„Top, der Handel gilt!“

500 Jahre Wedeler Ochsenmarkt

Text: Axel Pinck
Fotos: Peter Frischmuth (Agentur argus, Hamburg)

„Sechshundert!“, „Zuviel, das hab’ ich nicht mit. Fünfhundert!“, „Davon kann ich nicht leben. Fünffünzig!“, „Top, der Handel gilt!“ Ralf Hinck aus Hatzte und Jan-Erich Sibberns aus Himmelpforten in Niedersachsen schlagen ein. Eins von mehreren Dutzend Rindern auf dem traditionellen Ochsenmarkt von Wedel wechselt den Besitzer.

Deutschland - Ochsenmarkt Wedel

Jan-Erich Sibberns ist zufrieden: „Ich komme schon immer hierher“ erklärt der stämmige Viehhändler, leicht an seinem weißen Kittel und dem kräftigen Holzstock als Vertreter seiner Zunft auszumachen, „und das wird auch so bleiben, solange ich im Geschäft bin.“

Unter dem wachsamen Blick des Wedeler Rolands, einer 1588 aus Sandstein gehauenen Figur mit Rüstung, Schwert und kaiserlichem Reichapfel, geht es noch heute so zu wie ehedem, auch nachdem der Ochsenmarkt auf den Festplatz an den Rand des Elbestädtchens verlegt wurde. Nach altem Marktgebrauch und einer Marktordnung von 1604 wird der Verkauf noch immer mit Handschlag besiegelt, egal, wie lange und heftig um den Preis der Rinder gefeilscht wurde.

Deutschland - Ochselnmarkt in Wedel

Seit über 500 Jahren strömen am dritten Mittwoch im April in aller Herrgottsfrühe Viehhändler, Bauern, Schaulustige und vor allem Hunderte von Rindern und Pferden zum traditionellen Wedeler Ochsenmarkt in die Stadt am Nordufer der Elbe. Wedel, heute nicht weit vom westlichen Stadtrands Hamburgs, liegt am Ende des historischen Heer- und Ochsenweges. Der führt vom jütländischen Viborg ganz im dänischen Norden immer auf dem leicht erhöhten Geestrücken nach Süden. Bei Flensburg gab es einst eine Sammelstelle des „Ossenpadd“, von dort ging es weiter nach Rendsburg und Bramstedt, an Hamburg vorbei bis zum früher dänischen Hafen Wedel. Auf dem Ochsenweg kamen Mensch und Tier trockenen Fußes am Besten voran und konnten die feuchten Marschgebiete nahe den Küsten weitgehend vermeiden. Eine zweite Ochsentrift erreichte Wedel von den Bauern der Westküste, die den beschwerlichen Weg  über Tondern, Husum und Dithmarschen nehmen mussten. Ein Brief aus dem Wedeler Stadtarchive belegt: Schon 1613 pochte Graf Ernst von Schauenburg beim dänischen König Christian IV. auf seine Rechte bei der „Umtrift der Ochsen“ und beruft sich auf ein Abkommen seines Vorfahren aus dem Jahre 1460 mit dem Dänenkönig Christian I. Für das dänische Königreich war Wedel ein Hauptumschlagplatz für Ochsen, die hier an Händler aus Niedersachsen, dem Münsterland oder vom Rhein verkauft wurden. Zu seinen unübertroffenen Glanzzeiten im 17. Jahrhundert wechselten hier bis zu 30.000 Tiere den Besitzer.

Deutschland - Ochselnmarkt in Wedel

Natürlich kommen die Tiere heute nicht mehr „zu Fuß“ auf dem langen Ochsenweg, sondern sind per Tieflader und Viehtransporter unterwegs. Hinter modernen Weidegattern warten sie auf die fachkundigen Blicke der Händler und Käufer. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, da kommen schon die ersten Transporter. Ein Zuchtbetrieb aus Rendsburg bringt Turnierpferde, ein anderer winzige Ponys, knapp einen Meter groß. Ein Viehtransporter kommt aus Stade, ein anderer aus Plön in Ostholstein. Die Ausstiegsklappe wird herunter gelassen, Seitengatter aufgestellt, und schon kommen die Tiere widerwillig heruntergestolpert, direkt in die vorbereiteten modernen Metallverschläge. „Früher gab es einfache Holzgatter. Da konnte ein Ochse schon mal ’ausbüxen’, wenn er kräftig dagegen drückte“ erinnert sich Hans-Dietrich Möller, der im nicht weit entfernten Horst Rinder züchtet. „Ich bin zwar eigentlich Rentner, aber die Landwirtschaft ist mein Hobby“ erzählt er mit verschmitztem Gesicht und begrüßt einen alten Bekannten, den er beim Ochsenmarkt vor einem Jahr zuletzt gesehen hat.

Deutschland - Ochselnmarkt in Wedel

Langsam füllt sich der Platz, der leichte Nieselregen hat sich verzogen. Die Sonne schaut hinter den Wolken hervor. Händler, Bauern und andere Frühaufsteher treffen sich um 7 Uhr im beheizten Festzelt zum zünftigen Wedeler Frühstück mit belegten Broten, Kaffee und Musik. Bauer Möller: „Bier gibt’s erst später, wenn die Tiere verkauft sind.“ Einige Wedeler Bürger sind mit dabei. „Ich lebe schon seit 40 Jahren in Wedel. Immer schon wollte ich mir den Ochsenmarkt ansehen. Heute habe ich es geschafft“ erzählt eine Seniorin mit ihrem Mann im Schlepptau. Da kommt auch schon die vierte Klasse der nahe gelegenen Grundschule mit zwei Lehrerinnen. „Weißt Du, womit der Handel abgeschlossen wird?“ fragt die 10-jährige Emilia nach einem Blick in ihr Aufgabenheft einen Viehhändler. „Na. Mit einem Handschlag“ lacht der zurück.
Inzwischen ist auch die Stadtpräsidentin und der Bürgermeister eingetroffen. Sie begrüßen die Viehhändler nach alter Tradition mit einem Gläschen Wedeler Korn. Ein Ochse dreht schon am Spieß und gleich wird das Fass Freibier für Händler und Bauern angestochen. Ab 10 Uhr nimmt dann der fünftägige Wedeler Frühjahrsmarkt, ein Volksfest mit Karussells, Buden und allem drum und dran seinen Lauf.

 

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