Reiseführer Bergen

Tour 1: Bryggen - das hanseatische Erbe Bergens (Teil 3)

Zur Zeit der Hanse

Welche Bedeutung die Hanse als Handelsbund einst besaß, spiegelt sich nicht allein in Bryggen wider, sondern auch im nahe gelegenen Kaufmannshaus, an dem die Wappen der Hansestädte Hamburg und Lübeck am Giebel zu sehen sind.

Hanseatisches Museum in Bergen, Norwegen

Das Hanseatische Museum

Insbesondere das Hanseatische (Hanseatisk) Museum  – untergebracht im Finnegården, einem der am besten erhalten gebliebenen Holzgebäude der Stadt – erzählt die Geschichte einer der vier wichtigen ganzjährigen Hanseniederlassungen. Neben Brügge, London und Nowgorod war es Bergen, das als Außenstation – auch Kontor genannt – eine wesentliche Rolle im Verbund der über 200 Hansestädte einnahm. Nur auf der Ostseite des Hafens war es den deutschen Handelsleuten erlaubt, sesshaft zu werden und ihren Geschäften nachzugehen. Die deutschen Kaufleute lebten in einer Art Ghetto. Wichtigstes Handelsgut war der Stockfisch, so wichtig, dass er neben der Hälfte des Adlers sogar ein Siegel des Deutschen Kontors ziert. Die Handelsprivilegien, die die deutschen Kaufleute in Norwegen besaßen, waren allerdings erkauft: 148 Kilo Getreide pro Schiff, das einen norwegischen Hafen anlief, mussten entrichtet werden.

Eine hanseatische Männergesellschaft

Frauen waren innerhalb der deutschen Niederlassung nicht zugelassen. So bestand in Bryggen eine reine Männergesellschaft aus Lehrjungen, den Gesellen und den Kaufleuten. Unter den Gesellen gab es solche, die für den Holz- und den Bierkauf und die Geschäftskorrespondenz sowie die Aufsicht über Hof und Schütting zuständig waren. Gemeinsam lebten sie in so genannten Stuben, so wurde das eigenständige Handelsunternehmen bezeichnet, das seinen Platz in den langen Häuserreihen hatte. Zu jedem Hof gehörte neben Schuppen und Kran auch ein feuerfestes Stein- und ein Versammlungshaus.

Schütting in Bergen, Norwegen

Das Versammlungshaus der deutschen Kaufleute - der Schütting

Beim Besuch des Hanseatischen Museums kann man die Kaufmannskanzlei ebenso besichtigen wie die so genannte äußere Stube, die in den Sommermonaten als Esszimmer der Gesellen und Lehrjungen diente. Zwischen der Gesellenkammer und der Sommerkammer des Handelsverwalters befindet sich die Lehrjungenkammer mit vier engen und niedrigen Schrankbetten. Durch die Lage der Kammer waren die 14 oder 15-jährigen Lehrjungen unter ständiger Kontrolle. Schlugen sie dennoch über die Stränge, so gab es Hiebe mit der Knute.

Warme Mahlzeiten gab es nur im Schütting (Schøstuene) , da in diesem Versammlungshaus auch gekocht werden durfte. Einmal im Jahr wurde im Schütting, auch Schötstube genannt, Gericht gehalten. Als Strafe für Vergehen wurde beispielsweise der Kauf von Bier für die Schötstube verlangt. Das galt unter anderem für alle, die trotz Verbots sich mit Bergenser Frauenzimmern eingelassen hatten und Vater geworden waren. Doch diese Strafe erscheint milde, war der „Übeltäter“ doch vom gemeinsamen Biertrinken nicht ausgeschlossen. Die Schötstube diente außerdem als Klassenzimmer für die Lehrjungen, die Schreiben, Rechnen und Warenkunde erlernen mussten. Dass die historischen Schötstuben vor dem Abriss bewahrt werden konnten, durch den Teile des hanseatischen Bergen im ausgehenden 19. Jahrhundert vernichtet wurden, kann heute als ein Glücksfall angesehen werden. So kann man sich bis heute noch ein Bild von dem Alltag in einer hanseatischen Männergesellschaft machen.