Auf den Spuren der Maler

Von Haarlem über Delft nach Den Bosch

Text und Fotos: Ulrich Traub

Bei Haarlem denken wahrscheinlich mehr Menschen an ein falsch geschriebenes Viertel in New York als an eine holländische Stadt. Dabei hat diese durchaus die älteren Rechte. Seinen Boom erlebte der Ort im so genannten Goldenen Zeitalter des 17. Jahrhunderts, in dem Haarlem eine der reichsten Städte der Welt war. Wie an vielen anderen Stellen der Niederlande erlebten auch hier die Künste eine Blütezeit.

Niederlande - Blick auf die Altstadt von Haarlem

Blick auf die Altstadt von Haarlem

Nicht erst in unseren Tagen gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Reichtum und den Künsten. Aber damals führte der Wohlstand, der sich der Leinenweberei und dem Export von Bier verdankte, weniger dazu, in Kunst zu investieren. Die reichen Haarlemer engagierten die Maler vielmehr, um sich porträtieren zu lassen – gerne auch in Gruppen. Kein Künstler malte so kraftvoll und lebensecht wie der aus Flandern vor den Spaniern geflohene Frans Hals. Seine Bilder von feiernden und zechenden Schützengilden bieten tiefe Einblicke in die Welt der reichen Haarlemer Kaufleute.

Niederlande - Frans-Hals-Museum in Haarlem

Frans-Hals-Museum in Haarlem

Werke des berühmtesten Sohnes der Stadt zeigt das Frans-Hals-Museum, das in den Gebäuden eines Wohnhauses für bedürftige Männer aus dem 17. Jahrhundert untergebracht ist. Ironie des Schicksals: Es heißt, dass auch der Maler selbst, der Zeit seines Lebens an Geldmangel litt, hier seinen Lebensabend verbracht haben soll.

Niederlande - Haarlem - St.-Bavo-Kirche

St.-Bavo-Kirche

In die Welt der einstigen Wirtschaftswunderstadt Haarlem (1) taucht man aber nicht nur beim Betrachten der Bilder von Frans Hals und seinen Zeitgenossen ein. Auch der Ort mit vielen stolzen Bürgerhäusern aus jener Zeit ist ein Abbild des Goldenen Zeitalters. Die St.-Bavo-Kirche, die ihren Beinamen Grote Kerk zurecht trägt, da sie wie ein wuchtiger gotischer Koloss die Dimensionen der vom Flüsschen Spaarne umflossenen Altstadt zu sprengen scheint, ist mit ihrer massigen Dominanz ebenfalls ein Zeuge der früheren Bedeutung Haarlems. Natürlich haben die Maler auch den Grote Markt rund um die Kirche festgehalten. Wer die Bilder im Frans-Hals-Museum mit der Gegenwart vergleicht, wird feststellen: Viel hat sich hier nicht verändert.
Die wohlhabendsten Bürger der Stadt fanden in der Bavo-Kirche ihre letzte Ruhestätte. Dass sie als „reiche Stinker“ bezeichnet wurden, lag daran, dass es aus ihren frischen Gräbern nicht selten etwas strenger roch. Auch Frans Hals liegt hier begraben - ein vermögender Verwandter machte es möglich.

Niederlande - Hofje in Haarlem

Hofje in Haarlem

Die „reichen Stinker“ sind jedoch nicht nur durch ihre genussbetonten Porträts unsterblich geworden. Deutliches Zeichen ihrer wirtschaftlichen Potenz sind die Hofjes: versteckte, von kleinen Häusern eingefasste Innenhöfe, in denen Bedürftige ein Zuhause fanden. Mit diesen Stiftungen versuchten die reichen Haarlemer, als Wohltäter ihren Ruhm zu sichern. Man darf die verwunschen wirkenden Hofjes besichtigen. Aber um Ruhe wird gebeten.

Einen Zeitgenossen von Frans Hals trifft man in Delft (2). Anders als der Haarlemer Maler ist Jan Vermeer in seiner Geburtsstadt nicht durch Originale vertreten. Stattdessen lockt ein mit vielfältigen Dokumenten ausgestattetes Informationszentrum in Leben und Werk des Künstlers. Die 37 Vermeer zugeschriebenen Bilder sind als Reproduktionen zu sehen. In einem nachgebildeten Atelier kann man sich in die Arbeitsweise des Künstlers vertiefen und in einer seiner Bildkulissen Platz nehmen.

Niederlande - Historisches Stadttor in Delft

Historisches Stadttor in Delft

Ansicht von Delft“ heißt eines der bekanntesten Werke Vermeers. Ein Rundgang folgt seinen Spuren und führt zu der Stelle, von der aus der Maler sein Motiv in den Blick genommen hat. Ein historisches Stadttor, der Turm der Neuen Kirche und die historische Dächerlandschaft – man hat nicht den Eindruck, dass rund 350 Jahre vergangen sind.

Delft ist nicht nur die Stadt Vermeers (und der Keramik), sondern trägt auch den Beinamen Prinzenstadt. Hier wurde 1584 der Statthalter Willem von Oranien ermordet, der den Aufstand gegen die spanischen Besatzer anführte. Seitdem werden die Mitglieder des niederländischen Königshauses in der Neuen Kirche in Delft zu Grabe getragen. Dem Prunk der Oraniergräber steht die schlichte Platte, die in der Alten Kirche an Jan Vermeer erinnert, entgegen. Auch er verstarb arm und hinterließ seiner Frau Schulden – etwa beim Bäcker. Dessen Haus ziert neben vielen weiteren Gebäuden aus jenen Jahren die Altstadt. Auch in Delft ist das Goldene Zeitalter sichtbar geblieben.

Niederlande - Marktplatz in Delft

Marktplatz in Delft

Die Zeit des Befreiungskrieges gegen die Spanier wird auch in ’s-Hertogenbosch (3)wach gerufen. Hier wird man von der Zitadelle begrüßt, von der aus die Stadt, die alle nur Den Bosch nennen, verteidigt wurde. Dem größten Sohn Den Boschs begegnet man auf dem ausladenden Marktplatz. Hieronymus Bosch steht dort mit Palette und Pinsel sowie mit kritischem Blick auf seine Stadt schauend vor dem Haus, in dem er lebte und arbeitete.

Niederlande - Denkmal für Hieronymus Bosch in Den Bosch

Denkmal für Hieronymus Bosch

In seinen phantastischen Bildern zeigte der Maler die Welt als eine von Ungeheuern, die jedem Fantasy-Streifen zur Ehre gereichen würden, bewohnte Hölle. Im Hieronymus-Bosch-Art-Center, das sich in einer ehemaligen Kirche befindet, betritt man die Welt des Künstlers wie ein Filmset. Nachbauten seiner Monster und Fabeltiere - fliegende Saurier, auf denen Harfe gespielt wird, oder Bucklige mit Langnasen und -ohren - baumeln von der Decke oder erwarten den überraschten Besucher auf der Orgelempore. Man steigt in Boschs Atelier hinab oder hinauf in den Kirchturm zu den Bildreproduktionen.

Niederlande - Hieronymus Boschs Atelier in Den Bosch

Boschs Atelier

Auch auf dem Bummel durch die historische Stadt entdeckt man hier und da – etwa am Ufer der Binnendieze - eigenartige Gestalten: Überbleibsel der jährlich im Juni stattfindenden Bosch-Parade mit Interpretationen seiner Werke. Mittelpunkt Den Boschs ist die wohl schönste gotische Kirche der Niederlande. Berühmt sind die seltsamen Menschen- und Tiergestalten, die die Strebepfeiler der St.-Jan-Kathedrale schmücken. Wer weiß, vielleicht haben sie sogar den Maler inspiriert.

Niederlande - Menschen- und Tiergestalten in der St.-Jan-Kathedrale in Den Bosch

Menschen- und Tiergestalten in der St.-Jan-Kathedrale

Hieronymus Boschs Visionen sind zum Glück nicht eingetroffen. In der Stadt mit ihren vielen Kneipen und Restaurants scheint es sich gut leben zu lassen. Auch in der ehemaligen Festungsstadt Den Bosch - eigentlich muss man es nicht mehr erwähnen - ist viel vom historischen Erbe im Stadtbild erhalten geblieben. Es macht wie in den anderen Künstlerstädten Spaß, sich durch die Gassen treiben zu lassen, vorbei an alten Fassaden, hinter denen nicht selten ein kleiner, unabhängiger Einzelhandel ausgewählte Waren anbietet. Auch das ist beneidenswert.

 

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