Neuseelands einzige Millionenstadt

Ein Reiseführer durch Auckland

Text und Fotos: Sissi Stein-Abel

Auckland ist eine seltsame Stadt. Es hat genügend Attraktionen, um Besucher mindestens eine Woche lang zu fesseln. Aber wer kein Auto hat, kann die wenigsten genießen, denn die meisten liegen ein ganzes Stück außerhalb des Zentrums, und die chronisch verstopften Straßen machen so manchen Trip zum Geduldsspiel. Das Beste an Neuseelands einziger Millionenstadt ist sicherlich die Umgebung. Aber auch im Kern der „City of Sails“ befinden sich einige Juwele, wie das War Memorial Museum, Kelly Tarlton’s und der Albert Park. Und das Wasser, das die Metropole umgibt, hat seinen eigenen Zauber.

Neuseeland - Auckland, „City of Sails“

„City of Sails“

In Neuseeland sind sich alle, die nicht in Auckland wohnen, einig, dass die einzige Millionenstadt der Nation, in der ein Viertel aller Neuseeländer leben, so ziemlich das Letzte ist. Und die Leute sowieso: Sie seien arrogante, oberflächliche und ignorante „Latte Sippers“, also Leute, die ihre Tage damit verbringen, Latte Macchiato zu schlürfen, ihre Nächte Chardonnay trinkend in Bars verbringen und sich einbilden, sie seien die Größten, bloß weil sie in der Metropole des Landes wohnen. Wer sich auf einer Urlaubsreise an, sagen wir, der Westküste der Südinsel seltsam benimmt, sieht sich mit der Frage konfrontiert: „Bist du aus Auckland?“ Im Gegenzug halten die Aucklander so ziemlich jeden für unzivilisiert, der nicht jeden Morgen stundenlang mit ihnen im Stau steht. Die Sichtweise ändert sich mit jedem Umzug: Wer Auckland den Rücken kehrt, will nie wieder zurück. Wer nach Auckland zieht, fragt laut, warum er so lange damit gewartet hat.

Aucklander begegnen der Kritik der Auswärtigen gerne mit dem Spruch, sie litten unter dem „Tall Poppy Syndrome“, dem Neid auf Leute, denen es besser geht, die mehr können und haben. Die Rückfrage folgt prompt: Neid worauf? Auf die Staus, die unerschwinglichen Grundstücke und Häuser, die astronomischen Parkgebühren oder die unerträglich schwül-heißen Sommer?

Neuseeland - Auckland - Aspiration Skulptur mit dem Sky Tower

Aspiration Skulptur mit dem Sky Tower

Auf den ersten Blick ist Auckland eine attraktive Großstadt, erbaut auf 48 (und noch nicht erloschenen!) Vulkanhügeln, umspült vom Wasser des Pazifischen Ozeans und der Tasmansee, genau an der engsten Stelle der Nordinsel. Die Landenge ist so schmal, dass es für den Durchgangsverkehr nach Northland, den fernen Norden der Nation, keinen Weg um die Metropole herum gibt. Jeder, der in Nord-Süd-Richtung reist, muss sich durch Auckland quälen. Das, gepaart mit einem nur unzulänglich entwickelten öffentlichen Nah- und Fernverkehrssystem, führt während der Stoßzeiten zum täglichen Chaos auf den Straßen, dem man außerhalb der Schulferien nur an den Wochenenden entrinnt.

Die Inselwelt vor Auckland

Obwohl der Großraum Auckland mehr als eine Million Einwohner hat, mehr als die komplette Südinsel, trifft man nicht überall auf Menschenmassen, wenn sich der Berufsverkehr erst einmal aufgelöst hat. Am schönsten ist’s allerdings, wenn man der Großstadt den Rücken kehrt. Das findet idealerweise auf einem Boot oder einer Fähre statt, die zahlreiche Inseln im Hauraki Gulf ansteuern, ob nun die für Wein und weiße Strände bekannte Waiheke Island, den von schwarzem Geröll und Lavafeldern überzogenen weit auslaufenden Vulkankegel Rangitoto, das von tierischen Feinden geräumte Vogelparadies Tiritiri Matangi oder weiter draußen die noch ziemlich authentische Great Barrier Island. Auf Motuihe Island wurde am Ende des Ersten Weltkriegs der deutsche Graf Felix Luckner gefangen gehalten, auf Kawau Island steht ein herrliches Herrenhaus, in dem einst Sir George Grey, Neuseelands erster Gouverneur, wohnte.

Neuseeland - Tiritiri Matangi

Tiritiri Matangi

Ohne wenigstens eine dieser Inseln zu besuchen oder eine Hafenrundfahrt zu machen, ist kein Auckland-Besuch vollständig, denn das Meer und die unzähligen schönen Strände definieren die „City of Sails“, die Stadt der Segel. Während Delfin- und erst recht Wal-Touren öfter mal von Misserfolg begleitet sind und im Gegensatz zu anderen Orten kein Teil des Ticketpreises rückerstattet wird, ist ein Törn auf einer der Originaljachten des America’s Cups immer ein Erlebnis, auch wenn es für Segel-Novizen gewöhnungsbedürftig ist, in Schräglage in der Luft und mit dem Allerwertesten nur Zentimeter über der Wasseroberfläche zu hängen.

Waiheke Island (1) ist aufgrund ihrer Nähe (nur 35 Minuten Überfahrt) und Infrastruktur die populärste der mehr als 50 Inseln des Hauraki Gulfs, und die Weinliebhaber-Insel ist bequem zu besichtigen. Am Pier stehen Busse für Rundfahrten bereit, auch mit öffentlichen Bussen kommt man zu manchen Orten und Stränden. Für Individualisten gibt’s Mietwagen und Mopeds.

Auckland - Waiheke Island

Strand auf Waiheke Island

Weitaus einzigartiger sind jedoch Rangitoto (2) und Tiritiri Matangi, wenngleich sich Rangitoto eigentlich nur für Wanderer empfiehlt. Wer nicht bloß die gut angelegten Pfade zum Aussichtspunkt auf dem Gipfel nutzen will, sondern eine längere Tour plant, sollte dies nur in guten Trekkingschuhen tun, denn der raue Lavauntergrund ist anstrengend. Auch eine Kopfbedeckung und Sonnenschutz sind unerlässlich, weil die meisten Wege außerhalb des Waldes verlaufen und die Sonne gnadenlos auf das schwarze Gestein brennt.

Wo Takahes und Kakarikis leben

Tiritiri Matangi (3), 30 Kilometer nördlich von Auckland gelegen, kombiniert auf ideale Weise angenehmes Wandern und die Beobachtung seltener Vögel, die man sonst allenfalls in einem Tierpark zu sehen bekommt. Einst nacktes Farmland, pflanzten freiwillige Helfer zehntausende Bäume und Büsche und verwandelten es in ein grünes Paradies.

Neuseeland - Tiritiri Matangi - Takahes

Takahe

Die Stars in der feindfreien Umgebung sind die Takahes, jene riesigen dunkelblau-türkisen flugunfähigen Purpurhühner mit den knallroten Schnäbeln und Füßen. 50 Jahre lang hatten Ornithologen geglaubt, sie seien ausgestorben, ehe 1948 wieder ein Takahe gesichtet wurde. Überleben können die Vögel nur in eingezäunten Schutzgebieten auf dem Festland und auf Inseln wie Tiritiri Matangi, denn sie haben – wie zu Urzeiten, als noch keine Menschen, Katzen, Hunde und Possums in Neuseeland lebten – keinen Sinn für Gefahren. Sie lassen sich von Wanderern nicht stören, stapfen gemächlich durchs Gras und fressen und trinken vor klickenden Kameras.

Andere Vögel wissen diese perfekten Bedingungen ebenfalls zu schätzen. Der ebenfalls nur in Neuseeland vorkommende Ziegensittich (Kakariki), der von Farmern und Obstbauern nahezu ausgerottet worden war, labt sich am Nektar von Flachsblüten, ebenso der schwarze und im Sonnenlicht blau und grün schimmernde Tui mit seinen weißen Federbäuschen unterm Schnabel. Wer Glück hat und zur richtigen Jahreszeit übersetzt, mag Pinguine in ihren Nistboxen sehen. Insgesamt erfreuen sich 78 Vogelarten des gefahrlosen Lebens auf der kleinen Insel.

Neuseeland - Leuchtturm auf Tiritiri Matangi

Leuchtturm auf Tiritiri Matangi

Die Überfahrt dauert 1:15 Stunden. Lediglich 150 Besucher sind täglich zugelassen. Man kann nach einer Einführung durch einen Ranger die Insel auf eigene Faust erkunden (vier bis fünf Stunden) oder an einer geführten kurzen Tour teilnehmen. Am Leuchtturm kann man in einer einfachen Unterkunft sogar übernachten, muss aber Schlafsack und Proviant mitbringen.

Im Zentrum von Auckland

Neuseeland - Auckland - knallig-ockergelbes historisches Hafengebäude

Knallig-ockergelbes historisches Hafengebäude

Doch zurück nach Auckland, das aufgrund seiner Weitläufigkeit schwer zu erfassen ist. Es wirkt wie eine Ansammlung eintöniger Vororte, nicht wie eine Metropolis. Das Zentrum erstreckt sich entlang der Queen Street (7), die direkt zum knallig-ockergelben historischen Hafengebäude führt, an dem die Boote zu den Inseln ablegen. Um die Mittagszeit lassen sich unten an der Kaimauer an der Quay Street die Büroangestellten die Sonne auf die Nase scheinen und essen ihre Sandwiches oder Sushi. Stundenlang könnte man hier sitzen und Menschen und Schiffe beobachten.

Neuseeland - Auckland - America’s-Cup-Jachten im Viaduct Harbour

America’s-Cup-Jachten im Viaduct Harbour

Einen Steinwurf entfernt legen die riesigen Kreuzfahrtschiffe neben dem wie eine solche schwimmende Luxusherberge aussehenden Hilton-Hotel an. Ein paar Schritte weiter liegt der für den America’s Cup 2000 mit teuren Appartement-Gebäuden, eleganten Restaurants und Bars umgebene Viaduct Harbour, der Einheimische und Touristen anlockt. Hier legen auch die America’s-Cup-Jachten zu ihren regatta-ähnlichen Ausflügen ab.

Neuseeland - Auckland - Sky Tower

Sky Tower

Rund 600 Meter stadteinwärts liegt der Sky Tower (8), mit 328 Metern der höchste Turm der südlichen Hemisphäre. Von der Aussichtsplattform und vom rotierenden Restaurant bietet sich bei Tag und Nacht ein grandioser Blick über die 48 Hügel der Stadt und das glitzernde Meer. Zum Sky-City-Komplex gehören auch ein Hotel, Casino, mehrere Restaurants, Cafés und Bars, und wie so viele Orte in Neuseeland kann man sich auch hier an ein Seil geknüpft in die Tiefe stürzen. Der SkyJump ist allerdings eine entschärfte Bungy-Jump-Variante, und Menschen ohne Gleichgewichtsstörungen können beim SkyWalk 192 Meter über der Erde rund um den Turm wandeln.

Neuseeland - Auckland - Devenport

Devenport

Der herkömmliche Sprung am Bungy-Seil ist an der Hafenbrücke (Harbour Bridge) (9) möglich, und wer’s braucht, kann auch über die Brückenstreben wandeln. Wer dabei die Augen offen hält, erblickt den Sky Tower und im Norden die beiden Hügel des hübschen Vororts Devonport (10). Auf einem der grasigen Anhöhen dieser Halbinsel liegt das von 1886 bis `89 erbaute Fort Takapuna. Noch ein bisschen weiter nördlich lockt der Strand von Takapuna mit unverbautem Blick auf Rangitoto. Der North Shore ist ohnehin ein dankbares Ziel, denn man kann auf der Fähre jeden Stau umgehen.

Neuseeland - Auckland - Civic Theatre

Civic Theatre

Auckland ist nicht gerade gesegnet mit herausragenden historischen Gebäuden, sieht man einmal vom Civic Theatre mit seinen goldenen Elefanten und Buddhas im Inneren und der edwardianischen Town Hall mit ihrer großartigen Akustik ab. Zum Glück gibt’s die hübschen und vom Zentrum leicht zu erreichenden Vororte Parnell und Ponsonby. Hier stehen noch zahlreiche romantisch anmutende viktorianische Holzhäuser, einige privat genutzt, andere zu heimeligen Restaurants, Cafés und Läden umfunktioniert.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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