Film ab in Potsdam!

Text und Fotos: Dagmar Krappe

Die brandenburgische Hauptstadt vor den Toren Berlins ist Filmstadt mit Tradition. Zu Fuß, per Rad oder mit dem Videobus kann man in die 100-jährige Filmgeschichte eintauchen.

Potsdam - Kulturhaus - Kulisse für den Film Feuerzangenbowle

Ehemaliges Babelsberger Rathaus, heute Kulturhaus

Oberprimaner Johann Pfeiffer mit drei „f“ hat mal wieder einen Streich ausgeheckt und Professor Crey den Wecker verstellt. Dieser bemerkt es erst, als er einen Blick zur nahen Turmuhr wirft. Viel zu spät erscheint er zum Chemieunterricht, dem just an diesem Tag der Oberschulrat beiwohnt. Wer jetzt statt auf den Bildschirm im Bus aus dem Fenster schaut, entdeckt, die Zeiger der Uhr des einstigen Babelsberger Rathauses in der Karl-Liebknecht-Straße in Potsdam drehen sich immer noch. „Heute ist das Gebäude Kulturhaus“, informiert Arne Krasting von Zeitreisen: „Im Frühjahr 1943 diente der Turm als Kulisse für den Film „Die Feuerzangenbowle“, in dem Heinz Rühmann den Schüler Pfeiffer mimt. Der überwiegende Teil des Streifens entstand in den Filmstudios im Stadtteil Babelsberg.“ 1912 lernten dort die Bilder laufen. In über 100 Jahren entstanden mehr als 3.000 Produktionen. Im Filmmuseum in Potsdams historischer Mitte kann man die Entwicklung des Films in sieben Themenräumen von der Ideenschmiede bis zur Uraufführung nachvollziehen. Unterteilt in die drei großen Gesellschaften Ufa, DEFA, Studio Babelsberg. Das Revolutionärste, was dem Film Ende der 1920er Jahre passierte, war der Ton. In „Melodie des Herzens“ sprach Willy Fritsch den ersten Satz: „Ich spare nämlich auf ein Pferd.“

Mit dem Videobus auf Filmentdeckungstour durch Potsdam

Mit dem Videobus auf Filmentdeckungstour durch Potsdam

Arne Krasting ist einer der beiden Geschäftsführer von Zeitreisen in Berlin. Schon während seines Geschichtsstudiums gründete er 2001 die Firma zusammen mit seinem Kommilitonen Marcel Piethe. Zunächst boten sie historische Stadtrundgänge durch die Hauptstadt an. Einige Jahre später entwickelten sie ihr Konzept, während einer Busrundfahrt durch eine Stadt an bedeutungsvollen Stätten oder Drehorten kurze Originalfilmausschnitte zu zeigen. „So haben Besucher den direkten Vergleich, wie es früher dort aussah oder welche Bauten in einem Film als Kulisse dienten.“ Eine Tour dauert rund zweieinhalb Stunden. An besonders markanten Plätzen kann man auch für ein paar Minuten aussteigen. Am Alten Markt ist dies der Fall. Er ist eingerahmt von der klassizistischen Nikolaikirche, dem Brandenburgischen Landtag, der äußerlich eine teilweise Rekonstruktion des ehemaligen Stadtschlosses ist, und der Fachhochschule. Sie wurde zur DDR-Zeit errichtet und wartet seit Jahren auf Sanierung oder Abrissbirne.

Potsdam - Historische-Mitte Fachhochschule, Nikolaikirche und Landtag, Drehort für den Film DIE WELLE

Fachhochschule, Nikolaikirche und Landtag, Drehort für den Film "Die Welle"

Alle drei Gebäude sind in einem Ausschnitt des Films „Die Welle“ von 2008 wieder zu finden. Die Nikolaikirche war damals von einem Renovierungsgerüst umgeben, auf dem waghalsige Szenen entstanden, um auf der Verhüllung das Wellen-Logo zu verewigen. Hier lässt Arne Krasting auch eine historische Karte einblenden, um zu zeigen, welche Bauwerke nach dem Zweiten Weltkrieg noch standen. Es sind nicht viele: die Nikolaikirche und der barocke Marstall, der seit 1981 das Filmmuseum beherbergt.

Potsdam - Filmmuseum, seit 1981 im Marstall

Filmmuseum, seit 1981 im Marstall

Da Potsdam mit sehr unterschiedlicher Architektur aufwarten kann, ist es auch als internationale Filmkulisse einsetzbar. So finden sich Schweizer Häuser in Klein Glienicke oder die russische Kolonie Alexandrowka im Norden der Stadt. Die Orangerie von Schloss Sanssouci repräsentierte im Werk „In 80 Tagen um die Welt“ Konstantinopel. Der Bus rollt an der Rückseite des Schlosses vorbei. Auf dem Display schreitet Otto Gebühr als Friedrich der Große (Friedrich II.) am Anwesen entlang. Sein riesiger Schatten huscht über die Wand. Der Monumentarfilm „Der große König“ wurde 1940 von Joseph Goebbels in Auftrag gegeben.

Potsdam - Neues Palais (1769) im Garten von Sanssouci

Neues Palais (1769) im Garten von Schloss Sanssouci

Mitten im Potsdamer Zentrum gibt es ein holländisches Viertel. Drehort für den Kinderfilm „Hexe Lilli“ oder die fünfte Staffel der US-Fernsehserie „Homeland“, die überwiegend in Berlin spielte. Für ein paar Szenen Amsterdam standen die roten Giebelhäuser praktisch vor der Haustür. Autos bekamen gelbe Nummernschilder, Straßen- und Verkehrsschilder holländische Beschriftungen. „Friedrich Wilhelm I. hatte eine Vorliebe fürs Nachbarland“, erzählt Krasting: „Ab 1733 ließ er das sumpfige Gebiet von einem niederländischen Architekten entwässern und 134 Ziegelhäuser erbauen.“

Potsdam - Holländisches Viertel, Drehort für die Serien HOMELAND und HEXE LILLI

Häuser im holländischen Viertel

Um alte und neue Filmschauplätze in Potsdam zu erkunden, kann man auch geführte Rundgänge buchen oder sportlich in die Pedalen treten. Gästeführer Robert Freimark steht mit seinem Drahtesel im Theaterquartier Schiffbauergasse am Tiefen See. Am gegenüber liegenden Ufer schimmert der hellgelbe Sand des Strandbads Babelsberg. Anfang der 1970er Jahre war es Bühne für den DDR-Kultfilm „Die Legende von Paul und Paula“ mit Angelica Domröse als alleinstehende Mutter und Winfried Glatzeder als unglücklicher Ehemann. „Nachdem die beiden Hauptdarsteller Anfang der 1980er Jahre in den Westen ausgereist waren, wurde der Film im Osten nicht mehr gezeigt“, sagt Freimark: „Erst nach der Wende kam er dort wieder in die Kinos.“

Potsdam - Filmmuseum: DDR-Kultfim Die Legende von Paul und Paula

Filmmuseum: DDR-Kultfim "Die Legende von Paul und Paula"

Nächster Stopp Glienicker Brücke. Sie verbindet das einstige West-Berlin mit Potsdam und diente während des Kalten Krieges mehrere Male zum Austausch von politischen Gefangenen zwischen westlichen Staaten und dem Ostblock. Die erste dieser Austauschaktionen bildet die Grundlage für den 2014 von Steven Spielberg gedrehten Film „Bridge of Spies – Der Unterhändler“. Robert Freimark zieht ein Foto aus der Umhängetasche. Es zeigt Angela Merkel zwischen Regisseur Steven Spielberg und Hauptdarsteller Tom Hanks. „Die Bundeskanzlerin besuchte das Filmteam an einem Drehtag“, berichtet der Gästeführer: „Zwischen Mai und Oktober 1944, als Berlin schon viele schwere Luftangriffe erlebt hatte, entstand an gleicher Stelle noch der Schwarzweiß-Film „Unter den Brücken“. Regie führte Helmut Käutner. Gustav Knuth und Carl Raddatz, zwei Binnenschiffer, retten einer Frau (Hannelore Schroth), die sich in die Havel stürzen will, das Leben und verlieben sich beide in sie.“

Potsdam - Glienicker Brücke - Drehort für den Film Bridge of Spies von Steven Spielberg

Glienicker Brücke - Drehort für den Film "Bridge of Spies - Der Unterhändler"

Überquert man die Brücke, trifft man rechts am Ufer auf das Jagdschloss Glienicke im Stadtteil Berlin-Wannsee. Es ist heute ein pädagogisches Fortbildungsinstitut. 1958 diente es als Pensionat für die Neuverfilmung von „Mädchen in Uniform“. „Romy Schneider verkörpert darin eine Internatsschülerin, die für eine junge Lehrerin (Lilli Palmer) starke Gefühle entwickelt“, so Freimark: „1931 drehte die österreichische Regisseurin Leontine Sagan den ersten Film, dessen Handlung 1910 in Potsdam spielt. „Damals war das „Große Militärwaisenhaus“ an der Breiten Straße Drehort. Dieses Domizil wieder zu nutzen, war nach dem Krieg für eine westdeutsche Produktionsfirma nicht möglich.“

Jagdschloss Glienicke - Internat im Film Mädchen in Uniform von 1958

Jagdschloss Glienicke: Internat im Film "Mädchen in Uniform" von 1958

Die Radtour geht weiter durch die Villenkolonie Neu-Babelsberg. Ende des 19. Jahrhunderts errichtete man hier die ersten Sommerresidenzen für wohlhabende Berliner. Später ließen sich auch die großen Ufa-Leinwandstars wie Marika Rökk, Lilian Harvey, Brigitte Horney, Willy Fritsch nieder. Andere wie Heinz Rühmann, Marlene Dietrich, Zarah Leander oder Hans Albers bewohnten während der Dreharbeiten Gästehäuser.

Egal ob zu Fuß, per Rad oder Videobus, die spannenden und unterhaltsame Touren führen kreuz und quer durch 100 Jahre Potsdamer Filmgeschichte.

Potsdam - Filmpark Babelsberg

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