Betelnüsse und Hummerkrabben
Wir treiben das Kajak durch ruhige Kanäle, vorbei an schwarzen Höhlen und grün überwucherten Felsformationen, wischen uns die Schweißtropfen von der Stirn, die vom senkrechten Glutball kommen, sind müde, haben Hunger und diskutieren voller Respekt die Strecke offenen Meeres, die wir morgen überwinden wollen.
Ein Biwakfeuer brennt, und das ohrenbetäubende Zikadenkonzert wird nur durch drei Boote unterbrochen, die zielstrebig unseren Strand ansteuern. Ich verwünsche meinen Leichtsinn, das Zelt nicht besser versteckt zu haben, lege die Rettungsraketen bereit, die Angreifer abwehren sollen, verstecke das große Survivalmesser, so dass ich es blitzschnell aus der Scheide ziehen kann und komme mir in dieser Situation kein bisschen lächerlich vor. Wir paddeln abseits der staatlichen Autorität und niemand weiß, wo wir sind. Gegen die sechs Männer habe wir im Ernstfall keine Chance, aber die Handgriffe sind beruhigend.
Ein hölzerner
Anker fliegt in den Sand, die flachen Kiele der Boote knirschen auf
den Strand. Verwegene Gestalten in engen Wickelröcken springen ins knietiefe
Wasser. Auf die Fersen gelehnt, hocken sich die Fischer um unser glimmendes
Feuer, versuchen Konversation. "Woher, wohin? Damit?" Sie
lachen und zeigen schwarz gefärbte Zähne. Sie kauen Betel und spucken
zielsicher einen dunklen Speichelstrahl an den Fuß der Kokospalme. In
Palau betelt fast jeder, immer und überall, und wölbt eine dicke Backe,
gefüllt mit einer halben Nuss, garniert mit Kalk und einer halben Zigarette:
Palau-Doping. Die sanfte Droge rötet die Schleimhäute und zerfrisst
die Zähne zu braunen Stümpfen. Stolz, Freundlichkeit und Wohlwollen
sprechen aus den Gebärden. Wir wundern uns, dass ein Fischer ein Armband
aus den Wirbeln der Seekuh trägt - das steht nach altem Brauch nur Häuptlinge
an. Sechs Steinkrabben streckt die einzige Frau unter ihnen Ingrid zu,
prächtige, zwölf Zentimeter breite Exemplare. Aufgeblasenen Backen machen
ihr Gesicht noch buddha-ähnlicher, als sie unser Feuer anbläst und die
Schalentiere in der Glut gart.
Das
Schäkelmesser beschäftigt Ingrid über Stunden, als sie den gegarten
Köstlichkeiten durch die harten Panzer "auf den Grund" geht.
Lachend heben die Fischer unser schnittiges Kajak an und probieren die
Paddel aus. Fröhlichkeit erfüllt unsere einsame Bucht. Wir sind einer
der ihren, haben zwar ein eigenes Boot, sind aber offensichtlich so
arm, dass wir uns keinen Motor leisten können, leben wie sie am und
vom Meer. Und inmitten einer fantastischen, prähistorischen Landschaft.
Stunden später ist der Spuk vorbei. Die Holzkähne fahren ins glitzernde
Gegenlicht der silbrigen Wellen und hinein in die sinkende Sonne.
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