Flugsaurier, Riesenlibellen und Seesterne

Im Naturpark Altmühltal boomt der Fossilien-Tourismus

Text und Fotos: Rainer Heubeck

Deutschland Altmühltal  Schnecke

An besonders lebhaften Tagen zählt die Kioskbetreiberin Romana Matzner schon einmal vierhundert Besucher im Steinbruch Blumenberg. Viele davon bleiben nur ein, zwei Stunden und leihen sich Hammer und Meißel von Frau Matzner. Unten im Steinbruch heißt es erst einmal, ein geeignetes Plätzchen zu finden, um die berühmten Solnhofener Platten abzutragen. Dafür gibt es zwei Techniken – entweder, man entfernt sich ein dickeres Stück, das aus mehreren Schichten zusammengefügt ist, und trennt dann vorsichtig Schicht für Schicht. Oder aber der Fossiliensucher räumt eine größere Fläche frei, und trägt die Schichten einzeln ab.

„Wenn du Glück hast, dann findest du gleich was, wenn du Pech hast, klopfst du den ganzen Tag und findest nichts anderes als einen kleinen Haarstern“, berichtet ein Vater aus Bad Tölz, der 150 Kilometer Anfahrt in Kauf genommen hat, um mit seinem zehnjährigen Sohn in den Steinbruch Blumenberg oberhalb von Eichstätt zu kommen – einen von mehreren Hobby-Steinbrüchen im Naturpark Altmühltal, die gegen eine kleine Gebühr von Fossiliensammlern genutzt werden können.

Deutschland Altmühltal Wegweiser

Familien mit Kindern, die ein, zwei Stunden langen ihr Glück probieren wollen, stellen das Gros der Besucher im Steinbruch Blumenberg. „Am Anfang war es ein bisschen blöd, weil ich nicht wusste, wie ich die Steine anfassen soll und was ich genau machen soll, aber nach einiger Zeit hat man es dann schon heraus“, beteuert die 10-jährige Johanna, die ebenfalls Hammer und Meißel in der Hand hält. „Hier im Steinbruch gibt es auch feuchten Lehm, daraus kann man Tiere formen oder andere Sachen - das macht viel Spaß“, schwärmt Johanna, die zusammen mit ihrem Vater aus den Nürnberger Raum nach Eichstätt gekommen ist.

Deutschaldn Altmühltal Steinbruch Blumenberg

Fossilienjäger im Steinbruch Blumenberg

Die beiden sind zum ersten Mal im Hobbysteinbruch: Doch es gibt auch Stammgäste – wie Gerhard Rauch aus der Nähe von Pforzheim. Vor 25 Jahren hat ihn die Fossilien-Sammel-Leidenschaft gepackt – und seither nicht mehr losgelassen. Wenn er mit einigen Freunden ins Altmühltal kommt, bleibt er gleich mehrere Tage. Morgens um 7 Uhr gehört er zu den ersten, die den Steinbruch betreten – und erst abends, wenn es dämmert, packen die Männer ihr Werkzeug wieder ein. „Morgens und abends, wenn die Sonne noch nicht so stark herunterbrennt, machen wir die schwere Arbeit, da brechen wir die Platten heraus. Tagsüber, wenn es heißer ist, spalten wir sie dann auf“, berichtet der Fossilien-Experte. Er könnte Wochen im Steinbruch verbringen. „In jeder der Platten hier könnte ein kleiner Flugsaurier sein - und das ist der Reiz.“

Vierzehn Tage im Steinbruch

Deutschland Altmühltal Versteinerung

Die Steinbrüche rund um Eichstätt und Solnhofen, in denen auch die Versteinerungen des Urvogels Archaeopteryx gefunden wurden, sind ein Paradies für Fossilienliebhaber. Denn die Kalkplatten, die am Grunde von im Jurameer gelegenen Lagunen entstanden sind, bergen erstaunliche Zeugnisse urzeitlichen Lebens: Riesenlibellen und Flugsaurier, Tintenfische und Ammoniten, Seesterne und Krebse, Quastenflosser und Rochen. Gerhard Rauchs bisher größter Fund: ein etwa achtzig Zentimeter großer urzeitlicher delfinähnlicher Fisch, der im Frankfurter Senckenberg-Museum präpariert wurde. Rund drei Stunden hat es gedauert, die 300 Kilo schwere Steinplatte zu bergen. „Wenn man vierzehn Tage lang im Steinbruch war, und man findet so etwas, freut man sich natürlich, aber man weiß auch, es gibt Schwierigkeiten“. Schließlich können Versteinerungen ab einem bestimmten Wert nicht einfach behalten werden, sondern sie müssen dem Landkreis gemeldet und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.

Einer, der nahezu jeden freien Urlaub im Steinbruch verbringt, ist auch Peter Kaßmekat. „Als ich in Wuppertal gewohnt habe, bin ich dreimal im Jahr hierher in den Urlaub gefahren.“ Mittlerweile ist Kaßmekat nach Mittelfranken gezogen. Der Hauptgrund dafür: von seinem jetzigen Wohnort aus ist es bis zu den Steinbrüchen nicht mehr so weit. „Für mich gibt es nichts Schöneres. Ich haue richtiggehend die Seele aus dem Leib.“

Deutschland Altmühltal Fossilienjäger

Urlaub im Steinbruch macht süchtig

Doch die Entspannung, räumt Kaßmekat ein, ist nicht sein Hauptmotiv. „Wenn ich ehrlich bin, war ich schon als Kind süchtig danach. Und das lässt einen auch nicht mehr los – selbst wenn man drei Wochen lang gar nichts findet, man geht immer wieder ran. Es ist wirklich eine Sucht – die Goldsucher, die haben den Goldrausch, und wir hier, wir haben den Fossilienrausch.“ Fossilien, die er nicht selbst findet, sind für Kaßmekat reizlos. Einmal, so berichtet er, hat er sich überreden lassen und hat einen seltenen Krebs, den er im Steinbruch entdeckt hatte, gegen zwei Libellen getauscht. „Die Libellen habe ich später wieder verschenkt. Ich hatte keine Freude daran, denn ich hatte sie ja nicht selber gefunden.“

Ein Jahrhundertfund

Die Fossilien im Naturpark Altmühltal beschäftigen allerdings nicht nur begeisterte Hobby-Sammler, sondern auch die Wissenschaftler. Zwei Jahre nachdem Charles Darwin sein damals höchst umstrittenes Buch „Über den Ursprung der Arten durch natürliche Zuchtwahl“ veröffentlicht hatte, wurde Darwins Theorie durch einen Fossilienfund in der Langenaltheimer Haardt bei Solnhofen gestützt: Die 1861 gefundene Versteinerung des Urvogels Archaeopteryx schuf eine Verbindungslinie von den Reptilien zu den Vögeln – und belegte so, dass Darwin recht hatte. Dennoch sind – was den Übergang von den Reptilien zu den Vögeln betrifft - noch längst nicht alle Fragen gelöst. Ein im Altmühltal gefundener Raubsaurier, über den die Öffentlichkeit Anfang 2006 informiert wurde, wirft neue Fragen auf – und gibt der Wissenschaft, für die der „Jurvenator starki“ ein Jahrhundertfund ist, neue Ansatzpunkte.

Deutschland Altmühltal Museumsstück

Kostbares Museumsstück

Während der „Jurvenator starki“ derzeit noch wissenschaftlich untersucht wird, ist der 1861 gefundene erste Urvogel Archaeopteryx längst zur Besichtigung freigegeben. Allerdings ist dieses Exemplar nicht im Altmühltal, sondern im British Museum of Natural History ausgestellt, Ein Museumsbesuch im Altmühltal lohnt sich dennoch – denn auch dort sind mehrere Original-Versteinerungen des so genannten Urvogels zu bewundern – beispielsweise im Bürgermeister-Müller-Museum in der Gemeinde Solnhofen. „Unser erster Urvogel stammt noch aus der Sammlung von Bürgermeister Friedrich Müller. Dieser dachte am Anfang, bei der Versteinerung handele es sich um einen Zwergdinosaurier. Dass es ein Archaeopteryx ist, hat sich erst bei der Nachpräparation gezeigt“, berichtet der Museumsdirektor.

Deutschland Altmühltal Steinbruch

Wer suchet, der findet - im Steinbruch Blumenberg

Viele der rund 300 urzeitlichen Versteinerungen, die im Bürgermeister-Müller-Museum derzeit präsentiert werden, sind in den umliegenden Steinbrüchen ans Licht gekommen. Wunderschöne Kopffüßler, die wie Riesenschnecken anmuten und die Ammoniten genannt werden, finden sich darunter - ebenso wie Knochenfische, Kugelzahnfische, Krebse und etwa taubengroße Flugsaurier.

Ein Meilenstein der Evolutionstheorie

Solnhofenwar aber nicht nur ein wichtiger Meilenstein für den Siegeszug der Evolutionstheorie, hier wurde auch der Grundstein für die moderne Kommunikationstechnik gelegt – denn der Solnhofener Naturstein eignete sich wie kein anderer für das Verfahren der Lithografie, dem technologischen Vorgänger des Offsetdrucks. Mittlerweile hat die Lithographie – jenseits des künstlerischen Einsatzes - zwar ihre Bedeutung verloren. Doch in Solnhofen wird die Tradition des Lithographie-Erfinders Alois Senefelder, der das Verfahren 1798 entdeckte, als er Musiknoten vervielfältigen wollten, noch immer hoch gehalten.

Deutschland Altmühltal Fluss

Nicht nur Fossilien: romantisches Altmühltal

Das Solnhofener Museum ist nicht die einzige Möglichkeit, im Naturpark Altmühltal oder in seiner Umgebung einen Ausflug in die Urzeit zu unternehmen. Auch im Jura-Museum in Eichstätt ist eine von insgesamt neun bislang gefundenen Archaeopteryx-Versteinerungen zu bewundern. In Nachbildungen wird dort das Urmittelmeer dargestellt, mit seinen Riffen und Lagunen, in denen sich die Kalkablagerungen bildeten. Beeindruckende Aquarien machen die Unterwasserwelt der Urzeit noch einmal lebendig – in Form von riffbauenden Korallen sowie von Weichkorallen, aber auch durch lebende Fossilien, darunter Pfeilschwänze, Drückerfische und Knochenhechte. Bei Kindern am beliebtesten ist freilich ein orange-weißer Anemonenfisch, der dem schwimmenden Hauptdarsteller des Disney-Films „Findet Nemo“ zum verwechseln ähnlich sieht.

Deutschland Altmühltal Libelle

Versteinerte Riesenlibelle

Das Eichstätter-Jura-Museum ist durch einen markierten Fossilienpfad mit dem Hobbysteinbruch Blumenberg, in dem Ramona Matzner ihren Kiosk betreibt, verbunden. Nicht weit davon entfernt befindet sich ein sehenswertes Privatmuseum, in dem Versteinerungen aus den umliegenden Steinbrüchen vorgestellt werden: Das Museum Bergér, das insbesondere wegen einiger gut erhaltener Libellen einen Besuch lohnt. Im kleinen Museumsladen lassen sich Versteinerungen zudem auch käuflich erwerben.

 

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