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Reiseführer Celle

Kunstmuseum Celle

und Sammlung Robert Simon

 

Kunstmuseum Celle

Ein 24-Stunden-Museum ins Licht getaucht

Ein Museum, das Tag und Nacht besucht werden kann, ist gewiss eine Besonderheit. Allerdings bleiben nachts die Tore des Kunstmuseums geschlossen. Doch von außen gibt es auch Kunst zu sehen, Lichtkunst, ob von Otto Piene oder Francesco Mariotti, Leonardo Mosso und Jan van Munster. Nachts ist der Kubus des Kunstmuseums zudem im steten Wechsel in Orange, Giftgrün und Helllila getaucht.


Im Inneren des Hauses werden Gemälde, Grafiken und Plastiken von Künstlern wie Ben Willikens, Peter Basseler, Timm Ulrichs und Dieter Krieg gezeigt. Welch ein Kontrast zur Lichtkunst, die seit 1998 zu einem der Sammlungsschwerpunkte entwickelt wurde. Dabei wird ein Bogen von den Anfängen der Lichtkunst der 1920er Jahre bis in die Gegenwart geschlagen. Allerdings beschränkt die Ausstellungsfläche wie in allen Museen das, was jeweils gezeigt werden kann. Dies gilt für die Lichtkunst ebenso wie für die Malerei und Grafik.

Kunstmuseum Celle

Nachts ist das Kunstmuseum bunt erleuchtet

Die Erleuchtung

Verweilen wir noch einen Moment bei dem Thema Lichtkunst: In der Dämmerung und Dunkelheit erst kommt die „Quantenlandschaft“ von Francesco Mariotti voll zur Geltung. Jede Bewegung entlang der Außenhaut des Museums wird in Farben und Klänge umgesetzt. Unterhalb dieses „Lichtbandes“ entdecken wir Otto Pienes Kosmos, den er auch im Inneren des Hauses, im sogenannten Lichtraum, entfaltet. Vom Mitstreiter der Gruppe ZERO werden wir in „himmlische Sphären“ entführt. Schwünge, Kreise und Linien überziehen Wände und Decken des Raumes, in dem sich auch zwei Würfel befinden. Sie sind aus gerastertem Blech und besitzen rotierende Lichtquellen, die auf den Wänden des Raums sich wandelnde Lichterscheinungen hervorrufen. Die Außenarbeit „Zone Null“ besteht aus 39 perforierten, hinterleuchteten Aluplatten, die teilweise mit blauem und türkisfarbenem Sprühlack überzogen sind. Warum Piene seine Arbeit in der Haut des Museums „ZONE ZERO“ nannte, weiß allein er selbst. Von Piene stammt außerdem das „Feuerwerk für Celle“, zwei riesige rote „Morgensterne“, die angestrahlt werden und vor dem Museum ihren Platz haben. Im Treppenhaus installiert kommt auch die Arbeit von Leonardo Mosso erst des Nachts zur vollen Geltung: Mosso präsentiert eine netzartige Struktur aus Leuchtmittel, die mit der stählernen und gläsernen Struktur des Treppenhauses eine interessante Melange bilden. „Continuum Celle“ nannte der Künstler die sich von Geschoss zu Geschoss fortsetzende Lichtinstallation. Den rückwärtigen Giebel des Kunstmuseums bespielen molitor & kuzmin mit ihrem stufigem Lichtgebilde aus Leuchtstoffröhren und eine Stahlkonstruktion.

Zur Sammlung, deren Bestand in wechselnder Zusammenstellung präsentiert wird, kommen vier Wechselausstellungen im Jahr hinzu. Insbesondere in den Wintermonaten ist dies zumeist eine Schau, die sich der Lichtkunst widmet.

Kunstmuseum Celle

Einblicke in die Sammlung

Zum Museumsbestand gehören neben Werken der oben genannten Künstler auch Multiples von Joseph Beuys sowie Zeichnungen und Gemälde der Hannoveraner Künstler Erich Wegner und Grethe Jürgens, die der sogenannten Neuen Sachlichkeit zuzuordnen sind. Wegner schuf beispielsweise Kohlezeichnungen, in denen er jene festhielt, die am Rand der Gesellschaft gestrandet sind. Auch Jürgens wirft eher einen Blick auf die Lebensumstände der „kleinen Leute“.

Unter den Grafiken finden sich einige Arbeiten von Christo, so „Verpacktes Automobil“ oder „Verpackte Kunsthalle Bern“. Auch die Kunst des Informel ist vertreten, da Arbeiten von Antoni Tàpies zur Sammlung gehören. Beuys ist nicht nur mit „Capri-Batterie“ in Celle präsent, sondern auch mit „ich kenne kein weekend“. Unter den bildhauerischen Arbeiten sind solche von Alf Lechner („Zueinanderkippung“), Erich Hauser („Skulptur 18a/70“) und Bernhard Heiliger („Balance IV“) stellvertretend für andere Arbeiten zu nennen. Neben der Objektkunst von Basseler gehören auch Objekte von Timm Ulrichs wie „Ins eigene Fleisch“ zum bemerkenswerten Bestand des Hauses.

Momentaufnahmen

Unbetitelt sind die großformatigen Arbeiten von Dieter Krieg, dessen Gemälde durch den gestischen Auftrag der Farbe gekennzeichnet sind. Banal erscheinen die Bildsujets: ein Blumentopf mit welcher Tulpe, ein riesiges Spiegelei oder ein Stück Fleisch in einer grünen Schleife. Es sind Dinge des Alltags, die jeder kennt, keine Luxusgegenstände also. Entstanden sind die Arbeiten direkt auf den am Boden ausgebreiteten Leinwänden, auf denen der Künstler agierte.

Skurril muten die Schaukästen an, die Peter Basseler schuf. Es sind eigene kleine Welten wie der „TV-Entsorger“, der als Plastilinfigur damit beschäftigt ist, Fernseher aus einer Werkhalle zu schaffen. Als hätte er die Umweltkatastrophen bereits 1991 erkannt, schuf Basseler „Hochschlammalarm“: Der Stadtraum ist von Schlamm überzogen. Nur Reklamewände sind noch lesbar. Dort wird für „Rent a Cop“ geworben. Gleich drei unterschiedliche Typen von Polizisten stehen zur Wahl. Was sie auszeichnet oder nicht, hat Basseler in seinem Schaukasten anschaulich dargestellt. Der A-Cop beispielsweise gleicht Jesus, wenn er auch nicht über Wasser geht, sondern im Schlamm steht, ohne zu versinken. Basseler entführt uns auch in eine „Krokodilfärberei“, zeigt uns, was er mit dem Eisauto im Winterwald auf sich hat, und konfrontiert uns mit einem Holzlagerverwalter, der im Dickicht seiner Hölzer gefangen scheint.

Lienhard von Monkiewitsch konzipierte nicht nur eine „Komposition mit dem Zufall“, die als eine Reverenz an Malewitsch anmutet, sonder malte auch „Schwung über 7 Flächen“: Mit einem schwungvollen Pinselstrich verbinden sich in dieser Arbeit Rechtecke, die in Gelb, Blau, Lila, Grün, Grau und Rot getaucht sind. Im Gegensatz dazu wählte Ben Willikens für seine Raumansichten unterschiedliche Graustufen und diffuses, in den Raum eindringendes Licht, so auch in „Raum 70“. Von Willikens stammen zudem „Raum 310“ und „Raum 162“. Diese Ansichten zeichnen sich durch eine sehr prägnante Raumtiefe aus. Der Betrachter glaubt sich im nächsten Moment auf dem Weg in diese Räume mit spiegelnden Fußböden.

Konische Kegel, die Feuer speien malte Joachim Kettel als Darstellung der „Vulkanischen Landschaft“. Auffallend ist, dass die Vulkankegel rot schimmern, jedoch die Asche und Lava in Weiß aus dem Vulkanschlund austritt. Den Wohlstandmüll führt uns Ralph Fleck in „Müllplatz“ vor Augen. Lichtkunst präsentiert Vollrad Kutscher mit „12 leuchtenden Vorbildern aus Celle“. Die Porträts sind Schatten-Porträts mit gewisser Unschärfe. Die Lichtquellen bestehen aus Halogenbirnen mit übergestülpter Glaskappe. Auf diesen befinden sich die handgemalten Miniaturporträts. Doch wer sind denn eigentlich diese Vorbilder? Wilhelm Bomann, der „Stifter“ des gleichnamigen Museums, Albrecht Thaer, der die moderne rationelle Landwirtschaft in Deutschland begründete, Prinzessin Sophie Dorothee, Tochter von Herzog Georg Wilhelm und Elenore d'Olbreuse, Harry Trüller, der bekannte Zwiebackfabrikant aus Celle, und auch Herzog Ernst der Bekenner wurden von Vollrad Kutscher als „Lichtgestalten“ verewigt.

Der Dank gilt Robert Simon

Dass eine derart exquisite Sammlung in der „Provinz“ beheimatet ist, ist dem Mäzen Robert Simon zu verdanken, auf den auch die Skulpturenmeile in Hannover zurückgeht. Ihm ist auch die Idee des 24-Stunden-Kunstmuseums zu verdanken - das erste seiner Art überhaupt und patentiert obendrein. Begonnen hat dieses Museum zunächst als zeitlich begrenzte Präsentation von Arbeiten aus der Sammlung Robert Simon. Unterdessen jedoch ist das Kunstmuseum Celle eine feste Größe der deutschen Museumslandschaft.

Und was war die Triebfeder für Simon ein solches Haus zu bespielen? „Kunst ist für mich von Kindheit an eine wichtige Quelle für Denkanstöße. Diese Energie weiterzugeben, besonders an Menschen, die noch keinen Kontakt zur Kunst hatten, ist mir seit langem ein Herzensanliegen. Mein Traum-Museum war nie ein Ehrfurcht gebietender Tempel für Kunst. Sondern ein Haus, das sich möglichst vielen Menschen öffnet, unabhängig vom Alter, Bildung oder Geldbeutel.“, erklärte Robert Simon dazu.


Kunstmuseum Celle mit Sammlung Robert Simon
Schlossplatz 7
29221 Celle
http://www.kunst.celle.de/

Zum Weiterlesen
R.Simon et al. (Hrsg.): Das erste 24-Stunden-Kunstmuseum der Welt – Bei Nacht, 181 Seiten, zahlreiche farbige Abb., Celle 2010, ISBN 978-3-925902-69-7


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