Blumen vor dem Freiheitsdenkmal

Die lettische Hauptstadt Riga im restaurierten alten Glanz

Text und Fotos: Rainer Heubeck

Richard Wagner und Johann Gottfried Herder werden in Riga hoch verehrt, das Lenin-Denkmal bei Burg Cesis im Norden Lettlands jedoch liegt in einer Holzkiste, die anmutet wie ein Sarg. Für die überlebensgroße Statue fand sich kein geeigneter Platz, und so liegt Lenin nun mit Blättern in der Nase und mit Wasser in den Augenhöhlen da - bis sich eines Tages ein Schrotthändler für ihn erbarmt.

Lettland Riga Opernhaus

Statt an Russland orientiert man sich in Lettland mittlerweile nicht nur kulturell, sondern auch wirtschaftlich stärker an Deutschland. Schließlich prägte der Deutsche Orden viele Jahrhunderte die Entwicklung des Landes. Nirgends wird das deutlicher sichtbar als in Cesis bzw. Wenden, wo Burgfräulein Ilse die Besucher zu einer Reise in die Vergangenheit einlädt. Mit Helmen und kleinen Laternen, in denen sich eine Kerze befindet, geht es hinab in das Verlies - und hinauf auf den Wehrturm der mächtigen Burg des deutschen Ritterordens, die eigentlich aus dem 13. Jahrhundert stammt, aber im Jahr 1577 zu großen Teilen zerstört wurde.

Lettland riga Burg Cesis

Mächtige, alte Mauern: die Festung Cesis

Neben den alten Ordensburgen finden sich in Lettland weitere Zeichen dafür, wie stark die Geschichte des Landes von kulturellen Einflüssen aus Deutschenland geprägt wurde: prachtvolle Herrenhäuser, die zum Großteil von deutschbaltischen Familien errichtet wurden. Viele davon bieten heute stilvolle Unterkunft. Sei es für Urlauber oder Kongresstouristen.

Doch die Hauptattraktionen des Landes finden sich nicht auf den flachen Land, sondern in der Hauptstadt Riga und im nahe gelegenen Seebad Jurmala, einem stilvollen Ostseebad mit vielen alten Holzhäusern, das nicht nur mit einem dreißig Kilometer langen Strand lockt, sondern auch über eine quirlige Flaniermeile sowie eine vielfältige Infrastruktur im Hotel- und Restaurantbereich verfügt.

Lettland Riga Ostseestrand

Genügend Platz: am lettischen Ostseestrand

Die Badesaison - von Juni bis September - ist relativ kurz, deshalb setzen die größeren Hotels auf Gesundheits-, Wellness- und Kongresstourismus. Zu den Sehenswürdigkeiten des lebhaften Strandortes gehört das ehemalige Sommerhaus des Schriftstellers Janis Rainis. Der Dichter, der von vielen als der lettische Goethe angesehen wird, hat von 1927 bis zu seinem Tod im Jahr 1929 gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Schriftstellerin Aspazija, dort gewohnt.

Eine Hochburg des Jugendstils

Circa fünfundzwanzig Kilometer sind es von Jurmala in die Hauptstadt des Landes, am günstigsten ist die Reise per Zug. „In der Zwischenkriegszeit, insbesondere in den zwanziger Jahren, war Riga wirtschaftlich gleichauf mit Großstädten in Dänemark oder Finnland“, berichtet Andris Gobinš. Eine Tradition, an der man gerne wieder anknüpfen möchte - doch das Erbe der sowjetischen Zeit lastet noch immer auf der Stadt, die vor mehr als achthundert Jahren vom Bremer Domherrn Albrecht von Buxthoeven gegründet wurde.

Lettland riga Jugendstil

Jugendstilfassade in der Rigaer Neustadt

Lettland Riga FreiheitsdenkmalIronie der Geschichte: Der Vater des genialen Agitprop-Regisseurs Sergej Eisenstein wirkte in Riga als Architekt - und schuf viele der faszinierenden Jugendstil-Bauten, die heute Besucher aus aller Welt in die Alberta und die Elisabeth-Straße locken - und die einer der Gründe dafür sind, dass Riga im Jahr 1997 ins Unesco-Weltkulturerbe aufgenommen wurde.

Die schlanke Dame der Freiheit

Auf dem Weg zwischen der restaurierten Neustadt Rigas, in der sich die vielen Jugendstilgebäude befinden, und der belebten Altstadt, die während des Zweiten Weltkriegs leider zu weiten Teilen zerstört wurde, passiert der Besucher das Freiheitsdenkmal (siehe Foto rechts). Eine schlanke Dame, die drei Sterne nach oben hält - darunter ein Sockel, der zahlreiche Episoden aus der lettischen Geschichte darstellt. Am besten lässt man sie sich von einem Einheimischen erklären und illustrieren. „Wenn man in der Sowjetzeit hier vor dem Freiheitsdenkmal Blumen niedergelegt hat, war das ein sicheres Ticket nach Sibirien“, berichtet Andris Gobinš, ein junger Lette, der sich aktiv für die Integration seines Landes in die Europäische Union einsetzt.

Die Katze mit dem nackten Hintern

Heute patrouilliert eine kleine Ehrenwache vor dem Monument und tagtäglich legen zahlreiche Besucher und Einheimische Blumen vor das Freiheitsdenkmal. „Die Frau hält die drei früheren Provinzen Lettlands in der Hand: Kurland, Livland und Lettgallen. Aber in der sowjetischen Zeit hatte man das Denkmal umgedeutet. Plötzlich hieß es, die Statue stelle Mütterchen Russland dar, das die drei baltischen Staaten beschützt“, erläutert Andris Gobinš schmunzelnd.

Lettland Riga Ehrenwach

Ehrenwache am Feiheitsdenkmal

Lettland Riga SchwarzhäupterhausHeute ist dieser Zeitabschnitt Geschichte, und Riga versucht, wieder anzuknüpfen an der Blüte der zwanziger Jahre. Die größte Stadt des Baltikums - Riga hat circa 750.000 Einwohner - präsentiert Konzert- und Theateraufführungen mit internationalem Niveau und hat auch gastronomisch längst zum Westen aufgeschlossen. Neben schicken Cocktailbars und gemütlichen Cafés finden sich in der Rigaer Altstadt auch zahlreiche Anbieter fernöstlicher Küche - und originelle gastronomische Angebote wie das Restaurant Knoblauchkrug, in dem selbst die Nachspeisen mit Knoblauch serviert werden. Ein Geheimtipp: Die Eiscreme mit Honig-Knoblauchsoße. „Wenn man hier isst, bekommt man zum Schluss ein Bündel Petersilie serviert, damit der Knoblauch nicht zu intensiv riecht“, berichtet Andris.

Doch Riga hat dem Besucher noch viel mehr zu bieten: Sei es einen Besuch im sehenswerten Okkupationsmuseum oder einen Abstecher zum wieder errichteten Schwarzhäupterhaus. „In Riga lohnt es sich, die Augen immer wieder nach oben zu richten“, versichert Andris, denn viele Verzierungen und architektonische Besonderheiten haben eine Geschichte zu erzählen.

Beispielsweise die aneinander gereihten Giebel der „Drei Brüder“, eines Gebäudeensembles in der Kleinen Schlossstraße, dessen Ursprung in das 15. Jahrhundert zurück reicht. Oder die blecherne Katze auf dem Dach gleich gegenüber des Großen Gildehauses. Sie wurde von einem wohlhabenden Letten errichtet, der sich darüber geärgert hat, dass er nicht in die Gilde aufgenommen worden war. „Ursprünglich zeigte die Katze mit dem Hintern zum Gildenhaus. Doch das gab einen so großen Skandal, dass der Hausbesitzer per Gerichtsbeschluss dazu verpflichtet wurde, die Katze umzudrehen“, berichtet Andris Gobinš.

 

Reiseinformationen

Einreise:
Für die Einreise nach Lettland genügt ein gültiger Personalausweis.

Anreise:
Nach Riga fliegt Lufthansa sowie die lettische Fluglinie airBaltic, außerdem Ryanair von Frankfurt-Hahn sowie Easyjet ab Berlin.

Auskunft:
Ein Internet-Guide speziell zu Lettland findet sich zudem unter https://www.latvia.travel/.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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