Vollklimatisiert durch die Wüste

Im Desert Express durch Namibia

Text und Fotos: Markus Howest

Freudestrahlend schweift ihr Blick über die endlos geraden Schienen gen Horizont, wo sich die Bergkette im afrikanischen Abendrot abzeichnet. Dann blickt sie hinüber nach links – zum Lokführer – lacht, gestikuliert und plaudert aufgeregt. Alice Aademar aus Zürich ist Gast im Desert Express und nicht irgendein Gast; sie ist stolze Gewinnerin des Zug-Quiz und fährt jetzt im Cockpit vorne mit, neben Lokführer und Assistenten. Sie hat errechnet, dass der Zug in den zehn Tagen seiner Strecke durch weite Teile Namibias etwa 2200 Kilometer zurücklegt – ganz nach alter Manier mit einem Faden über der Landkarte.

Namibia - Desert-Express - Blick aus Lok

Blick aus der Lok

Von Windhoek aus zuckelt die amerikanische GI Diesel-Lokomotive los, gut 20 Stunden Richtung Süden bis zur Station Holoog, einem Haltepunkt im Nichts – nie schneller als 60 km/h. Hier entlässt der Express erstmals seine 40 Passagiere für einen Ausflug in den Fish River Canyon, mit 161 Kilometern Länge, 27 Kilometern Breite und 549 Metern Tiefe der zweitgrößte der Erde nach dem Grand Canyon in den USA. Und im Vergleich zu seinem berühmteren Pendant ganz ohne jeden Massenansturm, wie jeder Besucher wohltuend feststellt. Eine sanfte Brise legt sich über die Weite des Canyons, man hört vor allem eins – Stille, nichts als Stille.

Namibia - Desert-Express - Fish River Canyon

Blick in den Fish River Canyon

„Genau die richtige Mischung“, lobt Alice Aademar das abwechslungsreiche Programm zwischen Gleis und Canyon. Nach einer mehrstündigen Exkursion mit dem Bus über die Pads, jene naturbelassenen Schotter- und Sandstraßen, freut sie sich auf den vollklimatisierten Zug und seine herzliche Besatzung. Zugmanagerin Angela Doëses sorgt dafür, dass die Crew ihre Aufgaben mit reichlich Charme bewältigt. Die 38-jährige vom Stamm der Tamara war von Anfang an dabei. Die Wagons Springbok, Oryx, Spitzkoppe, Kokeboom oder Weltwitschia, benannt nach Tieren, Pflanzen und Landschaften Namibias, nahmen vor zehn Jahren nach knapp zweijähriger Bauzeit ihren Dienst auf. „Der damalige Präsident Dr. Sam Nujoma weihte am 3. April 1998 das stolze Juwel ein“, erinnert sich Angela Doëses. Seither befördert der Luxuszug Touristen auf dem 3227 Kilometer langen Schienennetz des Landes, darunter auch auf der Strecke, die 1899 noch unter deutscher Kolonialverwaltung erbaut wurde - von Windhoek nach Swakopmund. Am wichtigsten sei jedoch die Wüstentour - Angelas Lieblingsroute, weil sie Menschen aus aller Welt kennen lernt. Die Gäste kommen vor allem aus Japan, England, Südafrika und Deutschland. „Die Deutschen mögen es pünktlich und Südafrikaner feiern gern“, weiß Angela um die Eigenschaften ihrer Gäste. Und wenn es Probleme gibt, hat die Zugmanagerin gut vorgesorgt. An jedem der Bahnhöfe auf der Strecke stehen Mechaniker in Bereitschaft. „So werden mögliche Defekte an der Klimaanlage oder im Sanitärbereich schnell repariert.“ Auch die medizinische Versorgung kommt nicht zu kurz, dafür ist Bordarzt Horst Bunte zuständig. Der Arzt aus Hannover gehört seit vier Jahren zur Crew des Desert Express und versorgt die Patienten bei Erkältungen, Kreislaufproblemen und Magen-Darm-Krankheiten, den häufigsten Wehwehchen an Bord.

Namibia - Desert-Express - Wagon-Springbok

Wagon Springbok

Gelb-braune Gräser zieren den ausgedörrten Boden, ein verlassener Bahnhof mit verwaister Bar zieht am Abteilfenster vorbei, einige hundert Meter weiter spielen Kinder nahe am Gleis – sie starren dem Zug winkend nach. „Im Süden des Landes leben nur sieben Prozent der 1,9 Millionen Namibier“, erklärt Inge Hugo, zuständig für die Landeskunde im Desert Express, „in erster Linie von der Viehzucht.“ Zwei Drittel der Bevölkerung besiedeln den wesentlich fruchtbareren Norden. Und weil die ehemaligen Kolonialmächte die Grenzen willkürlich und quer durch Stammesgebiete gezogen hätten, seien im Land die verschiedensten Ethnien ansässig – „ein Vielvölkerstaat“, sagt die temperamentvolle Südafrikanerin mit österreichischen Vorfahren. Drei Sprachgruppen mit über 30 Dialekten kursieren, Englisch sei Amtssprache, Africaans und Deutsch nach wie vor verbreitete Sprachen im Alltag.

Die älteste Wüste der Welt

Namibia - Schotterpiste

Schotterpiste in die Namib

Kurz nach Sonnenaufgang, um sechs, erreicht der Sonderzug Mariental, von hier kämpft sich der Bus über die Pads in die älteste Wüste der Welt – die Namibwüste, in der Sprache des Stammes der Nama „große Ebene“. Schnurstracks führt die Schotterpiste durch die gelb-braune Savanne, zugleich ein ausgedehntes Hochplateau. Links der Piste die Kette der Nuris-, rechts die Zaris Berge - und immer wieder Tafelberge wie mit dem Lineal gezeichnet. Über mehrere so genannte Abbruchstufen gelangt man über die C27 zur Namib. Nach dem Eintritt in den Namib-Naukluft-Nationalpark prägen rote Sanddünen die Landschaft, davor Kameldorn- und Anabäume sowie weitere endemische Sträucherarten, die abgestorben und vertrocknet wirken. „Sie schlagen schon nach geringen Regengüssen wieder aus“, beteuert Inge Hugo. In der Ferne grast eine Herde Oryx-Antilopen, das Wappentier Namibias, vereinzelt sieht man Springböcke, die elegant und grazil das Weite suchen. Nur zu erahnen ist das Flussbett des Tsanchab River, der durch den Sesriem Canyon führt – „im März führte er zuletzt Wasser“, weiß die Reiseleitung. Nach weiteren Kilometern über die vorübergehend asphaltierte Straße ist die Düne 45 erreicht. Sie gehört zum Sossus Vlei, einer Lehmbodensenke, um die sich die bis zu über 300 Meter hohen Dünen gruppieren. „Numeriert werden sie wegen der besseren Orientierung“, erklärt Wüstenliebhaberin Hugo.

Namibia - Namib Wüste - Aufstieg auf die Düne 45

Aufstieg auf die Düne 45

Der Anstieg auf die Spitze der Düne lohnt sich: von hier schweift der Blick über die weite Dünenlandschaft bis hinüber zum Dead Vlei. „Eine riesige Mulde mit toten Bäumen, die bis zu 800 Jahre alt sind“, erklärt die engagierte Südafrikanerin. Bizarr und wie gemalt wirken die Baumstämme in der verkrusteten Mulde mit den roten Sanddünen als Kulisse. Ein Bild, das auch beim abendlichen Dinner in der naheliegenden Sossus Vlie Lodge, noch nachwirkt.

Namibia - Namib Wüste - Dead Vlei

Im Dead Vlei

Für die letzte Etappe mit dem „Juwel der Wüste“ führt die Route zunächst per Bus durch das „grandiose Nichts“, jener rund 200 Kilometer langen Pad bis zur Walvis Bay am Atlantik mit seinem kalten Benguela-Strom, „der maßgeblich für die Entstehung der Namibwüste verantwortlich ist“, wie es aus dem Buslautsprecher ertönt. Feinhalmige Gräser überziehen wie ein samtener Pelz ein Meer aus Granitgesteinhügeln, mit jedem Kilometer gen Küste verwandelt sich dieses Panorama mehr und mehr in eine öde Steppe ohne jede Vegetation.

Vom wichtigen Containerhafen Walvis Bay aus ist es nur eine halbe Stunde bis nach Swakopmund, der wohl deutschesten Stadt Namibias. Koloniale Architektur, wohin das Auge blickt. Die Stadt an der Mündung des Swakop erinnert besonders bei nebelverhangenem Himmel eher an eine deutsche Kleinstadt an der Nordseeküste als an einen afrikanischen Küstenort. „Für die Namibier ist es ein Seebad mit angenehmem Küstenklima“, versichert Inge Hugo.

In den Etoscha-Nationalpark

Namibia - Etosha-Nationalpark - Spitzkoppe

Die Spitzkoppe, das Matterhorn Namibias

In Swakopmund steht der Desert Express bereits in den Startlöchern. Mit frischem Brot, Milch, Früchten und Gemüse bestückt schleicht der Wüstenzug von hier über die Spitzkoppe, dem Matterhorn Namibias und durch das Otavi-Hochland in Richtung Etoscha-Nationalpark. An Kilometer 74 auf der Bahnstrecke nach Angola hält der Sonderzug ein letztes Mal. Zum letzten Mal wartet auch eine Lodge auf die Zuggäste, diesmal umgeben von Namibias vielseitiger Tierwelt und gelegen an der Pforte zur gigantischen Etosha-Salzpfanne - seit über 100 Jahren ein Wildschutzgebiet mit einer Fläche so groß wie die Schweiz. Auf einer Safari in den frühen Morgenstunden passieren Giraffen den Weg, springen Antilopen über Gräser und Büsche, genießt eine träge Löwenfamilie den Schatten unterm Akazienbaum, badet ein Elefantenpaar im Wasserloch und dutzende Zebras weiden in der weiten Savanne.

Namibia - Etosha-Nationalpark - Giraffe

Giraffe im Etosha-Nationalpark

Vereinzelt ziehen auch auf den letzten gut 15 Stunden Zugfahrt zurück nach Windhoek Antilopen und Strauße vom Abteilfenster vorbei – im stillen und ganz langsam verläuft der Abschied auf den Gleisen mit immerwährendem Blick auf die gelb-braune Landschaft im gleißenden Sonnenlicht Afrikas. Für die meisten eine Entdeckung im Rhythmus der Langsamkeit.

Namibia - Desert-Express - Abendstimmung

Abendstimmung an den Gleisen

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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