Dominica im Überblick

Es landen keine Massen auf dem „Nature Island“ der Karibik! Individualisten zieht es dorthin, Naturkundige zuallererst, Ornithologen zum Beispiel und Botaniker und dann und wann einen Vulkanologen, häufiger schon geübte Wanderer, Taucher und „Whale Watcher“. Mit ihrem forschen Leitspruch „Widersetze Dich dem Alltäglichen“ ermuntert Dominicas Tourismusbranche die nicht sehr zahlreichen Erstbesucher, dem Außergewöhnlichen dieser gebirgigsten Vulkaninsel unter den Kleinen Antillen nachzuspüren.

Hilfestellung dabei leistet die auf Schritt und Tritt wahrnehmbare vulkanische Natur der Insel mit ihren heißen Quellen etwa, über denen Dampfschwaden wabern, brodelnden Schlammlöchern, beißenden Schwefelausströmungen, schwarzsandigen Stränden und rostroten Böden von unglaublicher Fruchtbarkeit. Das insulare Ökosystem erscheint intakt, der dampfende Regenwald voller rätselhafter Stimmen und aromatischer Düfte wie unberührt.

Dominica

Dominica vibriert von ungebrochener karibischer Lebensfreude, auch wenn die meisten ihrer freundlichen und überaus hilfsbereiten Bewohner arm sind, oft  Naturkatastrophen die Insel heimsuchen und in ihrer Entwicklung zurückwerfen. Vom Wohlstand der populären Badeinseln ringsum können die Dominicaner nur träumen. Auf der Habenseite bleibt ihnen die großartige, ursprüngliche Natur, deren Bewahrung erklärtes Ziel der Inselregierung ist. Mit der Einrichtung und fachkundigen Betreuung weitläufiger Schutzgebiete hat sie die Weichen für nachhaltige Ressourcenwirtschaft und Ökotourismus gestellt.
Der beste Weg, die Vielfalt Dominicas zu entdecken, ist zu Fuß zu gehen. Alle, die je auf der Insel unterwegs waren, teilen diese Auffassung wie schon 1948 der englische Novellist Alec Waugh in „The Sunlit Caribbean“: „Es gibt für Dich nur einen Weg, Dominica zu verstehen: Du musst es erwandern, kreuz und quer!“
Machen wir uns auf den Weg!

Der „schlafende“ Vulkan Morne aux Diables formt die nördliche Spitze Dominicas, wo er mit seien Steilhängen eine über 300 m hohe Kliffküste bildet. Ein ganz passabler Wanderweg führt von der Westküste (Tanetane) zum Gipfel in 861 m Höhe und auf der anderen Seite hinunter an die Ostküste nach Vieille Case. Der „Berg der Teufel“ zählt zu den acht, wie Vulkanologen sagen, „potentiell aktiven“ dominicanischen Vulkanen. Es ist eine der größten Konzentrationen „schlafender“ Vulkane weltweit. Wohl sind aus historischer Zeit keine Ausbrüche bekannt, doch dass im Untergrund gewaltige Kräfte rumoren, zeigen die Serien von schwachen Erdbeben unter dem Vulkan, zuletzt 2002 und 2003, oder die heißen Quellen an seinem Fuß und brodelnde Tümpel, die strengen Schwefelwasserstoffgeruch absondern, im nordwestlichen Krater. In einem der größeren Krater beeindruckt ein 90 m hoher und 335 m breiter Lavadom – erstarrte Lava, die wie ein Pfropf auf dem Vulkanschlot aufsitzt und ihn verschließt. Zwei große Lavadome haben sogar vor der Südwestflanke des Vulkans eine Halbinsel geformt, die sich als Cabrits National Park einen Namen gemacht hat. Ein „Marine Reserve“ gehört dazu mit Korallenriffen und markierten Unterwasserpfaden für Schnorchler und Taucher und an Land Fort Shirley, eine historische Verteidigungsanlage, sowie der reizvolle Küstenstreifen entlang der Prince Rupert Bay und Dominicas größtes Sumpfgelände, wo man im Frühjahr Scharen von Silberreihern begegnen kann. Hier im Westen, im äußerst wirksamen Regenschatten des Morne Diablotin, haben sich Dornbuschformationen und Sekundärsavannen  herausgebildet, wo der Orgelpfeifenkaktus gedeiht, Agaven, Feigenkakteen und der purpurrot blühende Carib Wood, Dominicas Nationalpflanze.

Fort Shirley spielte in den Kämpfen zwischen Engländern und Franzosen um die Vormacht in der östlichen Karibik eine bedeutende Rolle. An der Anlage wurde zwischen 1770 und 1815 gebaut, zunächst von den Engländern, dann waren es die Franzosen, als sie 1778-1783 auf der Insel das Sagen hatten. An die 50 Bauten entstanden, neben Kanonenbatterien auch Zisternen und Pulvermagazine, Mannschaftsunterkünfte und Offiziersquartiere und das alles aus dem schwarzen Vulkangestein der Insel. Aus gebranntem Korallenkalk, feinem Sand, Wasser und Melasse (Zuckersirup) mixte man den Mörtel, der die Steine zusammenhielt. Fort Shirley ist eine im klassischen georgianischen Stil errichtete Wehranlage. Sie war das Hauptquartier der britischen Truppen auf Dominica, wurde 1854 aufgegeben und von der Natur zurückerobert. 1982 begann man mit der Restaurierung der Anlage, aber noch viele Ruinen hält das Dickicht fest im Griff. Vergleichbar mit Fort Shirley sind in ihrer einstigen militärischen Bedeutung und architektonischen Gestalt die karibischen Festungen Brimstone Hill auf St. Kitts und Fort Rodney auf St. Lucia.

Dominica

Von der kanonenbestückten Terrasse des Forts bietet sich ein prächtiger Blick über die Prince Rupert Bay hinweg auf den oft hinter Wolken verborgenen Morne Diablotin. Er ist mit 1.447 m Dominicas höchster Vulkanberg. Wer ihn besteigen will, sollte mit unwegsamem Gelände vertraut sein und die Tour keinesfalls ohne kundigen Führer unternehmen, der den auf nur wenigen Kilometern sich vollziehenden Übergang vom Trockenklima der Westküste über einige Zwischenstufen in eine der niederschlagsreichsten Klimazonen unseres Planeten zu kommentieren weiß und sich auch mit Pflanzen und Tieren auskennt. Es fängt harmlos an. Über den Syndicate Trail geht es in moderater Steigung die Westhänge des Morne Diablotin hinauf durch alten Bergregenwald, der gut geschützt ist gegen die Hurrikans, die sich in Dominicas Osthälfte austoben. Riesige, mehr als 500 Jahre alte und bis zu 2,50 m „dicke“ Sloanea-Bäume (eine tropische Hartholzkastanie) mit ihren charakteristischen Brettwurzeln und die Gommier-Bäume aus der Familie der Weißgummibaumgewächse, auch sie Giganten des Regenwalds, die ein brennbares Gummiharz absondern, vereinen ihre Kronen zu einem dichten Blätterdach. Man lernt Pfefferbäume kennen und die fiederblättrige, schlanke Kohlpalme, Mahagoni-Bäume und Zedrelen, den Nance-Baum mit seinen süßen, gelben Beerenfrüchten, Fleisch fressende Wasserschlauchgewächse, darunter den wegen der Form seiner Früchte Kuheuterpflanze genannten Vertreter, schließlich endemische Pflanzen wie die gar nicht so übel duftende Stinkende Passionsblume. Je höher man steigt, desto dunstiger wird es, Regenschauer stellen sich ein. Epiphyten (Bromelien, Orchideen, Anthurien), sog. „Aufsitzpflanzen“, die auf anderen Pflanzen gedeihen, ohne ihnen jedoch Wasser oder Nährstoffe zu entziehen, werden zahlreicher, ebenso Moose und Farne, die Bäume büßen an Umfang und Höhe ein. Jenseits der 1.000 m – Grenze beginnt der, wie man hier sagt, „Elfen-Wald“, richtiger ist: Krummholz-Nebelwald, den der ständige Wind auf Wuchshöhen von weniger als 3 m reduziert hat und ganz oben in Gipfelhöhe, wo die Stürme toben und alljährlich an die 10.000 mm Regen auf den Quadratmeter niedergehen, ist das kräftige Gesträuch nur noch knorrig und grotesk verdreht, Lobelien-Flechten-Gesellschaften krallen sich im Boden fest. Das letzte Teilstück ist harte Arbeit und nichts für schwache Nerven. Man muss sich an Luftwurzeln und bemoosten Ästen den matschigen Untergrund hinaufziehen, um zur Belohnung – wenn es denn die Wolken zulassen – ein spektakuläres Inselpanorama genießen zu können. Mindestens fünf miteinander verbundene Lavadome formen den komplexen Gipfel. 22.000 bis 40.000 Jahre sollen vergangen sein, seit zum bisher letzten Mal pyroklastische Ströme den Hang hinunterrasten und Asche und Gesteinsbrocken hinausgeschleudert wurden. Zahllose heiße Quellen erinnern daran, dass der „teuflische Berg“ potentiell aktiv ist. Seinen Namen verdankt er, so wird erzählt, dem Teufelssturmvogel, der einen „unheimlichen, teuflischen“ Ruf ausstößt und früher auf dem Gipfel gebrütet hat.

Beim Aufstieg durchquert man das natürliche Habitat der beiden endemischen Papageienarten Jaco (Blaukopfamazone) und Sisserou (Kaiseramazone). Ihr Überleben zu sichern, war ein Beweggrund, Teile dieser Gebirgsregion unter Schutz zu stellen. Am stärksten gefährdet ist der Sisserou, Dominicas Nationalvogel, ein gut 50 cm großer und bis zu knapp 1 Kilo schwerer farbenprächtiger, scheuer Vogel, der über 70 Jahre alt werden kann und sein ganzes Leben mit dem gleichen Partner in den höher gelegenen Regionen des dominicanischen Regenwalds verbringt.     

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Östlich des Morne Diablotin-Massivs leben die letzten indianischen Nachfahren vom Stamm der Kariben. Das Carib Territory ist seit 1903, als es von den Engländern eingerichtet wurde, Rückzugsort der weltweit größten, annähernd homogenen Kariben-Population. Wie viele Menschen sie umfasst, ist nicht genau bekannt. Kariben-Chief Charles Williams sprach im Mai 2008 von etwa 1.000, andere nennen höhere Zahlen, wobei sie vermutlich im Reservat lebende Nicht-Kariben mitzählen. Ihre Lebensumstände sind mehr als bescheiden. Traditionelle Laubhütten und kleine Holzhütten auf Pfählen dienen als Behausungen. Sie betätigen sich als Fischer und Kleinbauern (Kokospalmen und Bananen) und sind geschickte Vermarkter ihrer handwerklichen Fähigkeiten. Touristen wissen das zu schätzen: man kann den Kariben bei ihren althergebrachten Arbeiten z. B. beim Bau von Einbaumkanus oder beim Verarbeiten von Kräutern zuschauen und unter den angebotenen Schnitzereien und Flechtarbeiten ein einzigartiges Mitbringsel auswählen. Besonders die farblich attraktiven Körbe aus Larouma-Schilfrohr begeistern die Besucher.

Die südliche Inselhälfte wird vom Morne Trois Pitons dominiert. Das über 1.400 m hohe Vulkangebirge liegt im Zentrum des gleichnamigen Nationalparks, Dominicas einziger Weltnaturerbestätte. Ausschlaggebend für die Aufnahme in die UNESCO-Liste 1997 waren zum einen die noch immer andauernden geologischen Prozesse bei der Entwicklung von Geländeformen, zum anderen die Existenz natürlicher Habitats für die Bewahrung der biologischen Vielfalt. Es ist eine wilde, nahezu unberührte Bergkette, dicht bewaldet, von Flussläufen durchzogen, reich an Wasserfällen, Süßwasserseen und geothermischen Phänomenen. Man wird den phantastischen Zweifarben-Kolibri in den höheren Lagen zu Gesicht bekommen, häufig auf den Grauwaldsänger stoßen, die Perlaugen-Spottdrossel sichten, den Rostbauchtyrann, den Gelbbauch-Saftlecker, den Rotschnabel-Tropikvogel und viele andere, die hier brüten oder überwintern. Der Morne Trois Pitons erstreckt sich über nicht weniger als fünf Vegetationszonen. Einer der anspruchsvollsten Pfade des fast 500 km umfassenden dominicanischen Wanderwegenetzes führt zum Gipfel – acht Stunden für Hin- und Rückweg sollte man schon einplanen, natürlich auch den „Tour Guide“ und eine dem anstrengenden Vorhaben angepasste Ausrüstung.

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Zunächst passiert die Wandergesellschaft Sekundär-Regenwald, dann folgt bis in Höhen von etwa 450 m der eigentliche, üppige („mature“) Regenwald. Schon die Vegetationsstufe darüber, der Bergregenwald, zeigt reduzierte Baumhöhen, noch ausgeprägter stellt sich das in der Zone montanen Dickichts dar, wo die Bäume spindeldürr sind und kleine Kronen tragen. Die endemische Podokarp-Konifere und der Carapite-Baum sind hier zu Hause. Oberhalb von 900 – 1.000 m ist das Revier des Elfen- oder Nebelwalds. Es ist kühl und stürmisch, Unmengen Regen gehen nieder. Nur Zwergsträucher, Farne, Moose und das von Flechten überzogene verkrüppelte Gehölz des Kaklin-Baumes können hier überleben.
Am Rande des Nationalparks liegt eingebettet in üppige Regenwaldvegetation der Emerald Pool, ein wie sein Name schon sagt, smaragdgrüner, zum erfrischenden Bad einladender Dschungelteich, in den sich aus etwa acht Metern Höhe ein Wasserfall ergießt. Auch die meisten der anderen 16 großen Wasserfälle liegen im oder am Nationalpark. Besonders beeindruckend sind die Trafalger Falls, wo gleich zwei Ströme aus 38 bzw. 23 m Höhe nebeneinander in die Tiefe stürzen oder der Middleham Fall, der sein Wasser nach 60 m freiem Fall in einen natürlichen Felspool schüttet. Auf dem Weg hierher passiert man Stinking Hole, eine tiefe Höhle, in der die meisten der 12 einheimischen Fledermausarten ihren Unterschlupf haben. Pfade leichten bis mittleren Schwierigkeitsgrads führen zum Freshwater Lake in 762 m Höhe und zum Boeri-See (853 m) inmitten triefenden Regenwalds. Beide haben sich im Krater erloschener Vulkane angesiedelt. Höhepunkt der Exkursionen im Nationalpark ist die Ganztagstour in das Tal der Trostlosigkeit und zum Boiling Lake. Eine gute Kondition sollte man mitbringen, geht es doch häufig steil bergauf und wieder bergab und man muss sich über viel zu hoch geratene Holzbohlenstufen durch den dichten Regen- und Bergregenwald quälen. Dann lichtet sich das Grün, Schwefelgeruch hängt in der Luft, überall brodelt, zischt und dampft es. Nur stark angepasste Pflanzen überleben dieses Inferno aus schwefelgesättigter Luft, schwefelangereicherter und aufgeheizter Erde im Valley of Desolation. Dampf weist den Weg zum Kochenden See. Die Glut unterirdischer Lava bringt ihn zum Brodeln. Über ihm hängt hartnäckig eine niedrige Wolke, die nur dann und wann von einem Windstoß beiseite gefegt wird und einen kurzen Blick auf die Blasen an der Oberfläche und die verkrusteten Beckenwände erlaubt.

Vulkanisch geht es auch am südlichen Ende der Insel zu. Das von Schwefelschwaden durchwehte Valley of Desolation und der milchfarbene Boiling Lake liegen am Nordhang des sich gerade ein wenig ausruhenden Vulkans Morne Watt, mit 1.224 m dritthöchste Erhebung Dominicas. Vor vielleicht 1.300 Jahren zeigte er, welch` explosive Kraft in ihm steckt. Nur 4 km weiter in südwestlicher Richtung „schläft“ der auf einem anstrengenden Pfad zu erklimmende Morne Anglais (1.122 m) und auf der Südspitze Dominicas hat sich das 804 m erreichende Morne Plat Bas-Massiv breitgemacht, umgeben von mehr als einem Dutzend Lava- Domen – sogar ein unterseeischer wurde entdeckt.

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Etwas abseits des geothermisch hochaktiven Inselsüdens wurde 1750 von der französischen Kolonialmacht Roseau als Hauptstadt angelegt. Das kleine Städtchen hat etwas von seinem karibischen Charme in die Gegenwart retten können. Bunte kreolische Holzhausarchitektur prägt noch manche Stadtteile, das ehemalige französische Quartier oder der kopfsteingepflasterte Alte Markt, wo früher Sklaven den Besitzer wechselten, der Botanische Garten und die betagten Kirchen laden zu Besuchen ein.

Roseau ist Ausgangspunkt für Bootsfahrten zur Wal- und Delphinbeobachtung, auch Tauchabenteuer an der artenreichen Westküste, die Kenner zu den Top-Tauchspots der Weltmeere zählen, werden hier organisiert.

Text: Eckart Fiene
Fotos: © Discover Dominica Authority




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