Österreich an einem Tag – ein Besuch im Österreichischen Freilichtmuseum in Stübing

Wer ein wenig Abwechslung zu einem Stadtbesuch in Graz braucht und zudem mit Kindern in der steirischen Landeshauptstadt weilt, der ist gut beraten, einen Ausflug nach Stübing zu unternehmen. In einem kleinen Seitental am Ortsrand von Stübing erstreckt sich das Gelände des Österreichischen Freilichtmuseums, das in einzelnen Baugruppen und Ausstellungen das dörfliche Leben im Burgenland ebenso vorstellt wie das in Tirol und in der Steiermark. Im Gegensatz zu anderen europäischen Freilichtmuseen wie Skansen (Stockholm) oder Maihaugen (Lillehammer) ist das in Stübing in den Sommermonaten nicht bewohnt. Es finden also keine Inszenierungen des bäuerlichen Alltags statt, jedoch bietet ein reicher Veranstaltungskalender die Möglichkeit, ins traditionelle Handwerker- und Bauernleben einzutauchen. Ein besonderer Festtag findet in Stübing jeweils am letzten Sonntag im September statt, wenn das Brauchtum mit Volksmusik und traditionellem Handwerk gepflegt wird.

Österreich - Reiseführer Graz - Umland Glockenturm

Aus dem Burgenland: Glockenturm aus Schallendorf bei St. Michael

Dass das Leben auf dem Lande in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten nicht gerade ein Luxusleben war, zeigt ein Blick in den kleinräumigen, eingeschossigen Streckhof aus Neustift bei Güssing (Burgenland). In diesem Blockbau drängen sich Stube, Kammer, Stall, Scheune und Rauchküche unter einem Dachfirst. Luxus war gewiss die von der Küche aus zu beheizende Stube mit ihrer einfachen, wenn auch gediegenen Einrichtung. Zum Ensemble aus dem Burgenland gehört auch ein Glockenturm in Ständerbauweise, dessen Glocke bei Feuer ebenso läutete wie zum Gebet. Lebensmittel und Kleidung wurden in einem Speicherbau verstaut. Der im Museum präsentierte stammt aus Unterschützen. Typisch für die Bauernhöfe vergangener Tage ist auch der Taubenschlag. Der hiesige Schlag mit 48 Taubenwohnungen stand ursprünglich in Schwarzmannshofen.

So lebten die Köhler

Wie Köhler und Holzknechte lebten, kann man sich angesichts der Köhlerhütte aus St. Jacob im Walde vorstellen. Es war eine einfache Unterkunft mit offenem Herdfeuer und schlichter Schlafpritsche. Hier nächtigte der Köhler, wenn der Meiler brannte. Der Kohlenmeiler aus Großstübing ermöglicht einen Eindruck von der Holzkohleerzeugung, bei der getrocknetes Holz um einen aus Stangen errichteten Feuerschacht geschichtet und mit Reisig, Rasen und Erde abgedeckt wurde. Eine Holzknechthütte aus der Bärenschützklamm ist ebenso zu sehen wie ein Sägewerk mit sogenanntem Venezianergatter, das durch ein oberschlächtiges Wasserrad betrieben werden konnte. In der benachbarten Seilerei aus Feldbach, einem langen hallenartigen Gebäude, wurden noch bis vor wenigen Jahrzehnten aus Hanf- und Flachsgarnen Seile und Stricke gedreht.

Steirisches Landleben

Waren wir am Eingang des Museums noch im Burgenland, so sind wir unterdessen in die Steiermark „weitergereist“. Hier kann man die Brechelhütte, die fünf Bauern zum Flachsbrechen diente, ebenso bestaunen wie die über zwei parallel liegende Mahlgänge verfügende Getreidemühle aus Feistritz bei Birkfeld. Das Gebäude mit dem neun Meter hohen Turm, das wir erblicken, ist nicht etwa eine kleine Kapelle mit Bretterschalung, sondern das Feuerwehrhaus aus Reitern. Im Turm wurden die Wasserschläuche zum Trocknen aufgehängt, während nebenan die übrige Ausrüstung wie Löschkübel, Pickel, Helme und Uniformen verwahrt wurden. Leckereien für Groß und Klein gibt es im Bauernhaus „Niggas“ aus Rauschegg. Beim Betreten des Krämerladens sieht man noch die Regale, in denen die offene Ware gelagert wurden. Von Bonbons über Schuhputzcreme bis hin zu Zucker und Kaffee konnte man in einem solchen Dorfladen alles erstehen. Naschereien gibt es auch heute noch in diesem Laden zu kaufen.

Österreich - Reiseführer Graz - Umland Bauernhaus Niggas

Krämerladen im Bauernhaus "Niggas"

Leben im Rauchstubenhaus

Auf einer kleinen Anhöhe liegt ein Bauerngehöft aus der Oststeiermark, darunter ein Rauchstubenhaus aus Sallegg, das aus dem 18. Jahrhundert stammt. Aus Bruchsteinen sind der Stall und der Keller gemauert. Völlig erhalten ist die Rauchstube, der Koch-, Ess- und Wohnraum der Bauernfamilie. Hier steht auch eine Wiege für die Jüngsten. Unter der Sitzbank wurden die Hühner des Nachts gehalten, damit der Fuchs sie nicht holen konnte.

Österreich - Reiseführer Graz - Umland Rauchstubenhaus

Aus der Nordoststeiermark: Rauchstubenhaus "Sallegger Moar" aus Sallegg bei Birkfeld

Typisch für eine Rauchstube ist die Doppelfeuerstelle, der offene Herd und der damit verbundene Ofen. Über der Feuerstelle ist ein Funkenhut angebracht, sodass der Rauch unter den Rändern hervorquoll, sich im Raum verteilte und teilweise über die Rauchluke in der Stubentür abzog. Ein Bienenstand aus Fischbach, ein Getreidekasten aus Wenigzoll und eine Viehtränke aus Feistritz sind Bestandteil des im Museum inszenierten oststeirischen Gruppenhofes. Das Haus, das ursprünglich als Brechelstube zum Brechen von Flachs diente, wurde im Zuge der Allgemeinen Schulordnung 1799 in eine Schule für bis zu 70 Kindern umgewandelt. Harte Schülerbänke und die Schiefertafel gehörten selbstverständlich zur damaligen Ausstattung. Unübersehbar hängt ein Kruzifix an der Wand des Klassenraumes dieser einklassigen Volksschule.

Vom Murtal nach Oberösterreich

Steigen wir hinab von der „oststeirischen Anhöhe“, so durchwandern wir anschließend das Murtal, wo unter anderem der Einhof „Säuerling“ aus Einach steht. Bei diesem Hof  stoßen Wohnhaus und Stadel stumpf aneinander und werden im Bereich der Mauerbank von einem gemeinsamen Dach überwölbt. Einige Schritte weiter wird auf einem kleinen Acker Korn angebaut. Am Rand des Feldes steht eine Köse aus Dellach (Kärnten). Dabei handelt es sich um ein überdachtes Trockengerüst, das zum Nachtrocknen von Maistroh und Getreide diente. Wegen des so genannten römischen Mauerwerks des Obergeschosses über einem Erdgeschoss mit Kratzputz hebt sich der Vierkanthof von St. Ulrich (Oberösterreich) von anderen, zumeist aus Bruchstein oder aus Holz erbauten Gehöften ab. Der Bau gruppiert sich mit seinen vier Trakten um einen Innenhof. An der Vorderfront befindet sich der Wohnteil des Hauses einschließlich der Rauchküche. Gegenüber der Stube stößt man auf den Pressraum, in dem im Herbst der Most erzeugt wurde. Die Schlafräume befinden sich im Obergeschoss des Hauses, darunter ist auch die so genannte Hohe Stube mit einer prächtigen Stuckierung und bemalten Bauernmöbeln. Zum Gehöft gehören außerdem Stallungen mit Tonnen- und Gurtengewölbe sowie Scheune und Vorratsräume. Mit dem Waldviertlerhof aus Rammelhof besitzt das Museum noch einen weiteren Vierkanthof.

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Vierkanthof aus St. Ulrich bei Steyr

Käsemachen auf der Alm

Dass es nicht nur derartige wehrhafte Bautypen auf dem Land gab, sondern auch andere unterstreicht die Almsiedlung des Museums mit der Sennhütte aus dem Durlaßboden und Almhütten von der Limmeralm und aus dem Sattental. Das Leben auf der Alm wird außerdem in der Alphütte von Mittelargen im Bregenzerwald sichtbar. Bis zum Sommer 1977 wurde diese Hütte als Kuhalpe von 80 Weidebesitzern aus Schwarzenberg betrieben. In jener Zeit wurden noch täglich einige hundert Liter Milch zu Käse verarbeitet, eine Arbeit, die in aller Herrgottsfrühe um 4 Uhr begann. Das Ausmaß der Hütte ist gewaltig und beträgt 20 x 30 Meter. 80 Kühe hatten in dieser großen Hütte Platz. Der Baukörper ist komplett von einem äußeren Schindelmantel umhüllt. Allein das 540 qm große Dach ist mit 50000 Scharschindeln in fünffacher Überdeckung  eingedeckt.

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Almhütte von Mittelargen

Österreichischen Freilichtmuseum
A-8114 Stübing
Tel.: +43 (0) 3124 / 53700
service@freilichtmuseum.at
Öffnungszeiten
01. April - 31. Oktober
täglich 9.00 - 17.00 Uhr (Einlass bis 16.00 Uhr) 
http://www.freilichtmuseum.at

 

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