REIHE UNTERWEGS

Ein „Monopol“ aus dem Kaiserreich

Zur Krautinger-Woche in die Wildschönau

Text und Fotos: Axel Scheibe

Es ist nicht allzu selten, dass man auf Tiroler Pfaden auf die Spuren der alten K und K Monarchie trifft. Und ebenfalls nicht selten geschieht das im Zusammenhang mit Kaiserin Maria Theresia. Diese Herrscherin muss, sicher in Maßen, ein gutes Herz und Verständnis für ihre teils bettelarmen Untertanen gehabt haben.

Mehr noch als in anderen Landesteilen war im kargen Hochtal der Wildschönau der Hunger ständiger Gast in den kleinen Stuben der armen Landarbeiter. Das bewog Maria Theresia dazu, den Wildschönauern als einzigen Untertanen im Reich das Recht zu gewähren, aus der weißen Stoppelrübe Schnaps zu brennen. So kam die Krautingerrübe nicht mehr nur als typisches Arme-Leute-Essen auf den Tisch, sondern erwärmte fortan auch die Gemüter der Rübenbauern. Das war in der Mitte des 18. Jahrhunderts.

Österreich - Wildschönau - Zauberwinkel, eine der malerischsten Ecken im Tal

Zauberwinkel, eine der malerischsten Ecken im Tal

Feuchtkalter Nebel hat sich in den Seitentälern festgesetzt. Tief ziehende Wolken komplettieren die herbstliche Stimmung. An sich logisch. Anfang Oktober haben sich nicht nur die Bäume ein buntes Kleid angelegt sondern auch die weniger angenehmen Seiten dieser Jahrzeit wollen mitspielen. Kein Problem für Sonja Seisl und ihre 9 Begleiter. Sonja ist eine der Wanderführerinnen der Wildschönau und in diesem Fall unterwegs auf den Spuren des Krautingers, oder anders gesagt, der weißen Stoppelrübe.

Österreich - Wildschönau - Theresia Prosser vom Schellhornhof baut die Rüben für Ihren Krautinger natürlich auf dem eigenen Feld selbst an

Theresia Prosser vom Schellhornhof baut die Rüben für Ihren Krautinger natürlich auf dem eigenen Feld selbst an

Höfe-Wanderung nennt sich das Projekt, das seit zwei Jahren zur traditionellen Krautingerwoche dazu gehört. Nachdem die unscheinbare Rübe über viele Jahrzehnte ein Schattendasein fristete, sind es nun wieder 15 Krautingerbrenner, die sich dieser wahrlich nicht einfachen Profession verschrieben haben. Über 300 Jahre nach Maria Theresias Dekret feiern Schnaps und Rüben gleichermaßen eine Renaissance. Vor den Krautinger-Wanderern steht eine gemütliche Tour mit drei Höfen. Ganz verschiedene Brenner hat sich Sonja dafür ausgesucht. Im Schellhornhof geht es urgemütlich und sehr rustikal zu. Theresia Prosser steht hier an der Brennblase. Doch nicht nur dort. Zuerst heißt es die Rüben auf dem eigenen Acker zu züchten. Das passiert bei Theresia Prosser alles händig. Viel Arbeit also, bevor der erste Tropfen aus der Brennblase ins Glas tropfen kann. Kaum mehr als 100 Flaschen sind es pro Jahr. Also gerade genug um reichlich der „Arznei“ im Haus zu haben und auch Freunde und Bekannte damit zu beglücken. Apropos beglücken. Seine ganz speziellen Eigenheiten hat der Krautinger nicht nur beim Brennen. Auch beim Trinken verlangt er ganze „Kerle“. Man mag ihn, oder man hasst ihn. So könnte man das Verhältnis der Verkoster dazu auf den Punkt bringen. Jeder Brenner brennt etwas anders, doch sein recht eigenwilliger Geschmack und - noch gefährlicher - der Geruch bleibt gleich. Gleichwohl schwören die Einheimischen auf seine medizinische Wirkung. OK – schaden kann es nicht, besonders bei diesem Wetter, ein Glas zu probieren. Und Hut ab, das was Theresia da in die kleinen Schnapsgläser fließen lässt, ist mehr als nur bittere Medizin.

Österreich - Wildschönau - Die Mon Cheri der Wildschönau – Krautinger Praline

Die Mon Cheri der Wildschönau – Krautinger Praline

Geht die Geschichte des Schellhornhofs zurück bis 1526 kann der Steinerhof in Oberau da durchaus mithalten. Beim Krautinger liegt er freilich meilenweit voraus. Josef Thaler und seine Frau Elfi sind die größten Brenner im Tal. Und, daran sei erinnert, der Krautinger darf bis heute nur in der Wildschönau gebrannt werden. Auch auf dem Steinerhof war die heilende Wirkung des Krautingers über Jahrzehnte in Vergessenheit geraten. Vor rund 20 Jahren war es, als Josef Thaler erst als Spielerei und dann als weiteres Standbein seine Affinität zum Krautinger entdeckte. Rund 4 ha Rüben baut er an. Zweimal im Jahr wird geerntet. Doch auf dem Steinerhof gibt ein weitere Rüben-Spezialität, die ebenfalls, wenn auch auf andere Art und Weise, von innen wärmt, eine wahrlich leckere weiße Rübencremesuppe. Gut gestärkt wandert es sich noch besser. Selbst die Sonne schickt einige vereinzelte Strahlen, als die Gruppe im Zauberwinkel, einem der malerischsten Ortsteile von Oberau, ankommt. Hier wartet Waltraud Schellhorn vom Edhof bereits auf Sonja und ihre Wanderfreunde. Über den Hof zieht der strenge Duft der Rüben, die gekocht werden. Auf den Tisch dagegen kommt ein Rüben-Kuchen. Gerade richtig nach den letzten Wanderkilometern. Und, man mag es kaum glauben, den Höhepunkt setzt die MonCheri der Wildschönau, die Krautinger-Praline.

Österreich - Wildschönau - Johann Schönauer sorgt auf der Schönangeralm für kulinarische Spitzenprodukte

Johann Schönauer sorgt auf der Schönangeralm für kulinarische Spitzenprodukte

Man merkt also, der Krautinger gehört zur Wildschönau wie das Amen in der Kirche. Kein Wunder also, dass die Krautingerwoche Anfang Oktober ein besonderes Highlight im Jahreskreis des Tals ist. Viele Brenner freuen sich besonders dann über Besucher und auch zahlreiche Gastwirte machen mit. Denn, wie bereits bemerkt, die Rübe findet man nicht nur im Glas sondern auch auf dem Teller. So wirbt der Tiroler Hof unter anderem mit seinem Palatschinkne „Rübli“ und Herbert Naschberger, der Thalmühlenwirt mit seinem „Ruam Cordon“. Ein herbstliches Schmankerl, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Ein kleiner Tipp zur Thalmühle. Gemütlicher und rustikaler geht es kaum, das hat sich natürlich herum gesprochen, speziell am Abend geht es ohne Voranmeldung kaum.

Österreich - Wildschönau - Eine Rübenspezialität der Thalmühle: „Ruam Cordon“

Eine Rübenspezialität der Thalmühle: „Ruam Cordon“

Ein Anruf im Vorfeld lohnt auch, wenn man dem Käse-Johann auf der Schönangeralm einen Besuch abstatten möchte. Die Kühe sind zwar längst im Tal, doch auch im Oktober gibt es auf der Alm viel zu tun. Besonders der preisgekrönte Käse will gut umsorgt sein. Abseits des Krautingers, aber typisch für Tirol, brennt Edelbrenner Sigi Kistl auf dem Zwecklhof hoch oben am Berg Obstler vom Feinsten.

Österreich - Wildschönau - Edelbrenner Sigi Kistl mit prüfendem Blick

Edelbrenner Sigi Kistl mit prüfendem Blick

Höhepunkte der Krautingerwoche sind der Museumskirchtag und das Krautingerfestl beim Genusswirt.

Doch damit es nicht nur beim Schlemmen bleibt sollten die Wanderschuhe auf keinen Fall zu Hause bleiben. Auch im Herbst fährt die Markbachjochbahn hinauf zum Ausgangspunkt einer Vielzahl abwechslungsreicher Wanderrouten und eine Wanderung durch die Kundler Klamm gehört eh zum „Pflichtprogramm“ einer Krautingerwoche.

Österreich - Wildschönau - Der Bummelzug kommt von der Kundler Klamm

Der Bummelzug kommt von der Kundler Klamm

Allgemeine Informationen zur Region inklusive interessanter Broschüren und Übernachtungsverzeichnisse erhält man beim Wildschönau Tourismus, Hauserweg, Oberau 337, A-6311 Wildschönau, Tel.: 0043/5339/8255-0, www.wildschönau.com.

Zahlreiche Ferienhotels und Pensionen erwarten die Gäste. Unter anderem das Hotel Auffacherhof (www.auffacherhof.at), ÜF im Doppelzimmer ab 65 Euro/Person oder im Ortsteil Oberau das Hotel Tirolerhof (www.hoteltirolerhof.at) ÜF im Doppelzimmer ab 55 Euro/Person.

Die Anreise in die Wildschönau ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln recht aufwändig. Mit dem Auto verlässt man an der Ausfahrt Wörgl die Inntalautobahn. Die Weiterfahrt in die Wildschönau führt über Wörgl und ist gut ausgeschildert.

 

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