Zum Flusskuss

Der Fulda-Radweg R1

Text und Fotos: Judith Weibrecht

Der Fulda-Radweg R1 führt auf rund 200 Kilometern von der Quelle der Fulda bis hinunter nach Hann. Münden, wo sie zusammen mit der Werra die Weser bildet.

Fulda-Radweg - Blick auf Fulda vom Radweg aus

Blick auf Fulda vom Radweg aus

Die Fuldaquelle liegt auf der Wasserkuppe (1) inmitten des Biosphärenreservats Rhön, dem Land der großen Fernen. So nennt man es aufgrund der hier möglichen weiten Blicke. Segelflieger wissen die Wasserkuppe zu schätzen, der Segelflug wurde hier sogar erfunden, denn stetig bläst der Wind. Auch Sturmwanderungen lassen sich deshalb hier buchen.

Starkes Gefälle führt bis Gersfeld (2) mit seinen putzigen Fachwerkhäusern und weiter durch kleine Dörfer am Wegesrand, über Fuldabrücken mit steinernen Figuren des Heiligen Nepomuk, die wohl wollend auf die dahin eilenden Radfahrer herabzublicken scheinen. Abbiegen erlaubt, z. B. in Ried (3) zu seiner Wehrkirche aus dem 15. Jahrhundert.

Fulda-Radweg - Wehrkirche in Ried aus dem 15. Jh.

Wehrkirche in Ried

Auf dem R1 fährt man fast mitten hinein in den riesigen Biergarten der Wiesenmühle. Es klappert Europas größtes Mühlrad am Bach. Die Wiesenmühle ist eine der ältesten Mühlen Deutschlands und heutzutage Gasthof, Hotel und Brauerei. Hier braut man mit Rhöner Braugerste das Wiesenmühlenbier und Jonas Renner erzählt, dass er nun auch Hopfen im hinteren Bereich des Gartens anbaut. „Der wächst und wächst!“ Vom Strom her ist man autark: Das Mühlrad liefert's.

In der Barockstadt Fulda (4) ist ein längerer Stopp nötig, um die zahlreichen Sehenswürdigkeiten zu würdigen. 744 gründete Bonifatius aus England das hiesige Benediktinerkloster. Die Geschichte schreibt, dass er 1,90 m groß und 90 Jahre alt wurde – er starb den Märtyrertod und wurde in Ostfriesland ermordet. In der Krypta des barocken Doms, einer der Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt, liegt er begraben.

Fulda-Radweg - Orangerie in Fulda

Orangerie in Fulda

Die Fuldaer mit ihrer Bistumsstadt konnten sich etwas einbilden auf ihre Wichtigkeit, und: „Sie waren schon immer sehr eigen!“ betont Roland Frormann von Rhön Tourismus. Das sei bis heute so geblieben. Selbst die Spätlese wurde hier erfunden, wieder etwas, um sich was einzubilden: Der Johannesberg im Rheingau gehörte dem Kloster Fulda. Jedes Jahr musste ein Reiter von dort mit einer Rebe nach Fulda reiten, um prüfen zu lassen, ob man schon lesen dürfe. Einmal kam er aufgrund einer Liebschaft zu spät an, und die Trauben waren schon leicht faulig. Der Wein, den man daraus kelterte, war aber vorzüglich. Die Spätlese war erfunden! Der Schlossgarten mit der Orangerie und der weltberühmten Floravase, einer barocken Gartenplastik, hat eine lange Geschichte und funktioniert heutzutage wieder als eine Art barocker Landschaftsgarten mit Wasserspielen. Schlosstheater und Stadtschloss sind gleich nebenan. An Sehenswürdigkeiten herrscht kein Mangel.

Fulda-Radweg - Das barocke Fuldaer Stadtschloss

Das barocke Fuldaer Stadtschloss

Burgenstadt

Das wird sich im Verlauf des Wegs nicht ändern, der in wenig bekannten Städten und Dörfern so einiges an Überraschungen bereit hält: Die Burgenstadt Schlitz (5) etwa, wo es einen Barden gibt, der die Stadtführungen singt. Auch den Bornschorsch, den Brunnengeorg, eine Figur auf dem Marktbrunnen, nimmt er auf die Schippe. Der Hl. Georg ist dort nämlich nicht wie üblich in Drachentöterrüstung zu Pferde dargestellt, sondern ganz profan zu Fuß und in Alltagskleidung. Ganze fünf Burgen nennt der Ort sein eigen: Vorder- und Hinterburg mit Hinterturm, die Ottoburg, eine ehemalige Wohnburg, Schachtenburg und Schloss Hallenburg, in der die Hessische Landesmusikakademie untergebracht ist. Vom Hinterturm aus hat man einen guten Blick hinab auf Städtchen, Burgen, Fachwerkhäuser und Gassen. Hinaufklettern muss man nicht, es gibt einen Fahrstuhl mit Fahrstuhlführer.

Fulda-Radweg - Der Bornschorsch (Brunnengeorg) am Marktplatz, Schlitz

Der Bornschorsch (Brunnengeorg) am Marktplatz in Schlitz

Die Brezel, ein Symbol für die Unendlichkeit, findet man beispielsweise an der Schachtenburg als Zeichen der ineinander gehenden Jahre. „Bis heute soll der Pate am Neujahrstag dem Patenkind eine Brezel überreichen“, sagt Heike Weber von der Touristinformation. Schlitzer Spezialitäten sind die Schlitzer Krautwurst, Bloatz, Brotteig mit Kartoffeln, Zwiebeln und Speck belegt und im Backofen gebacken oder Schwartenwurst. „Überhaupt ist Schlitz eine Wurststadt“ erzählt der Wirt vom „Bräustübchen“. Damit alles gut verdaut wird, empfiehlt sich hinterher ein „Kümmel“ aus der Schlitzer Kornbrennerei. Schlitzer Bier gibt es außerdem, doch leider wird das „Auerhahn Bier“ nicht mehr in der Stadt gebraut. Leinen wurde hier einst hergestellt, zwei Betriebe tun das bis heute.

Fulda-Radweg - Breze an der Schachtenburg, Symbol für Unendlichkeit

Breze an der Schachtenburg

Festspielstadt

Bad Hersfeld (6) verwandelt sich in den Sommermonaten in eine Festspielstadt. In der altehrwürdigen, blau und rot ausgeleuchteten Stiftsruine lauschen die Zuschauer Sprechtheatern, Musicals und neuerdings auch Opern. Nebenan ist der Katharinenturm mit der ältesten gegossenen Glocke Deutschlands, der Lullusglocke von 1308. Den beiden Konrads, Duden und Zuse, setzte man jeweils ein Denkmal hier. Aus gutem Grund, sind doch die zwei berühmten Herren hier gebürtig.

Ein Muss ist das „Wortreich“, ein interaktives Museum zum Thema Sprache und Kommunikation, in dem die Zeit wie im Fluge vergeht und man viele Stunden verbringen kann und einiges dabei lernt. Mein Lieblingsobjekt: Die Deutschlandkarte auf dem Boden mit den verschiedenen Dialekten, die man hört, und dann muss man sich auf die richtige Region stellen.

Fulda-Radweg - am Rotenburger Wehr

Fachwerkhäuser am Rotenburger Wehr

Ein bisschen anders als in Bad Hersfeld hört sich der Rotenburger (7) Dialekt an. Die Stadtmauer führt fast ganz um das Städtchen. Im Hexenturm waren einst drei „Hexen“ eingesperrt, eine davon ließ man elend verhungern. Viel Fachwerk ist erhalten. Eine Besonderheit in der Bauweise des osthessischen Fachwerks ist der Hessenmann oder wilde Mann: Fachwerk, das aussieht wie ein Mensch mit nach oben gestreckten Armen. Verteilt in den Gassen finden sich überall sehenswerte Bronzefiguren.

Fulda-Radweg - Bronzefigur in Rothenburg an der Fulda

An manchen Bauten sind auch seit dem Mittelalter Schrecksköpfe angebracht, um das Böse abzuwehren. Die Verzierungen an den Hauswänden zeigen den einst weit verbreiteten Aberglauben. Geschichten dazu gibt es reichlich, weiß Stadführerin Kerstin Schulz: „Einst rannte der Fleischermeister durch die Stadt, weil er glaubte, der Teufel sei hinter ihm her. Einer fragte ihn nach der Beschreibung und er antwortete, dass er glutrote Augen habe und Dampf spucke. Das war 1848 und es handelte sich um die erste Eisenbahn am Ort!“

Fulda-Radweg - Schreckskopf in Rotenburg an der Fulda

Schreckskopf

Einzigartig ist die Velo-Seilfähre (8), die zwischen Malsfeld-Beiseförth und Morschen-Binsförth Rad und Mensch befördert. Durch Handkurbeln wird sie mit Muskelkraft betrieben. An einem 50 Meter langen Stahlseil schwebt man über den Fluss. Hier an der großen Fuldaschleife ändert die Fulda ihre Fließrichtung um 180 Grad.

Fulda-Radweg - Velo-Seilfähre zwischen Malsfeld-Beiseförth und Morschen-Binsförth

Velo-Seilfähre

Fachwerkstadt

In Melsungen (9) wölbt sich die Bartenwetzerbrücke von 1596 über die Fulda, an deren Ende eine Bartenwetzerskulptur steht. Die Einwohner Melsungens werden heute noch Bartenwetzer genannt: Bart bedeutet Axt und diese schärften die Waldarbeiter einst, bevor sie zum Holz schlagen in den Wald zogen, am Sandstein der Brücke. Die Mulden und Einkerbungen sind noch deutlich zu erkennen. Mit dem Bartenwetzer kann man einen Rundgang durch die historische Altstadt machen und einen Bartenwetzer kann man auch um 12 und um 18 Uhr auf dem Turm des wundervollen Fachwerkbaus des Rathauses erkennen.

Fulda-Radweg - Bronzestatue eines Bartenwetzers auf der Bartenwetzerbrücke in Melsungen

Bronzestatue eines Bartenwetzers auf der Bartenwetzerbrücke

Die ganze Stadt strotzt vor Fachwerk mit über 400 renovierten Häusern. „Hier kreuzten sich drei große Handelswege“, erzählt der Stadtführer, Peter Reinhardt, „und es gibt drei Baustile zu sehen: Ständerbau, Rahmenbau und Geschossbau“. Schuppungen und Verzierungen an der Seite der Häuser, sollten gegen Blitzeinschlag helfen, eingeschnitzte Seile symbolisieren Einheit. Eine Figur am Hauseck sagte den Händlern: Hier könnt ihr verkaufen, es gilt das Stapelrecht.

Fulda-Radweg - Rathaus in Melsungen

Rathaus in Melsungen

„Im Marstall standen früher Pferde drin, heuer wiehert hier der Amtsschimmel“, erzählt Herr Reinhardt, der mit Witz und Anekdoten durch Melsungen führt. Oder: „Früher war das unser Schloss, heute ist es eine moderne Raubritterstätte, das Finanzamt.“

Kassels Orangerie (10) in der Karlsaue liegt direkt neben dem Fulda-Radweg. Wohl jeder zieht hier die Bremsen und macht ein Päuschen im Café. Der Königsplatz, die Neue Galerie, die neue Grimmwelt, das Museum für Sepulkralkultur und das Friedericianum mit dem Friedrichsplatz sind nicht weit entfernt. Schleckermäuler zieht es ins über 100 Jahre alte Tradistionscafé Nenninger mit Hand gemachten klassischen Torten, beispielsweise der Grimm-Torte aus Marzipan, Schokolade, Mandeln und Pistazien oder auf eine nordhessische Wurstplatte mit Ahle Wust und Speckkuchen, eine Kasseler Spezialität.

Fulda-Radweg - Die Fulda zwischen Melsungen und Kassel

Die Fulda zwischen Melsungen und Kassel

Drei-Flüsse-Stadt

Das Beste zum Schluss: Hinter Kassel bis Hann. Münden folgt ein sehr schönes Stück Fulda-Radweg, nah am Wasser oder durch einen schattigen Wald verlaufend und glatt asphaltiert. Kleine Sommer- und Gartenhäuschen stehen direkt am Wasser. Ein Idyll. Ansonsten sind die Beläge der Route abwechslungsreich, mal Pflaster, mal Split, Asphalt oder erdige Forstwege.

Durch die Fachwerk geschmückte Drei-Flüsse-Stadt Hann. Münden mit ihrem mittelalterlichen Stadtkern nähert man sich dem Ende der Fulda, die sich hier mit der Werra vereinigt. „Wo Werra sich und Fulda küssen - Sie ihren Namen büßen müssen“, steht auf dem Weserstein, und von nun an fließt die Weser. Am Flusskuss ist Schluss. Doch wer weiter will, hat von hier aus mannigfaltige Möglichkeiten entlang von Weser, Werra und auf Bahntrassen zu radeln.

 

 

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