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Reiseführer Celle

Fachwerk, Fachwerk, Fachwerk

Eine Tour durch die Celler Altstadt

 

Celler Residenzschloss

Das Celler Residenzschloss

Eine der frühen Formen des Skelett- oder Gerüstbaus ist das Fachwerk. Dabei gibt es regionale Unterschiede in der Art der Konstruktion. In Celle und anderen niedersächsischen Städten herrscht das sogenannte niedersächsische Fachwerk vor: Das Bauprinzip ist eigentlich einfach: Auf der Knagge, einer Art Konsole, ruht die Füllbohle, darüber der Balken, auf den die Ständer gesetzt werden. Zwischen den Ständern verlaufen waagerecht die Brustriegel. Auf den Ständern liegen die Schwellen. Recht ausgefeilt sind die Konstruktionen der Gefache, die je nach Art der Balkensetzung Namen wie Andreaskreuz, Mann oder Kreuzfries tragen. Mit diesen Details im Kopf beginnen wir unsere Entdeckungstour durch die Altstadt von Celle.

Ausgangspunkt unserer Tour ist das Residenzschloss (1). Unter Kenner gilt es als eines der schönsten norddeutschen Schlösser. Was anfänglich nur eine bescheidene mittelalterliche Burg war, entwickelte sich im Laufe von Jahrhunderten zu einer ansehnlichen Residenz, in der Renaissance und Barock harmonisch zu verschmelzen scheinen. Betrachten wir den Ostflügel mit seinem Rundbogengiebel, so sind wir im 15. Jahrhundert. Zur wichtigsten Baumaßname des nachfolgenden Jahrhunderts zählt die Ausgestaltung der Schlosskapelle durch den Antwerpener Maler Marten de Vos. Insbesondere der Mittelteil des Altars trägt nachweislich die Handschrift von de Vos. Zu sehen sind in der Kapelle aber auch Arbeiten des 19.Jahrhunderts wie die Porträts von Georg V. und seiner Gemahlin. Unter der Regentschaft von Herzog Georg Wilhelm wurde das Schloss zu einer barocken Vierflügelanlage umgestaltet. Die Federführung dieser Überformung lag in den Händen italienischer Baumeister aus Norditalien. Unter anderem wurde der Bergfried gekappt und auf dessen Stumpf das Schlosstheater erbaut. Leider ist die ursprüngliche Bühneneinrichtung in den 1930er Jahren beseitigt worden.

Die heutige Ansicht des Schlosses entspricht der Umgestaltung im 18. Jahrhundert, nachdem es die Funktion als herzogliche Residenz verloren hatte und der Schwester Georg III. von England als Domizil diente. Bis heute ist das Schloss weiß geschlämmt und weist rote Architekturgliederungen auf.

Das Bomann-Museum in Celle

Das Bomann-Museum gegenüber dem Celler Schloss

Museen an der Stadtkirche

Dem Schloss gegenüber steht das Bomann-Museum (Schlossplatz 7) (2), an das sich der moderne Kubus des Kunstmuseums (3) anschließt. Im Stil des Historismus wurde - wohl auch in Anlehnung an die einst hier befindliche Burgvogtei - zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein mehrgeschossiger Komplex mit integrierter Ehrenhalle erbaut. Angegliedert an diesen mit historischen Versatzstücken wie Zinnen und Ecktürmchen versehenen Gebäudekomplex ist das 1993 erbaute „gläserne Kunstmuseum“, zur Schlossseite hin ein Kubus, zur Stadtkirchenseite hin ein Bau mit transparentem Spitzgiebel und Treppenhaus. Die Transparenz des Hauses ermöglicht es, Lichtkunst zu zeigen, die besonders bei Dunkelheit wirkt. Das Kunstmuseum ist als ein 24-Stunden-Museum angelegt, weil eben auch nachts Kunst in ihm gezeigt wird, wenn auch dann die Türen des Hauses verschlossen bleiben.

Blick ins Ambiente eines Biedermeierhauses in Celle

Blick ins Ambiente eines Biedermeierhauses
Foto © Bomann-Museum

Zum Komplex des Bomann-Museums gehören auch das Biedermeierhaus und die einstige Wohnung des Hofpredigers sowie die ehemalige Hofapotheke, die im Zuge der Umgestaltung des Bomann-Museums in ein Museumscafé umgewandelt werden wird. Die ehemalige Hofapotheke besteht aus einem Eckgebäude und einem in die Stechbahn ragenden Flügel. Im Kern geht dieses Bauwerk auf die Zeit um 1530 zurück. Doch Umbauten im Laufe der Zeit haben Spuren hinterlassen. So wurde im Zuge des Baus des Bomann-Museums der Sockelbereich der ehemaligen Hofapotheke mit massiven Bogenstellungen verändert. Die beiden Obergeschosse sind als Fachwerkkonstruktion ausgeführt. Gleiches gilt für das zwölf Gefache breite Gebäudesegment in der Stechbahn.

An die ehemalige Funktion der Stechbahn erinnert eine Installation zu beiden Seiten der Stadtkirche. Einst wurden hier Turniere ausgefochten. Die inszenierten Turnierlanzen sind ein Symbol für die Historie der platzartig erweiterten Straße, an der sich auch die Stadtkirche (4) befindet. Gestaltet wurde das Gotteshaus als dreischiffige Hallenkirche, die im 17. Jahrhundert umfassend barockisiert und mit feinen Stuckarbeiten versehen wurde. Der weithin sichtbare Kirchturm wurde erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg erbaut.

Die von Jean Ipoustéguy geschaffene Arbeit „Homme passant la porte“  in Celle

Die von Jean Ipoustéguy geschaffene Arbeit "Homme passant la porte"

Der norddeutsche Bildhauer Waldemar Otto schuf das Bronzedenkmal Herzog Ernst des Bekenners, das seinen Platz vor der Südfront der Stadtkirche gefunden hat. Es handelt sich bei dieser aufgesockelten Skulptur eigentlich um eine Porträtbüste, die auf einem säulenförmigen Leib ruht. Zur Kunst im öffentlichen Raum gehört außerdem die von Jean Ipoustéguy geschaffene Arbeit „Homme passant la porte“ an der Einmündung zur Poststraße. Der Künstler befasst sich in dieser Arbeit mit dem Sterben. Neben dem Mann, der gleichsam eine Mauer durchstößt, sehen wir den Kopf des Höllenhundes Cerberos. Auch den Obolus, den der Fährmann für die Fahrt über den Styx ins Reich der Toten erhält, können wir in der Hand des Mannes entdecken.

Diamantquader als Augentäuscherei

Kirchliche und weltliche Macht scheinen auch in Celle eng miteinander verknüpft. Zum Alten Rathaus (5) ist es von der Stadtkirche aus nur einen Katzensprung. Zur Marktseite hin springen drei Zwerchhäuser, geschosshohe Ausbauten von Gauben, ins Auge. Betrachtet man den Obergeschosserker unter einem dieser Zwerchhäuser, so sieht man nicht nur Säulen, sondern auch zwei Medaillons mit den Reliefs eines gekrönten Paares.

Das Alte Celler Rathaus

Das Alte Celler Rathaus

Der Zugang zum Rathaus von der Marktseite her erfolgt über die ehemalige Gerichtslaube. Dabei handelt es sich um eine Arkade mit drei Säulen. Über dieser Arkade befinden sich die gerahmten Wappen von Herzog Wilhelm d.J. und seiner Gemahlin, Dorothea von Dänemark. Die sogenannte Diamant-Quaderung der Fassade ist nicht etwa aus Stein, sondern eine gemalte Augentäuscherei. Die Nordseite des Rathauses weist einen beschwingt wirkenden Volutengiebel auf, der von einer Wetterfahne gekrönt wird.

Verse an der einstigen Lateinschule in Celle

Verse an der einstigen Lateinschule

Über die Straße An der Stadtkirche erreichen wir nicht nur das Kunstmuseum mit seiner stadtnahen Gebäudefront, sondern auch die Kalandgasse (6). In dieser mit Kopfstein gepflasterten Gasse steht die einstige Lateinschule (Haus Nr. 5. und Haus Nr.6). Jeweils zu unterschiedlichen Zeiten wurde hier Schüler nicht nur in Latein unterrichtet. Allerdings wurde der Schulbetrieb 1844 eingestellt. Anschließend war die Kirchenministerialbibliothek in den prächtigen Fachwerkhäusern untergebracht, ehe sie seit Mitte der 1980er Jahre der Museumsverwaltung als Bleibe dienen. Die „gestaffelte“ Fassade weist in Goldlettern Psalmverse wie „Herr Lehre uns bedencken das wir sterben mussen auf das wir klug werden (90 Psalm)“ auf.

Kein Mangel an Fachwerk

Weiter geht es bei unserem Altstadtbummel über die Kanzleistraße. Hier wie auch in der Schuhstraße reiht sich Fachwerkhaus an Fachwerkhaus. Ein besonders ins Auge springendes Beispiel ist das Haus Schuhstraße 6 (7). Wegen der roten Ausfachung ist dieser Bau mit stufig vorspringender Fassade und acht Gefachen nicht zu übersehen.

Auch beim weiteren Bummel durch die Altstadt kommen wir aus dem Staunen nicht heraus, als wir die geschlossene Bebauung Am Heiligen Kreuz 27-32 und Zöllnerstraße 24 (8) entdecken. Auf schmalen Grundstücken wurden im 17. Jahrhundert an dieser Stelle traufständige Fachwerkhäuser errichtet.

In Celle gibt es sprechende Laternen

Eines der schönsten Fachwerkhäuser der Stadt steht an der Poststraße Ecke Rundestraße: das Hoppener Haus (9). Erbaut wurde dieses wohl älteste Haus der Celler Altstadt im Auftrag des Amtsschreibers und späteren Rentmeisters Simon Hoppener. Ein Hingucker ist das Haus wegen seiner farbig gehaltenen Schnitzereien. Zudem schaut Ernst der Bekenner auf die Passanten hinab. Dessen Porträt ziert das Gefache neben der Ladeluke. Dargestellt sind als Fassadenschmuck Fabelwesen, Fratzenköpfe, Narren, Grotesken und Blumenschmuck, aber auch Figuren aus der antiken Sagenwelt wie Venus mit Cupido. Man sieht aber auch einen Hahnenreiter, einen Jäger mit Gewehr und eine Frau mit Butterfass, die auf einem Ziegenbock reitet.

Das Hoppener Haus in Celle

Das Hoppener Haus

Gleich um die Ecke, in der Rundestraße, erleben wir die „sprechenden Laternen“. Ja, zu bestimmten Zeiten erzählen diese Laterne spannende Geschichten denjenigen, die in ihrem Stadtbummel für eine Weile innehalten. Unter den Laternen ist auch die Laterne Oma, gesprochen von Lilo Wanders, die aus Hamburgs Schmidts Tivoli bekannt ist und in Celle das Licht der Welt erblickte. Zur Oma gesellen sich noch deren Enkel Jonas und dessen drei Onkel, darunter der „Schlauberger“ Stephan.

Celles "Sprechende Laternen" in der Rundestrasse

Celles "Sprechende Laternen" in der Rundestrasse

Da ein großer Teil der Bebauung des Großen Plans 1668 durch Brand zerstört wurde, erfolgte anschließend eine einheitliche Neubebauung. Dank des weithin sichtbaren Firmenschildes, das Löwe und Einhorn zieren, ist Huth's Kaffee & Feinkost (10) (Großer Plan 7) nicht zu verfehlen. Ein Widder ist das eigentliche Signet der Kaffeerösterei, die aber auch Tee und andere Delikatessen vertreibt. „Völkers Honig-Bonbons“ findet man in der Auslage neben einem Schokoladengruß aus Celle, Ingwerlikör und hochprozentigem „Hexenknüppel“. Auf Zitronenmarmelade und Hagebuttenkonfitüre versteht man sich bei Huth aber auch. Espresso mild und entkoffeiniert gibt es aus der hauseigenen Kaffeerösterei.

Leckereien von Huth

Leckereien von Huth

Der Palais des Herrn Stechinelli

Auf dem Großen Plan, einst als Exerzierplatz der Landsknechte genutzt, stoßen wir auf einen elfachsigen, zweigeschossigen Bau mit auffälligen Doppelsäulen und einem Dreiecksgiebel. Es handelt sich dabei um einen der wenigen Palais in der Altstadt, dessen Errichtung einem Hofbeamten geschuldet ist. Im allgemeinen Sprachgebrauch spricht man vom Stechinelli-Haus (Großer Plan 14). Benannt ist es nach dem Kammerdiener Herzog Georg Wilhelms. Stechinelli, eigentlich Francesco Capellini, erhielt diesen Palais aus der Hand seines Schwiegervaters, der Hofrat am Celler Hof war. Im Laufe seines Lebens machte dieser aus Rimini stammende Diener einen gewaltigen Karrieresprung zum Drost zu Liebenau und zum Reichsgrafen.

Stechinelli-Palais in Celle

In der Art der Hofbeamtenhäuser erbaut: das sogenannte Stechinelli-Palais

Dass nicht alles Fachwerk in Celle glänzt, wird beim Anblick des mit sechs Gefachen versehenen Hauses Bergstraße 14 (11) deutlich: Durchgebogen liegt der Balken auf den sogenannten Knaggen. Die in goldenen Lettern gehaltene Inschrift auf dem Balken ist schwer zu entziffern. Auch die nebenstehenden Häuser scheinen ein wenig aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. Eines dieser Häuser hat rostrote Gefache und in Petroleumgrün gestrichene Balken. Dadurch hebt es sich gegenüber den anderen Häuser mit ihren hellbeigen und weißen Gefachen zu dunkelbraunen Ständern und Balken deutlich ab.

Der Alte Posthof in der Bergstrasse, Celle

Eine Hofanlage aus dem 17. Jh.: Der Alte Posthof in der Bergstrasse

Jüdisches Leben

Dort, wo einst der Kupferschmied Johann Joachim Borger lebte, Kleiner Plan 4, nächtigen heute im Hotel Altstädter Tor (12) Besucher der Stadt. Das Fachwerk des Hauses – es ist das jüngste Beispiel der im Mittelalter so typischen Bauweise mit einem sogenannten vorkragenden Geschoss – besteht aus den dunkelbraunen Balken und den altrosa getünchten Ausfachungen.

Jüdisches Leben, durch den Holocaust fast gänzlich ausgelöscht, existiert in Celle in der Synagoge (Im Kreise 24) (13). Es handelt sich bei diesem Sakralbau um die älteste niedersächsische Fachwerksynagoge, die bis heute im Wesentlichen im Originalzustand erhalten ist. Nach der Renovierung des Gebäudes in den 1970er Jahren dient die Synagoge sowohl als Museum als auch als Gotteshaus für die neue Jüdische Gemeinde. Errichtet wurde das Gotteshaus 1740 hinter den beiden als Schul- und als Wohnhaus genutzten Fachwerkhäusern Im Kreise 23 und 24. In der Pogromnacht 9./10. November 1938 ging die Synagoge nicht in Flammen aus – das hätte bei der dichten Fachwerkbebauung zu einem verheerenden Stadtbrand geführt -, aber dafür wurde die Inneneinrichtung zerstört und die zwölf Thorarollen auf die Straße geworfen. Das Schulhaus vor der Synagoge nutzte man nachfolgend als sogenanntes Judenhaus. Hier warteten Celler Bürger mosaischem Glaubens auf ihren Abtransport in die Vernichtungslager wie Auschwitz.

Auf dem Weg in die Vorstadt

Nebenan befindet sich das ***Hotel Utspann (Im Kreise 13), untergebracht in Fachwerkhaus aus dem Jahr 1644. Im Restaurant Krohne, ein Haus weiter, serviert man dem Gast unter anderem Original Krohnes Celler Rohe Roulade mit Gurke und Butterbrot oder Wildschweinbraten mit Preiselbeersauce.

Einen Abstecher sollte man unbedingt in die Straße Blumlage unternehmen. Diese führt durch die älteste Celler Vorstadt: Insbesondere die Bebauung Blumlage 94 bis 128 vermittelt einen sehr guten Eindruck vom vorstädtischen Hausbau des 17. bis 20. Jahrhunderts.

Italienischer Garten in Celle

In den 1920er Jahren erbaut: die kunterbunte Siedlung Italienischer Garten

Wir folgen der Straße Blumlage in südlicher Richtung und wenden uns dann nach dem *** Hotel Blumlage (Blumlage 87) (14) nach rechts, um zum Neuen Rathaus und zur Straße Italienischer Garten (15) zu gelangen. In dieser stehen als typisches Beispiel des Neuen Bauens der 1920er Jahre die von Otto Haesler konzipierten, in Blau und Rostrot getauchten Wohnkuben.

Ein Spaziergang durch den Französischen Garten (16) bringt uns zum Ausgangspunkt dieser Tour. Für eine Kaffeepause und ein Stück Torte bietet es sich an, in einer Stadtvilla am Rande des Gartens einzukehren: Café Müller (Am Südwall) heißt Sie willkommen und verwöhnt Sie mit Schweineöhrchen, Erdbeertörtchen oder Marie-Luisen-Torte.

Weitere Informationen


Bomann-Museum
Schlossplatz 7
29221 Celle
www.bomann-museum.de

Kunstmuseum
Schlossplatz 7
29221 Celle
www.kunst.celle.de

Stadtkirche St. Marien
An der Stadtkirche 8
29221 Celle
www.stadtkirche-celle.de

Altes Rathaus
Markt
29221 Celle

Synagoge
Im Kreise 23-24
29221 Celle

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