Britannien am Mittelmeer

Gibraltar: im Spannungsfeld zwischen Spanien und England

Text und Fotos: Uwe Lexow

Gibraltar – mit dem Namen des nur 4,8 Kilometer langen und 1,4 Kilometer breiten Kreidefelsens verbindet man eine ganze Reihe Assoziationen und Vorurteilen, angefangen vom strategischen Stützpunkt, über Steuerparadies und Off-Shore Geschäfte, bis hin zu britischem Lebensstil, Fish-and Chips-Restaurants , Guiness und Souvenir-Geschäften. Und, um es gleich vorweg zu nehmen, all das, was man Gibraltar landläufig unterstellt, trifft zu. Aber vielleicht ist es aber auch das, was den Charme dieses Fleckchens Erde ausmacht.

Spanien Gibraltar Affenfelsen

Der Tipp unserer spanischen Freunde ist nicht mit Geld zu bezahlen: „Wenn ihr nach Gibraltar wollt, lasst das Auto auf der spanischen Seite stehen und geht zu Fuß über die Grenze!“ Schon bei Abfahrt von der AP 7 in La Linea beginnt der Stau. Die Einfädelung über einen Kreisverkehr ein paar Kilometer vor dem Grenzübergang ist mühsam, und vor dem eigentlichen Übergang stockt der Verkehr völlig. Es hilft nur spanische Gelassenheit, - dafür bietet sich schon von hier aus ein Blick auf den „Djebel al-Tarik“, den Felsen des Tarik, benannt nach dem maurischen Feldherrn Tarik, der im Jahre 711 einen ersten arabischen Stützpunkt auf europäischem Gebiet errichtete. Im Laufe der Jahrhunderte wurde sprachlich aus „Djebel al-Tarfik“ „Gibraltar“.

Spanien Gibraltar Hafen

Hafen zwischen Mittelmeer und Atlantik

Wegen seiner strategischen Bedeutung war Gibraltar schon immer ein Zankapfel: Die Straße von Gibraltar stellt eine außerordentlich wichtige Verbindung zwischen Atlantik und Mittelmeer dar. Hier vermischen sich die Fluten beider Meere. Für die antike Welt waren der Felsen Gibraltars und das auf afrikanischer Seite bei Ceuta liegende Abyla-Gebirge von der Kraft des Herkules geschaffene Säulen. 711 eroberte der Maure Tarik den Felsen und erst 1462 gelang es den Spaniern, Gibralter wieder den arabischen Eroberern zu entreißen. Im Zuge des spanischen Erbfolgekrieges überrumpelten britische Truppen unter Befehl des Landgrafen Georg von Hessen im Jahr 1704 die Spanier, als sie die Stellungen zur Zeit der mittäglichen Siesta überfielen. 1713 wurde Gibraltar im Frieden von Utrecht rechtmäßig zugesprochen.

Spanien Gibraltar Bucht

Der Blick von oben

Seitdem sind alle Versuche der Spanier, den Felsen zurück zu erobern, erfolglos geblieben, wobei das Ringen um den begehrten Kalkfelsen bis heute andauert: So sprachen sich 1965 rund 95 Prozent der Gibraltesen für einen Verbleib unter der britischen Krone aus. 1969 trat eine neue Verfassung in Kraft, die Gibraltar zur britischen „Dominion“ deklarierte. Daraufhin schlossen die Spanier die Grenze, die erst 1985 wieder eröffnet wurde. Und erst seit Dezember 2006 gibt es wieder eine reguläre Flugverbindung von Spanien nach Gibraltar.

Straße kreuzt Rollbahn

Beim Grenzübertritt sind wir im Hinblick auf die Warteschlage am Check-Point nicht nur froh, dass wir das Auto auf der spanischen Seite haben stehen lassen, sondern fragen uns, ob die Briten schon einmal etwas vom Schengener Abkommen gehört haben. Die Kontrolle ist relativ streng, und die britischen Beamten kontrollieren steif und humorlos nicht nur das Lichtbild, sondern auch das Gültigkeitsdatum im Ausweis, während die spanischen Grenzbeamten uns mit einem freundlichen Nicken einfach weiter winken. Die mit 1,2 Kilometern Länge kürzeste Grenze der Welt gehört zu denen mit der längsten Abfertigungsdauer.

Spanien Gibraltar Felsen

Der Felsen von unten

Wir besteigen ein Taxi, um auf den Apes`s Rock, den Affenfelsen, hinaufzufahren. Dort leben die in Europa einmaligen Magot-Affen, auch Berberaffen genannt. Doch bevor wir auf der vierspurigen Strasse in die Stadt Gibraltar kommen, stehen wir geschlagene 10 Minuten vor einer roten Ampel. Weiss der Himmel , was das soll, - soo voll ist es hier auch nicht. Plötzlich donnert mit ohrenbetäubendem Lärm ein Flugzeug nur ein paar Meter über uns hinweg, und als sich unser Taxi in Bewegung setzt, sehen wir, dass die Strasse die Rollbahn des Gibraltar Airport kreuzt. Auch das ist einmalig in der Welt.

Das Taxi würgt sich die engen Straßen hinauf, und wir genießen einen phantastischen Ausblick auf den Hafen. Rund 6.500 hochseetaugliche Schiffe besuchen jährlich Gibraltars Hafen, davon 90 Prozent zum Tanken. Schiffsversorgung und Schiffsreparatur machen 25 Prozent des Bruttosozialprodukts der Stadt aus. Unglaublich, was für ein Betrieb im Hafen herrscht. Stundenlang könnte man hier vor geradezu atemberaubender Kulisse „Schiffchen gucken“, wenn es nicht noch viel mehr zu sehen gäbe.

Affen-Geschichten

Das Naturschutzgebiet Upper Rock wurde am 1. April 1993 gegründet und ist heute für Touristen gegen Gebühr zu besichtigen. Hier lebt das Wahrzeichen Gibraltars. Die ursprüngliche Herkunft der Berberaffen (Macaca silvanus) ist nicht exakt geklärt, wahrscheinlich wurden sie irgendwann aus Marokko von Menschen eingeführt. Eine Legende besagt, dass die britische Herrschaft in Gibraltar beendet sein wird, sobald der letzte Affe den Felsen verlassen hat. Hintergrund dieser Legende ist eine Geschichte aus der Zeit der Belagerung Gibraltars von 1779 bis 1783 (während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges): Damals sollen die Engländer von den Tieren vor einem Nachtangriff der Spanier und Franzosen gewarnt worden sein. Der britische Premierminister Winston Churchill ließ Berberaffen aus Marokko importieren, um den vermutlich wegen Inzucht kränkelnden Affenstamm wieder zu stärken, und hatte damit Erfolg.

Spanien Gibraltar Affenliebe

Affenliebe

Folgt man der Affenlegende, ist an eine Änderung der britischen Herrschaft über Gibraltar nicht zu denken. Auf dem Weg zwischen der Mittelstation der Seilbahn (mit dem sinnigen Namen Ape`s Den) bis zur Signal Station in knapp 400 Meter über dem Meer wimmelt es von unseren grau-bräunlichen Vorfahren. Einige Tiere haben sich sehr an die Touristen gewöhnt, einige reagieren eher mürrisch auf unsere Annäherungsversuche, einige kann man nur als dreist bezeichnen.

Spanien Gibraltar Berberaffe

Der Berberaffe aus der Nähe

Ein Geschrei lässt uns für ein paar Sekunden den atemberaubenden Ausblick auf die Strasse von Gibraltar vergessen: Offenbar hat eine Engländerin die Verbrüderung mit den Primaten übertrieben: Affe und Engländerin kreischen um die Wette. Während der macaca silvanus wie wild am Rock der Engländerin zieht, versucht sich diese, in das Taxi zu retten. Schließlich bleibt der Affe auf der Kühlerhaube sitzen, hält sich an der Antenne fest und ist durch nichts mehr zu vertreiben.

Während wir von oben auf das spanische Hinterland blicken und den Ausblick genießen, spüre ich plötzlich ein Gewicht auf der Schulter und nehme leichten Zoo-Geruch war. Offensichtlich ist die Engländerin nicht das einzige „Opfer“ dieses Nachmittags. Das Exemplar, das sich auf meiner Schulter niedergelassen hat, ist aber offenbar nur neugierig und springt nach ein paar Minuten Kontakt mit dem homo sapiens ohne Zurücklassung von Flöhen wieder herunter.

„Very British“

Nach der Begegnung mit den Berber-Affen besuchen wir St. Michael`s Cave, die grösste Höhle im Felsen von Gibraltar. Hier gibt es nicht nur schöne Stalagmiten und Stalaktiten zu sehen, sondern die Höhle bietet auch Schutz vor der Sonne, die heute geradezu unbarmherzig auf uns nieder brennt. Ebenfalls Schutz vor der Sonne bieten die „Upper Galleries“, die Festungstunnel, die an die kriegerische Vergangenheit Gibraltars erinnern. Überhaupt: An die militärische Vergangenheit des kleinen Staates wird am auf Gibraltar auf Schritt und Tritt erinnert: Sei es in Form alter Kanonen, den Überresten alter Kastelle wie dem im achten Jahrhundert erbauten Moorish Castle, oder Befestigungsanlagen. Wir geloben, einmal etwas tiefer in die wechselvolle Geschichte Gibraltars „einzusteigen“, ehe wir uns in die „North-Town“, die Altstadt, begeben.

Spanien Gibraltar Briefkasten

Britisch sind die Post und ...

Hier tobt das Geschäftsleben, hier wohnen und arbeiten die meisten der 30.000 Einwohner Gibraltars. Hier gibt es nichts, was nicht very British wäre: Englische Briefkästen, englische Busse, selbst der Straßenmusikant an der Ecke wirkt neben dem Bobby „British“. Vom Kasemattenplatz führt die „Main Street“ an Post und Börse vorbei zur Roman Catholic Cathedral, einer ehemaligen Moschee, die 1502 gotisch erneuert wurde. Wer Zeit hat, sollte unbedingt dem Gibraltar Museum in der Bomb House Lane einen Besuch abstatten, wo u.a. ein ca. 30 Quadratmeter großes Modell der Felsenhalbinsel zu bestaunen ist.

Spanien gibraltar Pub

... die Pubs

Wenn es nicht so voll wäre, könnte man meinen, man sei in einer britischen Stadt, und nicht zwischen Afrika und Spanien. Nein, eigentlich sind wir in einer britischen Stadt mit kleinen Kaufhäusern, einer Unmenge von Tax-Free-Shops, Hotels und Pubs und noch mehr Touristen, in der neben dem Gibraltar-Pfund das englische Pfund mit Wechselkurs 1:1 Zahlungsmittel ist. Das Sprachgewirr ist faszinierend. Englisch und Spanisch sind vorherrschend.

Steueroase

Die Zahl der Touristen wird lediglich noch der Zahl der Firmenschilder übertroffen: Gibraltar ist und bleibt eine Steueroase: Umsatzsteuer gibt es keine, jedoch wird eine Stempelsteuer bis max. 1,25 Prozent erhoben. Vergütungen, die Steuerausländer von einer steuerbefreiten Gesellschaft bekommen, unterliegen keinerlei Besteuerung. Gibraltar hat keinerlei Steuerabkommen geschlossen. Es ist zwar Mitglied der EU, nicht aber Teil des Zollterritoriums.

Spanien Giobraltar Überblick

Keine dunklen Wolken über der britischen Herrschaft

Eine Fahrt über die Europa-Allee, die an der Ostseite der Alameda beginnt, bleibt bei Traumwetter unvergesslich: Die fünf Kilometer lange Höhenstrasse mit wunderschönen Ausblicken, die sich am Westhang des Felsens entlang schlängelt, vorbei an Landhäusern und Gärten der weniger touristisch heimgesuchten South Town, und die bis zum Europa Point mit seinem Leuchtturm und einer Kapelle mit prächtigen Ausblicken auf die Bucht von Algeciras und die afrikanische Küste führt, ist sicherlich einen Besuch wert.

Gegen Spätnachmittag wird es auch in der Altstadt merklich ruhiger: Die Tagestouristen treten den Fußweg zurück über das Rollfeld zurück nach Spanien an. Diesmal kontrollieren die Spanier mehr als die Engländer, was da im Kofferraum legal oder unter Umgehung der Zollvorschriften ins Land transportiert wird.

 

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