sich doch, so ganz nebenbei, die Frage auf, weshalb in Asien dann Kriminalität, Korruption und Rassismus so weit verbreitet sind.

Bei Barry Eislers John Rain (dessen Name wohl nicht zufällig ein wenig an John Wayne erinnert) braucht man vor solch programmierter Langeweile keine Angst zu haben. John Rain ist halb Amerikaner, halb Japaner, ein Kind der amerikanischen Besatzungszeit nach Japans Großmannssucht im Zweiten Weltkrieg. Schon in der Schule erlebt der Mischling den alltäglichen Rassismus der japanischen Gesellschaft, den er letztendlich in dem großen Gleichmacher Krieg bekämpfen will. John Rain kämpft auf amerikanischer Seite im Vietnamkrieg und lässt sich von der CIA zum Killer ausbilden. Nach Ende des Krieges privatisiert er sein Wissen und seine Fähigkeiten und arbeitet für diverse Geheimdienste und das organisierte Verbrechen in Tokio.

Er gilt als Spezialist dafür, Morde wie Unfälle aussehen zu lassen und benutzt dafür nicht nur seine Hände und Füße in den traditionellen Kampftechniken, sondern im computerseligen Japan natürlich auch hypermodernste Technik – wie diesen Herzschrittmacher, den er per Minicomputer mit Funkeinrichtung herunterregelt, bis das Opfer tot ist und dann wieder in die Normalstellung zurück befördert, und so alle Unbeteiligten an einen Infarkt glauben lässt. Raum für Feng Shui und andere schlichte Philosophien findet sich also bei Eisler nicht, dafür leidet er an ein paar anderen Obsessionen. Die ausgeprägteste wird hier GAG genannt, „Gegenaufklärungsgang“. Gemeint ist damit das Erkennen und Abschütteln möglicher Verfolger, die John Rain ein wenig paranoid an jeder Straßenecke lauern sieht. Dadurch lernt der Leser das U-Bahn-System Tokios ziemlich gut kennen, wie überhaupt der Stadtplan Eislers wichtigstes Rechercheinstrument gewesen sein muss.

Als Eisler in Tokio lebte, erwarb er den Schwarzen Gürtel im International Judo Center und wohl gleichzeitig einige Kenntnisse darüber, wie man einen Menschen mit bloßen Händen vom Diesseits ins Jenseits befördern kann. Für den Normalleser wirkt dies alles etwas dick aufgetragen und erscheint an einigen Stellen unnötig brutal. Auch bleibt es manchmal recht undurchschaubar, warum und wer jetzt gerade gegen wen kämpft – darum bringt John Rain II, der Fortsetzungsroman nichts Neues und wird deshalb an dieser Stelle auch nicht empfohlen (Für Fans dennoch: Tokio Killer – Die Rache)

Richtig schön hingegen sind die vielen Kleinigkeiten, in denen man Tokio wieder erkennt. Die Jazzkneipen und Restaurants. Das Verhalten der Japaner in U-Bahn und Bar. Die edlen Speisen und Single Malts, die es natürlich nicht im Supermarkt gibt. Scharf beobachtet und klug eingestreut. Von Midori und Naomi ganz zu schweigen.

fjk@saw

Barry Eisler: Tokio Killer. München: Fischer Tb 2008, ISBN: 3596177359, 332 Seiten, 8,95 Euro.

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