Zurück in die spanische Kolonialzeit

Arequipa: die heimliche Hauptstadt von Peru

Text und Fotos: Volker Mehnert

 

Peru Arequipa KathedraleArequipa ist ein Juwel: Nur ganz wenige südamerikanische Städte können eine ähnlich harmonische Kolonialarchitektur vorweisen. Schon allein deshalb lohnt sich der Abstecher, vor allem wenn man sowieso im Altiplano, am Titicacasee oder in Cuzco unterwegs ist. Arequipa mag ein wenig abseits der touristischen Routen durch die Kordillere liegen, ein paar Tage Aufenthalt aber ist die Stadt auf jeden Fall wert. Am Ende wird man sogar den Bewohnern Arequipas zustimmen, die sich sicher sind, dass die Hauptstadt Perus eindeutig an der falschen Stelle errichtet wurde.

Eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der Stadt fand lange vor ihrer eigentlichen Gründung statt: Nach der Eruption des Vulkans Chachani verwandelte sich die ausgeflossene Lava über Jahrtausende in ein weißes Gestein, das sogenannte „sillar“ (Foto rechts). Dieser Stein lässt sich leicht bearbeiten, obwohl er gleichzeitig von besonderer Härte und Dauerhaftigkeit ist. Aus ihm errichteten die Spanier während der Kolonialzeit fast alle Häuser, Kirchen und Paläste von Arequipa. Und ihm verdankt Arequipa auch seinen Beinamen „weiße Stadt“, auch wenn Fassaden und Innenräume vieler Gebäude dann später bunt angemalt wurden. Bis in die Gegenwart ist das koloniale Zentrum erhalten, so gut, wie in kaum einer anderen Stadt Südamerikas.

Peru Arequipa Glockenturm

Drei Vulkane bewachen die Stadt

Peru Arequipa FriedhofNähern wir uns heute freilich mit dem Flugzeug oder vom Altiplano aus, dann sind die Gebäude der Altstadt nicht zu erkennen. Längst ist sie, wie in der Dritten Welt üblich, in ihren neueren Teilen über sich hinausgewachsen und ausgeufert. Erhalten geblieben aber ist ihre großartige Lage am Fuß der drei Vulkane Misti, Pichu Pichu und Chachani, die das fruchtbare Tal des Río Chili und die Stadt bewachen.Auf einer Höhe von 2300 Meter über dem Meeresspiegel ist die Luft besonders klar, und die weiß verschneiten Gipfel der Vulkane heben sich großartig gegen den ständig blauen Himmel ab. In Arequipa scheint die Sonne im Schnitt an 360 Tagen im Jahr, was auf dieser Höhe einen ewigen Frühling mit sich bringt.

Dies wird auch den spanischen Konquistadoren gefallen haben, die im Jahr 1540 die Stadt an der Kreuzung zweier Inka-Straßen gründeten. Im Unterschied zum eher kargen Altiplano fanden die Spanier hier ein fruchtbares Tal vor, das sie mit Hilfe von Bewässerung in eine landwirtschaftliche Oase verwandelten. Bis heute wird in Arequipa Obst und Gemüse angebaut, und die Stadt hat sich zum wirtschaftlichen Zentrum des peruanischen Südens gemausert.

Schattige Arkaden im Zentrum

Peru Arequipa Plaza de Armas

Die Arkaden an der Plaza de Armas

Peru Arequipa ConventoEgal wo man durch die engen Gassen der Stadt wandert, ob man sich auf den kleinen und großen Plätzen aufhält oder die alten Brücken überquert - immer ist die verschneite Kordillere gegenwärtig. Manchmal taucht eine Vulkanspitze ganz unvermittelt zwischen den Türmen einer Kirche oder hinter einer Straßenecke auf. Doch der Schnee ist nicht nur fürs Auge da, er garantiert auch den Nachschub an Schmelzwasser, der für das Überleben der Stadt unerlässlich ist.Inmitten des Gewirrs von Häusern, Kirchen und Kolonialpalästen wirkt die Plaza de Armas, der Hauptplatz, wie ein plötzlicher Freiraum für die Aktivitäten der Bewohner. Der Platz ist zweifelsohne einer der schönsten in Südamerika. An drei Seiten stehen mächtige Gebäude aus der Kolonialzeit, deren Front durch schattige Arkadengänge bestimmt ist.

An der vierten Seite des Platzes steht die majestätische Kathedrale, und auch hier bildet der allgegenwärtige Vulkan Misti den eindrucksvollen Hintergrund. Da der Platz leicht zur Kathedrale hin ansteigt, ergibt sich zwischen den jeweiligen Arkaden eine Höhendifferenz von fast einem Meter, was dem Platz sein ganz besonderes Flair verleiht. Am besten lässt sich das Kommen und Gehen von einem der Cafés aus beobachten, die sich im zweiten Stock befinden. Von hier erkennt man auch besonders gut das Zusammenspiel von Palmen, Kirche und Vulkan. Wenn dann am Abend langsam die Lichter der Stadt angehen, sieht man an den Hängen der Berge auch die neuen Stadtviertel Arequipas, die sich immer weiter ausbreiten.

Die Zeit steht still

Peru Arequipa Santa CatalinaGrößte Sehenswürdigkeit der Stadt ist das Convento de Santa Catalina. Dieses Nonnenkloster (Fotos rechts) wurde erst im Jahre 1970 aufgelöst und ist erst seit dieser Zeit für die Öffentlichkeit zugänglich. Auf zwanzigtausend Quadratmetern Fläche zeugt jedes Gebäude und jedes architektonische Detail von der Kolonialzeit. Sogar die Einwohner Arequipas waren damals überrascht von dem vielfältigen Leben, das sich hinter den dicken Klostermauern vierhundert Jahre lang abgespielt haben musste. In völliger Abgeschiedenheit von der Außenwelt lebten seit 1579 bis zu 450 Nonnen mit ihren fast zweitausend Bediensteten und Hilfskräften. Der Convento de Santa Catalina war eine eigene Stadt in der Stadt. Gemäß ihrer Stellung im Orden lebten die Klosterfrauen in winzigen Zellen oder weiträumigen Wohntrakten. Viele verfügten über eine eigene Küche und gesonderte Hauswirtschafts- und Arbeitsräume. Es gab Brunnen und Gärten, Bäder und kleine Parks und sogar eine Wäscherei unter freiem Himmel.

Noch heute lässt der Besucher den städtischen Alltag vollkommen hinter sich, wenn er das Klostergelände betritt, und die Vergangenheit scheint wieder lebendig zu werden. Ohne Eile schlendert man durch die schmalen Gassen, verschwindet hin und wieder in kleinen Innenhöfen, die von Arkaden umgeben sind und studiert in aller Ruhe die bunten Wandmalereien.

In den Patios hängen Blumen, die Häuser sind braun, rot und blau gestrichen, und die kleinen Kapellen bieten immer wieder Gelegenheit zu einem kurzen Innehalten. Manches ist nicht mehr taufrisch, hat einen morbiden Charme, doch genau das macht die Athmosphäre von Santa Catalina aus. Man ist froh, daß hier nichts bis zur Perfektion restauriert und erneuert wurde. Das Leben hier scheint tatsächlich vor Jahrhunderten stehen geblieben zu sein, und der Besucher darf den Zeitsprung in die Epoche des spanischen Besiedlung intensiv erleben.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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