Wenn ich den (Boden-) See seh, brauche ich kein Meer mehr

Faszination Bodensee: drei Länder, ein See, ein Radweg

Text und Fotos: Karsten-Thilo Raab

Irgendwie macht der See sich rar. Immer wieder funkelt in einigen Hundert Metern Entfernung kurz ein Stück des kristallklaren Nasses auf. Doch die romantische Vorstellung, bei einer Umrundung des Bodensees, vorwiegend an den Gestaden des mit einer Fläche von 536 Quadratkilometern größten Gewässers des Voralpenlandes entlang zu radeln, bleibt kaum mehr als ein Wunsch.

Schiffstour auf dem Bodensee bei Rheineck

Schiffstour auf dem Bodensee bei Rheineck

Auf dem ersten Teilabschnitt zwischen der Zeppelin-Hauptstadt Friedrichshafen (1) und dem österreichischen Bregenz bleibt der See nur punktuell zu sehen. Dafür führt der Weg vorbei an Weinhängen, Obstplantagen und jeder Menge mondäner Villen, die ironischerweise zumeist direkten Seezugang haben. Doch vor den Toren der stattlichen Häuser könnte es statt Hunde „Radfahrer und Wanderer müssen draußen bleiben“ heißen. Auch von den herrlich angelegten Uferpromenaden in Langenargen und Kressbronn werden die Pedalritter qua Fahrverbot ferngehalten. Nur getreu dem Motto „Wer sein Rad liebt, der schiebt“ lässt sich hier das herrliche Bodensee-Flair genießen. Gleichwohl mangelt es nicht an Uferstücken, die dazu einladen, sich in dem überraschend warmen Bodensee bei einem Bad ein wenig zu erfrischen.

Bodensee - Friedrichsahafen

Kirche in der Altstadt von Friedrichshafen

Lindau (2) ist dann der erste touristische Hotspot. Scheinbar um die Radfahrer auf die Touristenmengen vorzubereiten, die sich vor allem in den engen, verträumten Gassen rund um den schönen Hafen tummeln, hält eine Bahnschranke die Heerschar der Pedalritter mehrmals stündlich minutenlang auf. Erst wenn zwei, drei Züge passiert sind und sich scheinbar wenigstens sechs Dutzend Radler auf beiden Seiten der Schranke gesammelt haben, geht die rot-weiße Barke wieder hoch. Mit dem Effekt, dass die Brigade der Strampelnden dann in konzentrierter Form in das Herzstück der Bodensee-Insel einfällt. Dies führt hier und da zu hitzigen Debatten mit Passanten, aber auch dazu, dass manch einer versucht, mit heißem Reifen Fußgänger und andere Radfahrer wie Slalomstangen zu umrunden. Was wiederum die Gemüter mächtig erhitzt. Nur gut, dass es zwischen Lindau und Bregenz nicht an Badegelegenheiten mangelt, wo es beim Plantschen einen kühlen Kopf gratis dazu gibt.

Bodensee-Radweg - Hafen von Lindau am Bodensee

Hafen von Lindau

Völlig unbemerkt wird kurz hinter Lindau die Landesgrenze zwischen Deutschland und Österreich überquert. Kein Schild, kein Pfahl, kein Grenzposten, keine Kontrolle – nichts weist darauf hin, wo die BRD aufhört und die Alpenrepublik anfängt.

Sonnenuntergang in Bregenz am Bodenseeufer

Sonnenuntergang in Bregenz

In Bregenz (3), wo weiland Leinwandheld James Bond in „Ein Quantum Trost“ Bösewicht Dominic Greene über die spektakuläre Seebühne verfolgte, lädt eine kleine Sektbar auf einem Steg an der Bregenzer Bucht zum Sundowner ein. Nachdem die Sonne langsam in den Fluten des Bodensees untergetaucht ist, geht es weiter zum pittoresken Kornmarkt. Ein Platz, wie geleckt, gesäumt vom Vorarlberg Museum, dem Theater und jeder Menge Außengastronomie, wo der Aperol-Spritz nicht minder gut mundet als am Ufer des Bodensees.

Kornmarkt in Bregenz

Kornmarkt in Bregenz

Auf dem Weg ins 35 Kilometer entfernte Rorschach geht es über die Bregenzer Ach. Deren brackig-braunes Gebirgswasser mischt sich nur wenige Hundert Meter Luftlinie von der Brücke mit dem Blaugrün des Bodensees. In Rorschach (4), dem Hafenvorort von St. Gallen, ist neben dem barocken Kornhaus vor allem das Forum Würth sehenswert. In dem Glas-Stahl-Palast direkt am Bodenseeufer sind Klassiker der Moderne von Picasso über Munch bis hin zu Chagall ausgestellt.

Forum Würth in Rorschach in der Schweiz

Forum Würth in Rorschach

Via Arbon mit seiner drei Kilometer langen Seepromenade, dem charmanten Uttwill mit seinen prächtigen Fachwerkhäusern, und dem größten Schweizer Hafen in Romanshorn geht es durch ausgedehnte Obstplantagen zurück nach Deutschland. Wobei das Gros der Strecke durch das Land der Eidgenossen unmittelbar neben einer Bahnlinie verläuft. Das hat den Vorteil, dass immer wieder Bahnhöfe passiert werden, wo bei schlappen Beinen oder Dauerregen mal eben in den Zug gehüpft werden kann.

In einigen Teilabschnitten gemahnt der Bodenseeradweg hier an eine Ameisenstraße, so stark frequentiert ist die Strecke. Mit dem Nebeneffekt, dass hier – im Gegensatz zu anderen Radfernwegen – niemand einen entgegenkommenden Radler grüßt. Vielleicht liegt es schlicht an der Masse der Pedalritter, vielleicht auch daran, dass alle von der Schönheit der Landschaft komplett in ihren Bann gezogen werden.

Schnetztor in Konstanz

Schnetztor in Konstanz

In Kreuzlingen heißt es dann, der Schweiz auf Wiedersehen zu sagen, bevor mit dem benachbarten Konstanz (5) eine der fraglos schönsten und bemerkenswertesten Städte der Bodenseeregion erreicht ist. Vor allem in der Altstadt und rund um das Hafenbecken, an dessen Einfahrt die neun Meter hohe Imperia seit 1993 im Schneckentempo ihre Runden dreht, zeigt sich die 80.000-Seelen-Gemeinde von ihrer schönsten Seite. Hier liegt auch das prächtige Konzilgebäude von 1388.

Imperia am Hafen in Konstanz

Imperia am Hafen in Konstanz

Von Konstanz ist es nur ein Katzensprung zur neun Kilometer entfernt liegenden Blumeninsel Mainau (6). Mit ihren von 60 Gärtnern aufwendig gepflegten Beeten, Rabatten und Bäumen erweist sich die 45 Hektar große Insel als eine Park- und Gartenlandschaft der Superlative.

Und es sind nicht nur die aus Blumen gestalteten Tierfiguren, die jährlich weit mehr als eine Million Besucher in ihren Bann ziehen. Nein, Mainau ist ein gartenbautechnisches Gesamtkunstwerk. Und wie jedes Paradies hat auch die Vorzeigeinsel einen Stich: Überall blüht auf Mainau die Pflanzenpracht, während in der Inselgastronomie die Preise wuchern.

Blumeninsel Mainau im Bodensee

Blumen auf der Insel Mainau

Mit Blumenduft in der Nase geht es schließlich via Radolfzell und dem touristisch geprägten Überlingen zu den berühmten Pfahlbauten in Unteruhldingen (7). Das dortige Museum vermittelt mit 20 originalgetreu nachgebauten Hütten und Häusern auf Stelen, wie die Menschen in der Bodenseeregion in der Stein- und Bronzezeit gelebt haben.

Bodensee - Pfahldorf in Unteruhldingen

Pfahldorf in Unteruhldingen

Der Endspurt auf dem Rückweg zum Ausgangsort Friedrichshafen wird dann noch einmal punktuell zu einer schweißtreibenden Angelegenheit. Denn im prachtvollen Meersburg (8) liegt das Gros der malerischen Fachwerkhäuser in der Oberstadt, die nur über einen steilen Anstieg, der passenderweise Steigstraße heißt, zu erreichen ist. Doch die Mühen lohnen sich. In Deutschlands ältester bewohnter Burg, der Meersburg aus dem 7. Jahrhundert, gibt es nicht nur viel über das Leben der alten Rittersleute zu erfahren, sondern auch über Annette von Droste-Hülshoff. Die große Dichterin war regelmäßig auf der Meersburg zu Gast, wo sie am 24. Mai 1848 das Zeitliche segnete. Noch heute sind hier ihr Arbeits-, Schlaf- und Sterbezimmer zu sehen. Nur einen Steinwurf entfernt liegt das Neue Schloss (18. Jahrhundert) mit den beeindruckenden fürstbischöflichen Gemächern und dem famosen Blick auf den Bodensee, die Burg und die Unterstadt.

Bodensee - Die Meersburg in Meersburg

Die Meersburg in Meersburg

Zurück in Friedrichshafen schließt sich der Kreis – und dies ist sowohl auf die Seerunde als auch auf die Luftfahrt gemünzt. Vor den Toren der Stadt liegen die Airbus-Werke, die ein Symbol der modernen Luftfahrt sind. Im Stadtzentrum findet sich dann direkt am Seeufer das faszinierende Zeppelin-Museum, wo der bewegten Geschichte der „fliegenden Zigarre“ ein Denkmal gesetzt wurde.

Schlafabteil eines Zeppelins im Zeppelin-Museum in Friedrichshafen

Schlafabteil eines Zeppelins im Zeppelin-Museum

Wer zum Abschluss noch einmal einen Blick über den Bodensee werfen möchte, der sollte die Treppen des 22 Meter hohen Aussichtsturms an der Hafenmole erklimmen. Von hier bietet sich ein faszinierender Blick auf Friedrichshafen, aber auch auf die Weite des Sees – und bei gutem Wetter bis in die nahen Alpen. Ein perfekter Ort, um die abwechslungsreiche Tour nach gut 270 Kilometern im Sattel noch einmal Revue passieren zu lassen. Nicht von ungefähr ruft manch ein Radfahrer dann auch begeistert aus: „Wenn ich den See seh, brauche ich kein Meer mehr.“

 

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