Kulturerbe der Menschheit im Iran

Ein Besuch in Isfahan

Text: Elfriede Baranowski
Fotos: Udo Weierich

Eigentlich folgt man in orientalischen Ländern keinem, der Teppiche verkauft. Im Basar von Isfahan scheint das anders zu sein. Normalerweise landet man im Hinterzimmer eines Teppichgeschäfts, wird mit Tee bewirtet und schafft es nur mühsam, sich wieder aus den Fängen des Verkäufers zu befreien.
In Isfahan ist das anders. Der junge Mann – in Jeans und Hemd gekleidet, mit einer etwas altmodischen Gelfrisur – lächelt sympathisch und gibt bereitwillig Auskunft: was ein Teppich kostet, wo die Qualitätsunterschiede liegen und dass das eigentliche Geschäft mit Kunden aus Saudi-Arabien und Amerika abgewickelt wird.
Während unseres Gesprächs laufen wir durch die Gassen des Isfahaner Bazars in Richtung der Teppichhändler. Mehrdad wurde geschickt, um Tee für seinen Onkel zu holen, der sich auf den Vertrieb von Teppichen der Nomaden spezialisierte und außerdem noch einer der besten Teppichflicker ist. Er soll sogar schon nach Venedig geholt worden sein, um dort wertvolle alte Wandteppiche zu reparieren, wie uns sein Neffe erzählt. Er könnte uns die einzelnen Stationen der Herstellung zeigen, das ist alles hier im Bazar untergebracht.

Iran - Isfahan - Kamelmühle

Kamelmühle

Wir fangen im Keller an. Hier wird die Wolle gefärbt, natürliche Materialien wie die Rinde bestimmter Bäume oder gemahlenen Walnussschalen werden bis heute zum Färben benutzt. Früher drehte hier im Keller ein Kamel seine Kreise, um die Nussschalen zu mahlen, aber seit geraumer Zeit übernimmt das ein Elektromotor.
Wir arbeiten uns vom Keller aus durch die Stockwerke über die Mustervorlagenerstellung bis zur Schlussbehandlung der Teppiche unterm Dach. Der rasierte und gewaschene Teppich liegt dann auf dem Dach des Bazars zum Trocknen aus.

Iran - Isfahan - Teppiche liegen zum Trocknen aus

Teppiche liegen zum Trocknen aus

Kulturerbe der Menschheit

Von hier aus überblickt man ganz Isfahan. Die Altstadt erhielt das Prädikat Kulturerbe der Menschheit. Die UNESCO verlieh diese Auszeichnung nur unter der Bedingung, dass das Stadtbild erhalten bleibt. Mehrdad erklärt uns, dass kein Gebäude höher sein darf als der Ali Quapu Palast am Imam Khomeini Platz. Ein Regierungsgebäude musste deshalb bereits um eine Etage gekürzt werden, damit die Stadt die Auszeichnung behalten durfte.

Am Ende unseres Rundgangs bewundern wir noch die aufwändige Arbeit des besten Teppichflickers, Mehrdads Onkel, der gerade an einem alten Nomadenteppich beschädigte Stellen ausbessert. Und natürlich sitzen wir schließlich auch noch im Laden seines Onkels, trinken Tee, unterhalten uns über Nomaden und kaufen keinen Teppich.

Iran - Isfahan - Reparatur eines Teppichs

Reparatur eines Teppichs

Isfahan ist sicher der am meisten besuchte Ort im Iran. Aber da ausländische Touristen insgesamt eher rar sind, trifft man sie auch hier nur vereinzelt und dann meist nur allein oder in einer kleinen Gruppe an. Dafür floriert der einheimische Tourismus stark. Die Iraner sind stolz auf diese Stadt, die Schah Abbas 1598 zur Hauptstadt machte, und man trifft Reisende aus ganz Iran, die sich natürlich mit den ausländischen Touristen unterhalten wollen. Und so spaziert man durch Isfahan und plaudert mit Iranern aus dem ganzen Land.

Die während Schah Abbas Amtszeit (1587-1629) errichteten Gebäude gehören bis heute zu den berühmtesten der Welt. Der Imam Khomeini Platz, an den auch der Bazar angrenzt, ist das Herz der Stadt. Seine parkähnliche Ausdehnung -  er wurde gelegentlich auch als Polospielfeld genutzt-  ist bis heute erhalten. Hier sitzen abends die Familien zusammen, ausgestattet mit Picknickausrüstung. Die Kinder toben auf der Wiese und die Erwachsenen plaudern und genießen die besondere Atmosphäre, die der belebte Platz ausstrahlt. Sehr beliebt sind auch die Kutschenfahrten im Einspänner um den Platz vorbei an den Moscheen und dem Ali Quapu Palast. Nachts sind die tagsüber stark frequentierten Sehenswürdigkeiten mit warmem Licht angestrahlt, das dem Imam Khomeini Platz eine herrliche, ja fast romantische Atmosphäre verleiht.

Iran - Isfahan - Imam-Khomeini-Platz mit der Emam-Moschee

Imam-Khomeini-Platz mit der Emam-Moschee

An der südlichen Stirnseite dominiert das imposante Eingangsportal der Emam-Moschee den Platz. Schah Abbas I. gab die Moschee 1611 in Auftrag, erlebt aber ihre Fertigstellung nicht mehr, er stirbt ein Jahr zuvor. Die Arbeiten an den prächtigen türkis und dunkelblau leuchtenden Fliesenmosaiken der Moschee, die auch die Hauptkuppel zieren, werden erst 1638 vollendet. Florale und kalligraphische Elemente wechseln sich mit geometrischen Mustern ab, die hauptsächlich der bedeutende Kalligraph Ali Resa Abbasi schuf.

Der rechteckige Innenhof der Moschee wird von vier Iwanen begrenzt. Das Portal des nach Süden ausgerichteten Iwan schmücken zwei Minarette. Von hier gelangt man in die Hauptgebetshalle mit der Mihrab, vor der sich die Gläubigen zum Gebet versammeln.

Iran - Isfahan - Freitagsmoschee

Freitagsmoschee

Eine weit lebendigere Moschee ist allerdings die Freitagsmoschee, die am anderen Ende des weitläufigen Bazars liegt. Auch sie ist vom Grundriss her ähnlich wie die Emam-Moschee mit vier Iwanen ausgestattet. Allerdings hat sie eine viel längere Baugeschichte hinter sich und ist nicht so einheitlich gestaltet. Schon im achten Jahrhundert gab es hier einfache sakrale Bauten, die im Laufe der Zeit immer wieder verändert oder aufgrund von Bränden oder Verwüstungen neu aufgebaut wurden. Im 11. Jahrhundert erhielt der Neubau vier Iwane und ist somit eine der ältesten Moscheen im Iran, die in dieser Art erbaut wurde. Schmuckstück der Moschee und wohl auch einer der schönsten im Iran ist der mit beeindruckender Stuckarbeit verzierte Mihrab aus dem Jahr 1310. Die formvollendeten Ranken und Blumenmuster werden von einem Schriftband umgeben. Zwei Säulen begrenzen die eigentliche Nische, die ebenfalls mit kunstvollen Ornamenten bestückt ist.

Wie ihr Name schon sagt, versammeln sich die Gläubigen hier in besonders großer Zahl am Freitag, dem wichtigsten Tag der Woche für Muslime. Aber auch an ganz normalen Tagen kommen viele Gläubige, um ihre Gebete zu verrichten, oder sich im Schatten in kleinen Gruppen zusammenzusetzen und die Neuigkeiten des Tages auszutauschen. Auch für Reisende bedeutet es ein klein wenig Erholung von der hektischen Stadt, sich ein ruhiges Plätzchen im Hof zu suchen und die Menschen zu beobachten.

Iran - Isfahan - Mihrab der Freitagsmoschee

Mihrab der Freitagsmoschee

„Where are you from?“

Aber natürlich bleibt man auch hier nicht lange unbeobachtet. Eine Gruppe Jugendlicher umringt uns und redet auf uns ein: „Hello! Where are you from?“ Rettung bringt ihr Lehrer, der sie ermahnt, etwas zurückzutreten. Gekleidet in der Tracht der iranischen Geistlichen mit Turban und weißem langen Kleid ist jedoch seine Neugierde nicht geringer als die seiner Schüler. Der englischen Sprache nicht mächtig wählt er einen Schüler zum Übersetzer, um uns dann die üblichen Fragen „Wo kommen Sie her? Wie gefällt Ihnen Iran?“ zu stellen. In diesem besonderen Fall werden wir auch noch auf unser islamisches Wissen geprüft, das wir so halbwegs bestehen. Die Gruppe kommt nämlich aus Mashad und ob wir davon schon gehört hätten, werden wir gefragt. Ja, natürlich, denn Mashad, das im äußersten Nordosten des Landes liegt, ist das wichtigste schiitische Heiligtum Irans. Imam Reza, der 8. Imam der Schiiten, wurde 818 ermordet und liegt seitdem dort begraben. Er wird als Märtyrer verehrt und um die Pilgerstätte, deren Besuch Nichtmuslimen jedoch verwehrt wird, wuchs recht bald eine größere Stadt heran.

Iran - Isfahan - Sheikh Lotfollah Moschee

Sheikh Lotfollah Moschee

Zurück am Emam Khomeini Platz kann an seiner Ostseite die Sheikh Lotfollah Moschee besucht werden. Ein kleiner, aber interessanter Bau, da er nur aus einem überdachten Eingangsbereich und einem Gebetssaal, der mit einer Kuppel überwölbt ist, besteht. Der übliche Innenhof mit Wasserbecken und ein Minarett fehlen.

Der Grund dieser Besonderheiten erklärt sich durch die Nutzung der Moschee. Schah Abbas baute sie als Privatmoschee für die königliche Familie. Die Funktionen, die ein Innenhof mit Wasserbecken, also die Waschungen vor dem Gebet, erfüllen, entfallen genauso wie der Ruf zum Gebet vom Minarett herab. Auch ihre Farbgestaltung weicht von den sonst vorherrschenden Blau- und Türkistönen ab. Hier ist Ocker die Grundfarbe, von der sich auf der Außenseite der Kuppel die floralen Arabesken kontrastreich abheben. Auch im Inneren der Moschee finden sich kunstvolle Mosaiken und die typischen blauen Schriftbänder, die um die einzelnen Bauelemente herumlaufen. Das verleiht dem Raum klare Linien zwischen den meist recht kleinteilig und aufwendig gestalteten Mosaiken.

Iran - Isfahan - Innenraum der Sheikh Lotfollah Moschee

Innenraum der Sheikh Lotfollah Moschee

Die Herrscherfamilie hatte einen kurzen Weg zu ihrer Moschee, denn der Palast liegt direkt gegenüber, man musste nur den Emam Khomeini Platz überqueren. Der Ali Quapu Palast – übersetzt das Tor – bildet nur den Eingang zum eigentlichen Palastgelände. Hier waren einst die Wachen und die Verwaltung untergebracht. Doch gibt es auch Wandmalereien und als Besonderheit im obersten Stock das so genannte Musikzimmer. Es ist kreuzförmig um einen Lichthof angelegt und besitzt eine bizarre Gipsverschalung. Durch kunstvoll gestaltete Aussparungen in der Verschalung, in denen früher Flaschen und Flakons gestellt wurden, erreichte dieser Raum eine ungewöhnlich gute Akustik.

Ein Besuch des Palastes lohnt sich auch wegen der geräumigen Terrasse, die zum Emam Khomeini Platz hinaus führt und nicht nur heute ein guter Aussichts- und Beobachtungspunkt ist. Hier versammelte sich der Hofstaat, um diverse Vorstellungen von einem erhöhten Standpunkt aus mit verfolgen zu können.

Iran - Isfahan - Musikzimmer im Ali Quapu Palast

Musikzimmer im Ali Quapu Palast

All die Pracht, die eine neu ernannte Hauptstadt braucht und die von Schah Abbas ab 1600 in Auftrag gegeben wurde, zieht Handwerker und Bauarbeiter an. Schah Abbas suchte sich exquisite Handwerker und holte 30.000 für ihre Handwerkskunst bekannte Armenier. Jenseits des Flusses Zayandeh, der durch Isfahan fließt, siedelte er sie an und es entstand ein eigenes armenisches Viertel. Bis heute ist dieser Stadtteil als das armenische Viertel bekannt und trägt den Namen Djolfa (auch Jolfa), und erinnert damit an die  Herkunft ihrer Bewohner. Sie behielten ihren christlichen Glauben und erhielten außerdem Privilegien und Garantien zugesichert, die ihnen – zumindest zeitweise – ein relativ unbeschwertes Leben als Händler und Handwerker ermöglichten. Sie bauten sich ihre eigenen Kirchen und bildeten eine bedeutende armenische Diaspora. Hauptkirche ist die kurz nach ihrer Ankunft (1606) begonnene Vank-Kathedrale.

Iran - Isfahan - Vank-Kathedrale

Vank-Kathedrale

Innen mit prächtigen Wandmalereien mit Motiven aus dem Neuen Testament ausgestattet, erinnert ihr Bau an die islamische Architektur.
Als christliche Elemente wurden auf der Kuppel ein Kreuz angebracht und neben der Kirche ein separater Glockenturm errichtet. Auf dem ehemaligen Klostergelände befindet sich auch ein Museum, das mit prächtigen Kleidern von Klerikern, beeindruckenden Sammlungen von illuminierten Handschriften und Gemälden, aber auch mit Alltagsgegenständen das Leben und die geschaffenen Werke dokumentiert.
Noch heute ist das Viertel hauptsächlich von Armeniern bewohnt und die Andersartigkeit ist erhalten geblieben. Dies zeigt sich heute auch an den nur hier zu findenden Cafés anstatt der sonst üblichen Teestuben. Mehr und mehr armenische Christen jedoch verlassen das Land. Die Privilegien von früher gelten heute nicht mehr und man muss sich dem islamischen Staatsmodell unterwerfen.

Brückenkunst

Schah Abbas ließ bereits 1602 eine prächtige Brücke über den Fluss schlagen. So konnte man bequem die königlichen Gärten auf der anderen Flussseite erreichen und außerdem verband sie das neue armenische Viertel mit der Hauptstadt. Ein mächtiger Unterbau trägt die Allah Verdi Khan-Brücke mit ihren 33 Bögen – auch Si-o-se Pol Brücke genannt. Bis vor wenigen Jahrzehnten wurde die 300 Meter lange und 14 Meter breite Brücke noch befahren, heute ist sie nur noch für Fußgänger geöffnet, die hier besonders am Wochenende ihre Zeit verbringen.

Iran - Isfahan - Allah Verdi Khan-Brücke

Allah Verdi Khan-Brücke – auch Si-o-se Pol Brücke genannt

In der Brücke befindet sich ein stark frequentiertes Teehaus und jede Sitzgelegenheit nahe dem Wasser wird genutzt, um der Sommerhitze zu entgehen. Die Familien kommen zum Fluss, um an seinem Ufer entlang zu schlendern, oder um im Schatten der Bäume zu picknicken. Besonders beliebt bei jungen Leuten ist das Tretbotfahren in einem der bunten Plastikschwäne auf dem Fluss. Ein Boot voll mit Jungen steuert ganz zufällig in Richtung des Bootes mit den Mädchen, deren schwarze Kopftücher im Wind wehen. Das Boot schaukelt bedrohlich beim Versuch, dem Boot mit den Jungen zu entkommen. Auf dem breiten Fluss ergeben sich zahlreiche Gelegenheiten Kontakte zu knüpfen. Für die Jugend im Iran nicht immer einfach…

Eine weitere Brücke in östlicher Richtung ist Pol-e Choubi. Sie wurde ursprünglich als Bewässerungskanal für die königlichen Gärten genutzt. Heute ist auch sie für Fußgänger geöffnet. Noch ein Stück weiter östlich am Fluss entlang, erreicht man die schönste der Isfahaner Brücken, die Pol-e Khadjou. Schah Abbas II. ließ sie 1630 errichten. Mit 23 Bögen überspannt die auch als Staudamm nutzbare Brücke den Fluss. Verschließbare Tore ließ das Wasser bis zu zwei Meter ansteigen und so wurden durch seitliche Kanäle die Felder und Gärten bewässert.

Iran - Isfahan - Pol-e Khadjou Brücke

Pol-e Khadjou Brücke

In der Mitte der Brücke befindet sich ein großer Pavillon, der von zwei kleineren an den Brückenköpfen flankiert wurde. Der Mittlere wurde vom Schah genutzt, um Sportereignissen oder Wasserspielen beizuwohnen. Leider sind heute viele der ehemals in den Pavillons eröffneten Teehäuser geschlossen, gerade im Sommer würden sie eine erfrischende Ruheoase abgeben. Aber die Iraner wissen sich auch so zu helfen und gehen an den schönen Sommertagen einer ihrer liebsten Beschäftigungen nach: Picknicken an einem schattigen Plätzchen und plaudern mit der Familie oder den Nachbarn.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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