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Platz des Himmlischen Friedens
(Tian’anmen-Platz)

Pekings wichtigster Platz – mit 50 ha Fläche soll er der größte der Welt sein – liegt heute im Zentrum der Hauptstadt. In der Monarchie noch nicht allgemein zugängig und wesentlich kleiner, entwickelte er sich im 20. Jahrhundert zum Aufmarschplatz der Massen und zum "Ort der Vorfälle".
Zur Kaiserzeit hatte er noch die Form eines T. An der Breitseite im Norden befand sich, wie heute, das Tor des Himmlischen Friedens (Tian’anmen), die Südbegrenzung des Kaiserpalastes, von dem im Schnabel eines goldenen Phönix die kaiserlichen Edikte herabgelassen wurden, damit sie dem Volk verkündet werden konnten.


Tor des Himmlischen Friedens

Für das allgemeine Volk war jedoch auch dieser Platz gesperrt, so daß die Edikte zunächst in die Hand der Beamten gelangten, die in den Ministerien in der Umgebung des Platzes arbeiteten. Direkt am Platz lag im Osten das Kriegsministerium, im Westen das Zivilministerium – symbolträchtig schauten sich die beiden Säulen der chinesischen Verwaltung über den Platz hinweg an.
Am Südende des Platzes lag mit dem Qianmen, das heute zum Teil rekonstruiert ist, der Übergang zwischen Kaiserstadt und Wohnstadt für die Normalsterblichen. Eine breite Allee (heute Qianmen Dajie) führte nach Süden zum Himmelstempel.

Nach dem Sturz der Monarchie (1911) wurde der Platz für die Allgemeinheit freigegeben (selbst Teile des Kaiserpalasts konnten schon besichtigt werden, obwohl der Hof noch eine Zeitlang dort wohnte), und schnell geriet er zum Ort politischer Demonstrationen. Die erste große fand am 4. Mai 1919 statt, nachdem China im Vertrag von Versailles, der den Ersten Weltkrieg beschloß, die Hoheit über die ehemals deutschen Kolonialgebiete in der Provinz Shandong nicht zurückerhielt, sondern die Region einem japanischen Protektorat unterstellt wurde. Studenten und Intellektuelle demonstrierten dagegen sowie für eine Demokratisierung und Verwestlichung Chinas. Aus diesen Demonstrationen entstand die 4.-Mai-Bewegung, die lange Zeit Einfluß auf das chinesische Geistesleben ausüben konnte.

Seine jetzige Größe erhielt der Platz 1959, als zum zehnjährigen Jubiläum der Volksrepublik zehn Prunkstücke stalinistischer Architektur in die Stadt gepflanzt wurden. Zwei davon flankieren heute den Platz, im Osten das Geschichts- und Revolutionsmuseum und im Westen die Große Halle des Volkes, in der Chinas Scheinparlament sowie die allmächtige Partei tagen.
Wenn das Volk einmal sein Schicksal selbst in die Hand nehmen will, wird dies von Chinas Mächtigen gerne als "Vorfall" heruntergespielt. Ein solcher "Vorfall" ereignete sich am 4. April 1976, dem Totengedenktag, an dem zahlreiche Trauernde zum Platz zogen, um an den im Januar verstorbenen und beim Volk beliebten Ministerpräsidenten Zhou Enlai zu erinnern. Sie legten Kränze nieder, die jedoch in der Nacht von der Polizei abgeräumt wurden. Im Hintergrund tobte wieder einmal ein Fraktionskampf in der Kommunistischen Partei. Zhou wurde den "Rechten" zugerechnet, gegen die sich die "Linken" um den ebenfalls kränkelnden "Großen Vorsitzenden" Mao Zedong noch einmal durchsetzten. Zigtausende demonstrierten in den folgenden Tagen gegen den Akt der Entweihung des Totengedenkens, doch Polizei und Armee gingen mit Gewalt und Verhaftungen gegen sie vor. Einige Spitzenkader der "Rechten", darunter Deng Xiaoping, verloren ihre Ämter. Im September starb dann auch Mao, woraufhin die "Viererbande" um seine Witwe Jiang Qing die Macht zu erringen versuchte, was aber letztendlich nicht gelang. 1978 wurden die Spitzenleute der "linken" Fraktion verhaftet, Deng Xiaoping erhielt wieder zentrale Ämter und begann mit seiner Reformpolitik.

Die Reformen betrafen allerdings nur die Wirtschaft, so daß im Frühsommer 1989 neue Demonstrationen gegen die Korruption in der Partei und für Pressefreiheit und Demokratie aufflammten. Mehrere Wochen hielten Tausende von Studenten und Pekinger Bürgern den Platz mit Zelten und täglichen Debatten und Reden besetzt, und täglich zogen mächtigere Demonstrationszüge durch die Straßen. Und das nicht nur in der Hauptstadt, sondern in allen großen Städten. Das Ende ist noch bekannt: In der Nacht vom 3. auf den 4. Juni 1989 rückte die Armee in die Hauptstadt ein und räumte den Tian’anmen-Platz mit Gewalt. Einige Tausend Pekinger kamen dabei ums Leben. Befehlshaber des Massakers waren Deng Xiaoping, Ministerpräsident Li Peng und Staatspräsident Yang Shangkun.
Inzwischen werden alle Demonstrationen auf dem Platz in Sekunden unterbunden, denn jeder zweite Besucher ist Polizist in Uniform oder Zivil. Beliebt sind nur die von der Partei organisierten Massenaufmärsche, die ihre Höhepunkte in der "Kulturrevolution" (1966-69) hatten, als zeitweise eine Million herangekarrter Menschen Mao zujubeln mußten. Im Jahr 1999 war der Platz das ganze Frühjahr über gesperrt, auch über den zehnten Jahrestag des Massakers Anfang Juni, hinter einem hohen blauen Bauzaun verborgen, damit ja keine Aktion an dem symbolträchtigen Ort stattfinden konnte. Ein neues Pflaster wurde verlegt und damit die letzten Zeichen der Panzerketten von 1989 beseitigt. Das 50jährige Bestehen der Volksrepublik wurde am 1.Oktober 1999 mit einer riesigen Militärparade und einem Massenaufmarsch abkommandierter Jubler begangen. Die Zeiten schienen sich kaum geändert zu haben.

Mitten auf dem Platz ragt das fast 40 Meter hohe Denkmal für die Volkshelden auf, eine quadratische Stele mit Inschriften Mao Zedongs und Zhou Enlais sowie Reliefs, die Szenen aus der Revolutionsgeschichte Chinas zeigen.


Blick auf den Platz des Himmlischen Friedens,
im Hintergrund die quadratische Stele vor
dem Mausoleum Maos

Südlich davon, wie der Kaiserpalast auf der zentralen Nord-Süd-Achse der Stadt, steht das Mausoleum Maos, das letzte Zeichen seines unübertroffenen Personenkults, mit dem er sich selbst explizit in eine Reihe mit dem ersten Kaiser von China stellte. Ein größenwahnsinniger Menschenverachter, dessen Wachshülle dort in einer Glaskiste liegt.

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