Mosambik im Überblick

Ob es eine gute Idee war, über das tansanische Dar-es-Salaam anzureisen, um Mosambik zu durchqueren und von Maputo via Johannesburg heimzureisen, blieb in der Reisegruppe noch lange umstritten. Dem alptraumhaften Verkehrsgetümmel der Millionenmetropole nach viel Geschrei und Gehupe im angemieteten Minibus glücklich entkommen, entpuppte sich die „B2“, immerhin Tansanias wichtigste Verkehrsader Richtung Mosambik, als ein Flickenteppich aus Teerstrecken, Baustellen und Sandpisten. Spätestens hier dämmerte es dem Letzten, dass Reisen in Afrika anderen Gesetzen folgen.

Und dann unerwartet hinter Mtwara ein ganz passabler Straßenabschnitt bis zum Grenzfluss Rio Rovuma. Dort die nächste Überraschung: Die Autofähre – die einzige am ganzen Fluss – wartet schon und noch ein Glücksfall: Sie hat auch genug Wasser unter dem Kiel, da gerade die Flut vom Indischen Ozean den Flusspegel ansteigen lässt. Für viele Reisende (und noch mehr Gewerbetreibende) gibt es die frohe Botschaft, dass seit Ende 2009 nach endlosen Verzögerungen die „Unity Bridge“ weiter im Landesinnern als einzige Autobrücke an der 650 km langen Flussgrenze beide Länder miteinander verbindet.

Mosambik

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Auf einer Rüttelpiste geht es weiter bis Palma, dann sind es Teer- und Sandwege im Wechsel bis zum „border post“ Moçimbao da Praia, wo, nun schon gut 100 km landeinwärts, endlich die Einreiseformalitäten erledigt werden können. In Pemba am Indischen Ozean endet die strapaziöse Anreise. Die in einem Wald von Baobab-Bäumen angesiedelte quirlige Hauptstadt der nördlichsten Provinz des Landes, Cabo Delgado, gilt als Tor zu den traumhaft schönen Inseln des Quirimbas-Archipels. Im Hafen haben Dhaus festgemacht, die von Fischern genutzt werden und Waren nach Tansania befördern oder als „Wassertaxi“ Besucher zu den Inseln hinüber bringen. Wer es schneller mag, fliegt mit kleinen Propellermaschinen in 20, 30 oder 40 Minuten auf eine der Koralleninseln, von denen vier unter strengen Auflagen touristisch erschlossen wurden. Dank dieser Beschränkungen ist der Archipel ein ruhiges, abgeschiedenes Naturparadies geblieben mit herrlichen weißen Stränden, einem türkisfarbenen, fischreichen Meer, das farbenprächtige Korallenriffe umspült, und einigen wenigen, ihrer Umwelt angepassten Hotelanlagen. Neben Vamizi, Medjumbe, Matemo fällt das melancholische und langsam zerbröselnde Ibo etwas aus dem Rahmen. Arabische Spuren werden hier sichtbar, kolonialer Dünkel, die afrikanische Leidensgeschichte. Ganze Heere von Sklaven, Tonnen von Elfenbein und kostbare Goldschätze wechselten hier den Besitzer. Es entstanden Zisternen und kanonenbestückte Festungen, Kirchen und Paläste.

Arabische Kaufleute hatten im 10. Jahrhundert neben Ibo noch weitere Handelsposten entlang der mosambikanischen Küste errichtet. Bantuvölker im Binnenland waren ihre Geschäftspartner. Von ihrer Vorarbeit profitierten später die Portugiesen, nachdem ihr Nationalheros Vasco da Gama 1498 das Fernhandelspotential der Küstenstädte entdeckt hatte. Auf Kosten der Araber konnten sie ihren Einfluss ins Innere des Landes ausdehnen und besonders während der Blütezeit des Sklaven- und Elfenbeinhandels im 17. bis 19. Jahrhundert der multinationalen, räuberischen Unternehmerelite der „Prazeiros“ zu großem Reichtum verhelfen. Als Portugal es den anderen Kolonialmächten nachmachte und in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts so etwas wie ein Kolonialkonzept erdachte, änderte sich manches, nur nicht zum Guten. Neue Kolonialgesellschaften ersetzten das alte Machtsystem. Da das Mutterland seine Kolonie nicht gewinnbringend zu nutzen verstand, wurden englischen und südafrikanischen Gesellschaften weit gehende Rechte eingeräumt. Ihr Kapital beherrschte das Land und all die stolzen Kolonisten und Kaufleute mit portugiesischen Wurzeln waren letztlich Abhängige und Angestellte ausländischer Firmen. Die chaotische Kolonialpolitik der Monarchie wurde mit der Einführung der Republik (1910) keinen Deut besser. Salazars ständisch-autoritäres Regime schränkte die rechtliche und wirtschaftliche Position der Afrikaner noch weiter ein. Während andere Mächte schon Vorbereitungen für die Unabhängigkeit ihrer Kolonien trafen, ernannte Portugal seine Überseeterritorien zu Provinzen des Mutterlands. In dieser Zeit großer innerer Spannungen entstand die FRELIMO, der es 1974 gelang, die Portugiesen aus dem Land zu werfen und ein sozialistisches Experiment zu wagen, das unter den Schlägen der RENAMO und ihrer mächtigen Helfer und unter dem Eindruck des weltpolitischen Wandels aufgegeben wurde. Die Folgen des innermosambikanischen Machtkampfs sind noch nicht überwunden. Wie institutionalisiert wirkt das heutige Machtgefüge: FRELIMO regiert, RENAMO opponiert – ohne das Land wirklich voranzubringen die eine und ohne überzeugende Alternative die andere.

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Die Reisegruppe hat sich derweil akklimatisiert und brütet über Karten der Nachbarprovinz Niassa. Dass „4WD“ (Four Wheel Drive, Allradantrieb) Reisende in dieser Weltgegend am zuverlässigsten ans Ziel bringt, hat sich herumgesprochen. Doch man entscheidet sich für den Flug von Pemba zur Provinzkapitale Lichinga, damit möglichst viel Zeit bleibt für den Besuch des Niassa-Reservats und für einen Abstecher zum Niassa-See. Das Reservat ist eine der letzten großen, ursprünglichen Wildnisse Afrikas. Mit einer Fläche von 42.000 km² reicht es an die Größe der Schweiz heran. Atemberaubend seine Landschaft und unvorstellbar sein Tierreichtum! Allein auf 12-13.000 schätzt man die Zahl der Elefanten und an die 10.000 Gabelantilopen durchstreifen die Savanne in Gesellschaft von Elenantilopen und Gnus, Wasserböcken und Impalas, belauert von Löwen und Leoparden und einer großen Population des Afrikanischen Wildhunds. Inselberge, spektakuläre Felsformationen aus Granit, überragen Feuchtzonen und Savannen, Miombo-Wälder und Flusslandschaften. Überwältigend auch der Niassa-See, den man in den Nachbarländern Malawi-See nennt. Das riesige Binnengewässer, wegen seines unvorstellbaren Fischreichtums zum „Aquarium Gottes“ erklärt, ist 560 km lang, bis zu 80 km breit und über 700 m tief. Unzählige Seeadler kreisen über dem kristallklaren Wasser, Krokodile und Flusspferde wuchten ihre schweren Körper aufs Ufer, Fischer gehen auf Buntbarsch- und Welsjagd. Mancherorts hat sich an den schönen Seestränden eine anspruchsvolle touristische Infrastruktur entwickelt mit originellen Lodges und Camps.

Ein mächtig lärmender, kleiner Flieger übernimmt die Reisegesellschaft und schaukelt mit ihr über Buschland mit imposanten Granitbergen und tiefgrüne Teeplantagen hinweg nach Nampula in der gleichnamigen Provinz. In flotter Fahrt auf guter Teerstrasse geht es von dort weiter an die Küste, wo eine zwei, drei Kilometer lange Brücke die Reisenden an einen außergewöhnlichen Ort bringt, auf die Ilha de Moçambique - für viele einer der Höhepunkte ihrer Mosambik-Reise. Ähnlichkeiten mit Ibo sind nicht zufällig. Beide Inseln waren Bestandteil eines mittelalterlichen indisch-arabisch-afrikanischen Handelsnetzes, das zu Beginn des 16. Jahrhunderts von den Portugiesen übernommen und, im Fall der Ilha de M., zu einem maritimen Stützpunkt an der portugiesischen Route nach Ostindien ausgebaut wurde. Zum Schutz der Anlagen entstand zwischen 1558 und 1620 das Fort São Sebastião im Stil der italienischen Militärarchitektur der Renaissance. Die große Mehrheit der Bauten folgte südportugiesischen Architekturvorbildern, hier und da unterbrochen von dekorativen arabischen und indischen Fassaden. Ilha de M. profitierte wie alle dortigen Küstenstädte vom aufblühenden Sklavenhandel. Sie wird Hauptstadt der Kolonie, später amtiert hier sogar ein deutscher Konsul und Faktoreien deutscher Handelshäuser siedeln sich an. Dann wendet sich das Blatt. Die ökonomische Basis gerät ins Wanken, als der Sklavenhandel in Verruf gerät (nach 1840) und die Eröffnung des Suezkanals (1869) die profitablen Ostindienrouten weit nach Norden rückt. 1898 schließlich sticht Lourenço Marques (das heutige Maputo) die Ilha als Kolonialmetropole aus.

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Kapelle Santo Antonio auf der Ilha de Mocambique
(Foto: © Nicolas Dierckx de Casterlé - Fotolia.com)

Die schmale Insel hat gerade `mal eine Fläche von 1,5 km². Einfache, dicht bevölkerte Quartiere mit Dächern aus Palmblättern umringen, was von einstiger „Kolonialherrlichkeit“ die Zeiten überdauerte. Und das ist so bedeutend, dass die UNESCO das Städtchen 1991 in die Liste des Weltkulturerbes aufnahm. Herausragend die Capela de Nossa Senhora do Baluarte, erbaut 1522 und vermutlich das älteste europäische Gebäude in der südlichen Hemisphäre, das schon erwähnte Fort São Sebastião, der Palacio de São Paulo von 1674, einst Gouverneurssitz, die Moschee und der Hindu-Tempel, die Kirche der Miseriacordia von 1535, heute Museum, und als Erinnerung an einen großen Landsmann die Statue des Luís de Camões, der hier um 1570 das portugiesische Nationalepos „Os Lusíadas“ (Die Lusiaden) vollendete. Sein Thema: Vasco da Gamas Entdeckung der Seeroute nach Indien.

Den artenreichen Gilé-Nationalpark im Schatten des steilwandigen Gilé-Inselbergs und das Büffel-Reservat von Marromeu nahe dem Sambesi-Delta wird die Reisegruppe auslassen. Auch die ursprünglich geplante Tour am Sambesi hinauf in die Provinz Tete zum Cabora-Bassa-Stausee muss aus Zeitgründen ausfallen.

Noch einmal auftanken im Schatten von Kasuarinen-Bäumen am herrlich weißen Sandstrand Praia da Zalala, dann ertönt das Signal zum Aufbruch. Entlang riesiger Kokosnußpflanzungen und vorbei an Teeplantagen durchquert der Konvoi auf dem Weg in die Hafenstadt Beira die zentrale Provinz Sofala. Beira, 1891 als Endpunkt der Eisenbahnlinie von Harare und Mutare in Simbabwe gegründet, konnte eine Prise portugiesischen Kolonialflairs bis in die Gegenwart bewahren, besonders spürbar noch rund um den Kern der Altstadt. Attraktive Strände sind ganz nahe, doch im Vordergrund steht jetzt die günstige Flugverbindung zu einem der berühmtesten Nationalparks im Süden Afrikas, dem Gorongosa. Im April 2008 wurde er nach den Bürgerkriegswirren und anschließender Neubelebung für das Publikum wieder geöffnet. Seine früheren Bestandszahlen sind noch nicht erreicht, aber das Management ist zuversichtlich. Tiertransporte u. a. aus südafrikanischen Reservaten werden fortgesetzt, der Schutz der unterschiedlichen Ökosysteme verstärkt und die Einführung des Ökotourismus zur Bewahrung der natürlichen Grundlagen des Parks und um der lokalen Bevölkerung Einkommensquellen zu eröffnen, gilt als weiteres vorrangiges Ziel. Über 400 Vogelarten leben im Gelände. Die Zahl der Elefanten lag 2007 bei 300 (mit deutlicher Aufwärtstendenz!), Hunderte von Flusspferden und Tausende von Antilopen wurden gezählt: Gorongosa ist wieder ein Erlebnis!

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Die stundenlange Fahrt von Gorongosa nach Vilankulo führt durch abgelegene Dörfer zurück an die endlosen Sandstrände am Indischen Ozean. Hier kann man in kleinen „casitas“ (Holzchalets) und ganz passablen Hotels Quartier beziehen oder zu den am Horizont treibenden Bazaruto-Inseln übersetzen. Der Archipel ist populär unter Gutbetuchten in Johannesburg und Durban, in Swasiland und natürlich Maputo, die bequem über den kleinen internationalen Airport von Vilankulo einschweben können. Die fünf Inseln werden stärker frequentiert als der Qirimbas-Archipel, doch in der Hand des Jetsets südafrikanischer Prägung sind sie nicht. Noch ist die Natur weitgehend intakt. Es gibt kilometerlange Strände und riesige Sanddünen, eine artenreiche Vogelwelt, prachtvolle Korallenbänke und eine Unmenge Meeresbewohner. Hotels gibt es auch, nicht viele und nur vom Feinsten, mit eigenem „airstrip“ und auch nur auf Bazaruto Island und Benguerra Island, die drei anderen Inseln sind klein bis winzig und bieten keine Unterkünfte. Wer am (fast) leeren Strand entspannen möchte, hat mit den Bazarutos die richtige Wahl getroffen. Auch Naturliebhaber kommen hier auf ihre Kosten, Taucher zumal, denn gerade Bazaruto Island zählt zu den besten geschützten Tauchrevieren Afrikas.

Das Städtchen Inhambane liegt gut drei Stunden Fahrzeit südlich von Vilankulo. Hier war es, wo Vasco da Gama im Januar 1498 zum ersten Mal seinen Fuß auf ostafrikanischen Boden setzte. Der alte arabische Handelsposten entwickelte sich unter portugiesischer Kontrolle rasch zu einem bedeutenden Umschlagplatz für Sklaven und Elfenbein. Wie die Überlieferung berichtet, wurden von hier unvorstellbare Menschenmengen nach Übersee verschleppt – von 15.000 in manchen Spitzenjahren ist die Rede. Für Freunde portugiesischer Kolonialarchitektur ist Inhambane ein Highlight wegen seiner Vielzahl historischer Bauwerke. Wer sich dagegen am Wasser entspannen will, hat die Wahl zwischen einigen der schönsten mosambikanischen Sandstrände.

Für einen Abstecher ins Binnenland, in die Nachbarprovinz Gaza, gibt es gute Gründe, denn hinter dem Namen Great Limpopo Transfrontier Park verbirgt sich ein zukunftsweisendes Projekt in Gestalt eines länderübergreifenden Wildparks, der ursprünglich den südafrikanischen Krüger Nationalpark und den simbabwischen Gonarezhou Nationalpark sowie die mosambikanischen Nationalparks Zinave und Banhine umfassen sollte. Mittlerweile wurde das Projekt gestutzt und wird fürs Erste statt der geplanten 100.000 km² nur etwa 35.000 km² Gelände einbeziehen, darunter Landschaften von eigenwilliger Schönheit wie flussnahe Galeriewälder, hügeliges Buschland, Sandzonen, Mopane-Wälder. Zumeist ist das Terrain unwegsam und nur mit dem Geländewagen zu erkunden. Eine gute Kondition sollte man schon mitbringen. Doch die artenreiche Tierpopulation - allen voran die „big five“ - lässt alle Strapazen vergessen.

Nach einem 15-Minuten-Hüpfer mit dem Kleinflugzeug noch einmal einen halben Tag an den Stränden der Inhaca Insel die Seele baumeln lassen, ehe Maputo die Reisegruppe mit einem packenden Kontrastprogramm begrüßt. Hässliche sozialistische Wohnblocks und himmelstürmende Glasfronten begegnen selbstherrlicher Architektur der portugiesischen Kolonialzeit und der einst geometrisch angelegte Stadtkern, die „cidade de cimento“ (Zementstadt) der Wohlhabenden stößt übergangslos an ein Meer von Wellblech- und Strohdächern der Habenichtse in der „cidade de caniso“ (Strohstadt). Schöne Plätze, Grünanlagen, großzügige Alleen schaffen Freiraum, einer der besten Naturhäfen Ostafrikas boomt und die Slums und Notquartiere platzen aus allen Nähten, eine wache Latino-Kultur mit viel Musik und Kunst und einem im südlichen Afrika unerreichten Nachtleben setzt selbstbewußte Akzente. Blendend weiß strebt die katholische Kathedrale an der Praca de Independencia in die Höhe, nebenan weht die grün-schwarz-gelbe Nationalflagge mit den revolutionären Symbolen Hacke, Buch, Kalaschnikow über der Statue des Samora Machel, des langjährigen Chefs der FRELIMO und ersten Staatspräsidenten des Landes. Ein paar Straßen weiter hat sich kein geringerer als Gustave Eiffel mit der „casa do ferro“, dem Eisenhaus, verewigt, das eigentlich nicht in dieses Klima passt – man sieht es ihm an – und das meinte auch der portugiesische Gouverneur, der hier eigentlich residieren sollte. Und auch der phantastische Bahnhof, der wohl schönste Afrikas und siebentschönste der Welt, wie „Newsweek“ herausfand, soll Eiffels Werk sein. Baubeginn 1908, eingeweiht 1910, selbst das ist strittig und die Urheberschaft Eiffels sowieso, drei portugiesische Architekten sollen es gewesen sein. Wie es war, früher in Lourenço Marques, erfährt man in der Fortaleza, dem Fort von Maputo, und wer sich noch nicht für die Rückreise mit Andenken eingedeckt hat, stößt auf Unmengen kunstvoll Geschnitztes auf dem Mercado do Pau.

Eckart Fiene

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