Liebliches Land, rescher Tropfen

Eine Weinreise in die Weststeiermark

Text und Fotos: Ulrich Traub

„Mein Gott, ist das steil hier.“ Einer spricht aus, was alle denken. Das Tal scheint nur einen falschen Tritt entfernt zu sein. Obwohl der Boden nicht rutschig ist, machen wir unwillkürlich kleine, etwas tapsige Schritte. Und immer wieder bleiben wir stehen, um in Ruhe die Aussicht zu genießen. Schön hier, auch da sind sich alle einig.

Österreich - Nichts trübt den Blick: Impression auf der Schilcher-Weinstraße

Nichts trübt den Blick: Impression auf der Schilcher-Weinstraße

Was sich anhört wie eine Klettertour im Gebirge, ist tatsächlich eine Wanderung in den Weinbergen im Schilcherland in der Weststeiermark. Wir sind umzingelt von Wein. Hügel mit Rebstöcken so weit das Augen reicht. Die Weinlagen, die aus der Ebene rund um das Städtchen Stainz über die sanften Hügel bis an die steilen Hänge der Sonne entgegenstreben, prägen das Bild dieser Landschaft schon seit Jahrhunderten. Dass das, was hier wächst, von besonderer Qualität ist, meint man, dieser Gegend sogar ansehen zu können.

Österreich - Standesgemäß: Ein Schloss krönt den Weinberg im Winzerort Stainz

Standesgemäß: Ein Schloss krönt den Weinberg im Winzerort Stainz

Hier ist der Blaue Wildbacher zuhause. „Aus dieser Rebsorte, die man seit dem 16. Jahrhundert kennt und die nur in dieser Gegend wächst, wird einer der berühmtesten Roséweine der Welt gekeltert“, erklärt Freddy Maier. „Fragen Sie mal die Leut, wie der bekannteste Weststeirer heißt“, rät der Weinexperte schmunzelnd. „Da werden Sie schnell von einem gewissen Schilcher hören. So heißt unser Rosé und der ist bekannter als der Erzherzog Johann, der hier gelebt hat.“

Österreich - Weststeiermark - Kein Hügel ohne Reben: Blick in die Weinberge von Greisdorf

Kein Hügel ohne Reben: Blick in die Weinberge von Greisdorf

Natürlich wird nach der Wanderung auch Schilcher verkostet. Beeindruckt von dem traumhaften Panorama des sanft schwingenden Auf und Ab der Weinhügel bei Greisdorf, die sich vor der Terrasse ausbreiten, wird der erste Schluck des berühmten Rebsaftes gekostet. Die Enttäuschung ist uns anzusehen. Der Schilcher ist knochentrocken und resch, wie man hier sagt, also ziemlich sauer. Nein, zu dieser lieblichen Landschaft will dieser Tropfen zunächst nicht recht passen.

Winzergattin Gabriele Klug lächelt: „Unser Wein hat eben einen ausgeprägten Charakter – wie die Menschen, die hier leben.“ Ob wir uns vorstellen könnten, in dieser Umgebung einen schweren, samtigen Rotwein zu trinken, fragt Freddy Maier und kennt die Antwort. Allmählich kommen wir auf den Geschmack. Wir arbeiten uns zu den Fruchtnoten vor und schmecken Beeriges. Aromen von Erdbeere, Himbeere oder Johannisbeere prägen die verschiedenen Weine. Auch die Säure wirkt nun angemessen und belebend. „Außerdem passt seine Leichtigkeit doch gut zu den milden Temperaturen.“ Die Winzerin ist sich sicher, dass es bald ein paar Schilcher-Fans mehr geben wird.

Österreich - Weststeiermark - Bald ein Schilcher-Fan mehr? Winzerin Gabriele Klug gibt Auskunft im Weinberg

Bald ein Schilcher-Fan mehr? Winzerin Gabriele Klug gibt Auskunft im Weinberg

Viele Kilometer kann man auf den Spuren des legendären Weines zu Fuß oder mit dem Rad rund um Stainz wandern. Von Greisdorf führt die Strecke über den Hügelgrad in Richtung Reinischkogel in die Höhe. Schnell werden die ersten Almen und der Bergwald sichtbar. Hier findet das Schilcherland seine natürliche Grenze. Bevor man den Aufstieg wagt, sollte man sich in einer der typischen, von vielen Winzern betriebenen Buschenschänken stärken.

Über den Rebhügeln und unter Weinspalieren sitzend lässt man es sich gerne gutgehen. Neben Wein und Saft gibt es Pasten, Brotzeitteller mit Wurst und Käse sowie Süßspeisen – alles aus eigener Herstellung und zu höchst zivilen Preisen. Auch das gesunde Kürbiskernöl, das die Salatsoßen verfeinert, hat hier seine Heimat. Im Schilcherland ist man stolz auf seine regionalen Produkte. Sie sind das ABC der Speisen- und Getränkekarten - selbst in der Lounge-Bar in Stainz.

Österreich - Weststeiermark - Regionale Produkte sind das ABC der Speisen- und Getränkekarte: Restaurant in Stainz

Regionale Produkte sind das ABC der Speisen- und Getränkekarte: Restaurant in Stainz

„Ich wollte schon als Kind am liebsten im Weinberg sein“, erinnert sich Stefan Langmann. Das hat sich offenbar nicht geändert, wie die zahlreichen Auszeichnungen für den Winzer vom Langegg andeuten. Rosé-Weine lägen im Trend, weiß Langmann. „Aber uns geht es nicht darum, es jedem Geschmack recht zu machen. Wir wollen individuelle und markante Weine keltern.“ Schilcher sei eine Lebenseinstellung, formuliert der junge Winzer sein Credo. Und weil das so ist, produziert er eine weitere Spezialität, den Schilcher-Sekt, selbstverständlich schön fruchtig.

Und woher kommt eigentlich der Begriff Schilcher? „Halten Sie Ihr Achtel mal zum Licht“, rät Stefan Langmann. In tiefem Rot und in strahlendem Blassrosa glitzern unsere verschiedenen Schilcherweine in der steirischen Sonne. Schilcher kommt eben von Schillern, lernen wir. Und der Begriff sei eine geschützte Sortenbezeichnung. „Schilcher gibt es nur bei uns. Er ist ein echtes weststeirisches Original.“

Österreich - Weststeiermark - Steirische Jause – nicht ohne Schilcher

Steirische Jause – nicht ohne Schilcher

Mit weiteren Stationen schlängelt sich die touristische Schilcher-Weinstraße von Nord nach Süd am Fuß der Berge entlang. Sie führt über Stainz und Deutschlandsberg, deren Schlösser natürlich von Rebstöcken flankiert werden, bis fast an die slowenische Grenze. Die Route ist eine von nicht weniger als acht Weinstraßen in der Steiermark, aber die einzige, die nach einem Wein benannt ist.

 

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