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Delmenhorst – das Stadtmuseum

Von der Früh- und Vorgeschichte bis in die 1950er Jahre spannt sich der Bogen der Geschichte, die im Stadtmuseum Kapitel für Kapitel aufgeblättert wird – und das auf recht engem Raum und mit durchaus gekonnter szenischer Dramaturgie. Dabei sind wenige „Leitexponate“ zu sehen, die die informativen Saaltexte begleiten.

Ansprechende Ausstellungsinszenierung im Stadtmuseum Delmenhorst

Ansprechende Ausstellungsinszenierung im Stadtmuseum

Seit der Mittelsteinzeit, so erfährt der Besucher siedelten im Gebiet der späteren Stadt Menschen. Dass man eine Speerspitze und ein Steinbeil aus Feuerstein zu sehen bekommt, ist daher recht naheliegend.

Ein Aufstand der Bauern
Eines der aufgeblätterten Geschichtskapitel handelt vom berühmten Aufstand der Stedinger im 13. Jahrhundert. Die Stedinger Bauern weigerten sich standhaft ihrer Zehntpflicht nachzukommen, sodass sich der damalige Bremer Erzbischof genötigt sah, zu einem Kreuzzug gegen diese unbotmäßigen Bauern aufzurufen. In der Schlacht bei Altenesch wurden die Bauern am 27. Mai 1234 durch das Heer der Grafen von Oldenburg und weiterer Adliger vernichtend geschlagen. Nutznießer war vor allem Graf Otto I. von Oldenburg, der seine Herrschaft auf große Teile Stedingens ausdehnen konnte. Im Epos „Die Stedinger“ (1860) hat der „Marschendichter“ Hermann Allmers den historischen Stoff verarbeitet und den aufmüpfigen Bauern ein Denkmal gesetzt.

Die Nazis vereinahmten diesen Teil deutscher Geschichte und errichteten auf dem Bookholzberg die NS-Freilichtbühne „Stedingsehre“. Auf dieser Bühne wurde 1935 das plattdeutsche Theaterstück „De Stedinge“ aufgeführt. Dank der Ausschnitte aus der UFA-Wochenschau kann man als Besucher dem Ereignis beiwohnen.

Keramiken aus dem Mittelalter

Keramiken aus dem Mittelalter

Spuren aus dem Mittelalter
Zu sehen ist unter anderem ein mittelalterlicher Lederschuh, der wohl von einem Schuster aus dem Umfeld der Burg Delmenhorst stammt und auf das 13. Jahrhundert zu datieren ist. Getragen worden ist er sicherlich von einem Mitglied der städtischen Mittelschicht oder einem Mitglied der Burggesellschaft. Zu nennen ist zudem der Bronzestempel und Siegelabdruck des Reitersiegels. Eine Münze aus der Zeit Konrad II. von Oldenburg (14.Jh.) ist ein weiteres sehenswertes Exponat: Die Münze zeigt einen sitzenden Bischof mit segnender Geste. Ausgestellt ist zudem ein gotischer Ringkragen mit Kettenhemd (15. Jahrhundert), Teil einer mittelalterlichen Ritterrüstung.

Schloss und Stadt Delmenhorst im 17. und 18.Jahrhundert.
Auch mit der Geschichte der Burg Delmenhorst befasst sich die Ausstellung. Graf Otto I. ließ die Burg Delmenhorst im 13. Jahrhundert errichten. 1371 erhielt Delmenhorst, aus der Burg und den Fachwerkhäusern an der Langen Straße bestehend, das Stadtprivileg. 1482 wurde die Burg nach langer Belagerung durch Truppen aus Hamburg, Lübeck, Bremen und Münster eingenommen. Damit wurde die Münstersche Herrschaft besiegelt.

Im Jahre 1710 beschrieb ein durchreisende Frankfurter Ratsherr das Schloss mit folgenden Worten: „Das Schloss aber, ..., ist fast ganz verfallen, hat keine Fenster und wird nur ein Stück von dem dortigen Commandanten bewohnt.“ 1787 wurde auch das letzte erhaltene Teilstück der Burg, der sogenannte Blaue Turm, abgetragen und seine Steine teilweise beim Neubau der Stadtkirche verwendet. Was von dem einst prächtigen Schloss blieb, sind unter anderem eine weibliche Fassadenplastik aus Sandstein – vermutlich ein Teil der Hoffassade - und eine Wendeltreppenstufe, die zu einem datierten Grabstein umfunktioniert wurde. Außerdem ist  Sandsteinrelief aus Obernkirchener Sandstein mit einer weiblichen Symbolfigur und der Inschrift „Einfachheit, Wahrheit, Sprache“ ausgestellt.

Es wurde gefeiert
Alltag und Feste im Delmenhorst des 16. und 17.Jahrhunderts werden als weitere Themen behandelt. Zu diesen Festen gehörte auch die Hochzeitsfeier von Graf Johann VII. mit Elisabeth von Schwarzburg-Sondershausen. Sie fand 1576 statt. Unter der Gästeschar waren der Erzbischof von Bremen mit 161 Pferden und Herzog Franz zu Sachsen, Engern und Westfalen mit 150 Pferden. Auch Herzog Wulf zu Braunschweig und Lüneburg gab sich die Ehre.
Zu diesem Anlass wurde der bereits unter Anton I. begonnene Burgumbau fortgesetzt. Aus der Burg wurde das Schloss Delmenhorst, zu dem auch ein Lusthaus und -garten gehörten.

Linoleum made in DelmenhorstModerne Zeiten in Delmenhorst
1905 ist das Jahr, in dem Peter Behrens' Pavillon auf der Oldenburger Ausstellung für Furore sorgten. In einer Rekonstruktion können sich Besucher des Stadtmuseums einen Eindruck von diesem Gesamtkunstwerk verschaffen. Der Hamburger Kunsthallendirektor Alfred Lichtwark schrieb 1905: „Diese Linoleumausstellung ist schlechthin vollkommen. Ich weiß nicht, daß ich etwas so Einfaches und ausgesucht Zweckentsprechendes von solcher Schönheit je gesehen habe ...“.

Delmenhorst, Industriestadt
Neben der Beschäftigung mit dem Anker-Linoleumwerk kommen auch die anderen Industriezweige der Stadt, darunter die Jute-Fabrik, nicht zu kurz. 1996 kam das endgültige Aus dieser Delmenhorster Institution. Zu erfahren ist obendrein – hierzu wurde der Arbeitsplatz eines Zigarrenmachers inszeniert –, dass sich in Delmenhorst 1844 die ersten Zigarrenmacher niedergelassen hatten.

Ein Delmenhorster Malerpoet
In einem weiteren Ausstellungsbereich widmet man sich dem aus Delmenhorst stammenden Malerpoeten Artur Fitger, der mit großen Aufträgen für das Bremer Haus der Seefahrt, den Bremer Dom und die Villa Lahusen in Bremen beauftragt wurde. Von ihm stammen außerdem Wandgemälde im Oldenburger Schloss. Im Stadtmuseum wird unter anderem Fitgers „Schäferidyll“ (1887) gezeigt.

Mode im III.Reich – ein Kleid der ADEFA, der Deutsch-Arischen Fabrikanten der BekleidungsindustrieBraune Zeiten in Delmenhorst
Delmenhorst hatte einen NS-Oberbürgermeister und einen Hitlerplatz, auf dem Gauleiter Carl Röver zu den Massen sprach. Garnisonsstadt wurde Delmenhorst im III. Reich zudem. Die Arisierung hinterließ Spuren und auch die hiesige Synagoge ging in Flammen auf. An diese Zeit erinnert unter anderem eine Mesusa, ein hölzerner Behälter mit Thoratexten, der am rechten Türpfosten eines Hauses oder einer Wohnung angebracht wurde.

Foto: Mode im III.Reich – ein Kleid der ADEFA, der Deutsch-Arischen Fabrikanten der Bekleidungsindustrie

Die erste Synagoge hatte man 1838 gebaut, einen neuen Tempel 1928. 1935 hing über der Oldenburger Straße das Spruchband „Juden betreten die Stadt auf eigene Gefahr“. Drei Jahre später wurden jüdische Einrichtungen geplündert und zerstört sowie Juden ins KZ Sachsenhausen deportiert. Das Hakenkreuz flatterte nicht nur in den Straßen, sondern man trug es auch am Revers.

Krieg und Vertreibung
An die Zeit der Vertreibung erinnert der ausgestellte „Vetriebenen-Handwagen“ mit verschiedenen Koffern, Leinbeuteln, Rucksäcken mit Wehrmachtsgeschirr und der NS-Heeresverpflegungssack mit Hakenkreuz und Adler. Durch Fotodokumente bekommt der Besucher einen Eindruck des Lebens von Vertriebenen im Barackenlager. Suchanzeigen am Bretterzaun bezeugen Schicksale, auch des Lehrers Max Zimmermann.

Wie erfinderisch die Menschen in den Kriegs- und Nachkriegsjahren sein mussten, zeigt eine Wärmflasche, die 1946 aus einer Kartusche gefertigt wurde, oder Kochutensilien aus Flugzeugbauteilen.

Gildemann und Co. - Delmenhorst als Stadt der Tabakdreher

Gildemann und Co. - Delmenhorst als Stadt der Tabakdreher

Neue Bürger für Delmenhorst
Wiederaufbau und Wirtschaftswunder sind Themen, denen man beim Rundgang auch begegnet. Das Problem der Flüchtlinge war in Delmenhorst sehr drängend, nachdem das Massenlager bei der DLW aufgelöst wurde. Ein neuer, moderner Stadtteil in Düsterort sollte die Neubürger aufnehmen. 16000 Menschen, die in Delmenhorst fremd waren, mussten integriert werden. Eine solche Aufgabe der Integration stellte sich der Stadt nochmals in den späten 1960er Jahren, als zunächst spanische, dann türkische Arbeiter, die angeworben wurden, nach Delmenhorst kamen. Unter diesen neuen Delmenhorstern war auch Carmen Oiz Muedra aus Guadelupe, die bei der Nordwolle arbeitete. Wie sie die Ankunft und die Zeit in Deutschland sieht, kann der Besucher einem Interview mit ihr entnehmen.

Stadtentwicklung – nur wohin?
Auch der Stadtentwicklung wird im Museum Platz eingeräumt. Dazu gehört unter anderem das Planungsmodell Delmenhorst 1972 mit der Neugestaltung des Marktplatzbereichs und dem Kulturhaus auf der Burginsel. Zudem sind die Ideen des Stadtplanungsamtes für Delmenhorst 2000 zu sehen. Zeitgemäße Architektur für Delmenhorst – das war eine auf der Agenda stehende Frage. Vielleicht ist die Computerzeichnung des Hanse-Wissenschaftskollegs eine Antwort zum Thema.

Zu den Ideen für eine Stadt von morgen gehört auch das 1972 entstandene Kleinmodell der Wolleparkbebauung. Diese wurde dann auch von der Neuen Heimat Bremen realisiert. Das neue Delmenhorst spiegelt sich außerdem im City Center und im ZOB am Bahnhof (1996) wider, ganz abgesehen von der Revitalisierung des Nordwolle-Areals. Doch die Stadtväter der im Zweiten Weltkrieg kaum zerstörte Stadt haben auch Sünden begangen, so 1963 den Abriss des historischen Fitger-Hauses am Markt.

Wie sich die Stadt verändert hat, wird am Verschwinden der Kioske ersichtlich. Einer zumindest konnte gerettet werden und steht nun im Museum. Auch anderes konnte für die Nachwelt gerettet werden, so als Beispiele eines Designs aus der Zeit um 1928 die Tür mit Glaseinsatz, die Uhr und die Dienstzimmerleuchte aus dem Städtischen Krankenhaus.

 

Weitere Informationen

Stadtmuseum Delmenhorst
Am Turbinenhaus 10
27749 Delmenhorst
http://www.delmenhorst.de/kultur-bildung/museum/index.php


 

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