Zwischen Reichstag und Mauerweg

Berlin mit dem Fahrrad entdecken

Text und Fotos: Karsten-Thilo Raab

Berlin - Brandenburger Tor

Brandenburger Tor

Man muss kein Asphalt-Cowboy mit ausgeprägtem Hang zum Abenteuer sein, um Berlin mit dem Fahrrad zu entdecken. Mehr als 1.200 Kilometer fahrradgeeigneter Wege stehen Radlern laut Senatsverwaltung für Verkehr und Stadtentwicklung zur Verfügung, darunter allein 620 Kilometer an ausgewiesenen Radwegen. Für Pedalritter ein herrliches Terrain, um Bewegung an der frischen Luft mit einer ausgiebigen Hauptstadttour zu verbinden. Auch ohne die trennende Scheibe eines Stadtrundfahrtbusses können Radfahrer im eigenen Tempo zu den interessantesten und geschichtsträchtigsten Stellen der Spreemetropole vordringen und genießen dabei einen weit größeren Aktionsradius als bei Führungen auf Schusters Rappen.

Berlin per Rad - Prenzlauer Berg mit Wasserturm

Der Wasserturm am Prenzlauer Berg

So lässt sich beispielsweise der Stadtbezirk Mitte auf wenig befahrenen Nebenstraßen erkunden. Bröckelige Fassade und edel sanierte Gründerzeitbauten bestimmen hier das Bild. Vom Szeneviertel Prenzlauer Berg geht es im Zickzackkurs vorbei an der Jüdischen Synagoge, den Hackescher Höfen und dem Berliner Dom zur Museumsinsel, mit ihrem grandiosen Häuserensemble aus Bode-Museum, Alten und Neuem Museum, Pergamonmuseum sowie Nationalgalerie. Nächster Station ist dann das Regierungsviertel mit dem Reichstagsgebäude, dem Kanzleramt und dem Brandenburger Tor.

Berlin - jüdische Synagoge in der Rykestraße

Die jüdische Synagoge in der Rykestraße

„Berlin hat mehr Museen als Regentage“, schmunzelt Martin Wollenberg mit Blick auf die nicht weniger als 175 Museen und 300 Galerien der Hauptstadt. Der waschechte Berliner Jung organisiert unter dem Namen „Berlin on Bike“ verschiedene geführte Radtouren zwischen Kunst, Kommerz und Currywurst durch die deutsche Kapitale. Besonders reizvoll sind die Fahrten in den Ostteil der lange Jahre geteilten Stadt und entlang des 160 Kilometer langen Mauerweges.

Berlin - Bode Museum

Das Bode-Museum auf der Museumsinsel

Von der Kulturfabrik am Prenzlauer Berg führt der Weg zum Kollwitz-Platz, der schon zu DDR-Zeiten eines der Aushängeschilder des Berliner Ostens war. Mit großem Aufwand wurden hier Mietskasernen aus der Zeit um das Jahr 1900 zu Vorzeigeprojekten des Arbeiter- und Bauernstaats herausgeputzt. Nur einen Steinwurf entfernt, in der Oderberger Straße, zeugen einige Häuserfassaden von ganz anderen Zeiten: An den Wänden der heruntergekommenen Gemäuer sind noch die Einschusslöcher vom Häuserkampf während des 2. Weltkriegs zu erkennen.

Auf den ersten Blick eher unscheinbar wirkt die 138 Meter lange Bösebrücke mit ihrem weithin sichtbaren Metallbogen. Auf östlicher Seite befand sich hier der Grenzübergang Bornholmer Straße, der nördlichste zwischen den beiden Teilen Berlins. In der Nacht des 9. November 1989 wurde an der Bösebrücke ein bedeutendes Stück Zeitgeschichte geschrieben: Unter dem Druck der Massen öffneten die Grenztruppen der DDR die Schranke. Ein symbolischer Akt, der nach rund 28 Jahren den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands einläutete.

„An der Bösebrücke war so etwas wie die Hochgeschwindigkeitstrasse der DDR. Die Züge der Ost-Berliner S-Bahn beschleunigten hier auf 80 Stundenkilometer, damit niemand aus dem fahrenden Zug sprang und in den Westen flüchtete“, verweist Martin Wollenberg auf die Tatsache, dass der Haltepunkt fast drei Jahrzehnte ein Geisterbahnhof war. Heute erinnert ein knallrotes Plastiksofa vor dem S-Bahn-Halt an die historischen Ereignisse des Jahres 1989. Immer, wenn sich jemand auf das Sofa setzt, ertönen aus den eingebauten Lautsprechern zahlreiche Stimmen, die „Wahnsinn, Wahnsinn“ rufen. „Denn“, so Wollenberg weiter, „dies war die meist gehörte Reaktion auf die unerwartete Grenzöffnung.“ 

Berlin - Kulturfabrik

Kulturfabrik

Rund 1,5 Kilometer südlich davon erstreckt sich der so genannte Mauer-Park. Markantestes Bauerwerk ist hier der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark, die einstige sportliche Heimat des ostdeutschen Vorzeigeclubs BFC Dynamo Berlin. „Hier trug die DDR- Nationalmannschaft am 28. März 1990 ihr letztes Fußballländerspiel gegen die USA aus und gewann 2:2", flachst Wollenberg.

Wenige hundert Meter weiter südlich erinnert an der Bernauer Straße ein gemauerter Streifen mit einer eingelassenen Metallplatte daran, dass hier einst die Berliner Mauer verlief. Während des Mauerbaus spielten sich hier im August 1961 dramatische Szenen ab, als verzweifelte Menschen aus dem Fenster im ersten, zweiten oder gar dritten Stock sprangen, um in den Westen zu gelangen. In der Folgezeit ließ das DDR-Regime zunächst die Fenster zumauern, dann die Häuser zwangsweise evakuieren. Um Platz für den Todesstreifen zu schaffen, wurden entlang der Bernauer Straße alle Vorder- und Mittelhäuser abgerissen. Auch gut zwei Jahrzehnte nach dem Mauerfall ist diese innerstädtische Narbe nicht verheilt und gut sichtbar.

Nach der Wende kamen die so genannten „Mauerspechte“, um sich mit Hammer und Meißel bewaffnet ein Erinnerungsstück von der Mauer abzuknabbern. „In Rekordzeit ist die Mauer damals zur Souvenirabbaustelle geworden. Heute werden meist Mauerstücke angeboten, die mit der Spraydose im Keller aus irgendwelchen Betonresten gefertigt werden“, warnt Wollenberg vor dem Kauf vermeintlich echter Mauerstücke.

Gleichwohl findet sich an der Bernauer Straße noch ein gut erhaltenes Stück dieses von der DDR-Führung gern als „antifaschistischer Schutzwall“ bezeichneten Monstrums aus Beton, Stein und Stacheldraht. An der Gedenkstätte Berliner Mauer kann von einer Aussichtsplattform ein Blick auf eines der letzten verblieben Teilstücke geworfen werden. Auf der Ostseite verlief parallel zur knapp vier Meter hohen Mauer der Todesstreifen, eine 20, manchmal 30 Meter breite Fläche mit Signalzäunen, Hundelaufanlagen, Kraftfahrzeugsperren und Wachtürmen. Eine so genannte Hinterlandmauer trennte dieses Niemandsland vom übrigen Ost-Berliner Stadtgebiet. Der dahinter liegende Friedhof war ebenfalls scharf bewacht. Nur mit einem speziellen Passierschein kamen Angehörige zu den Gräbern ihrer Familienmitglieder und Freunde.

Berlin - DDR-Grenzpfosten

Ehemaliger DDR-Grenzpfosten

Und am ehemaligen Grenzübergang Chausseestraße werden tagein, tagaus symbolisch Kaninchen überfahren. Insgesamt 120 springende, hüpfende oder hockende „Rammler“ aus Bronze sind hier in den Asphalt eingelassen. Die kleinen Kunstwerke von Karla Sachse erinnern daran, dass fast drei Jahrzehnte lang nur die Kaninchen ungehindert zwischen dem Berliner Ost- und Westteil verkehren konnten. Für Radfahrer bilden die kleinen Tiere nur eine von vielen Stationen, gibt es doch entlang des 160 Kilometer langen Mauerwegs noch viel Spannendes über die Geschichte der einst geteilten Stadt zu entdecken.

Berlin - radeln am Mauerweg

Radeln am Mauerweg

 

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