Reiseführer Rom

Marcellus-Theater

Welche überraschenden Resultate Roms Baugeschichte hervorbringen kann, zeigt besonders eindringlich das mächtige antike Halbrund des Marcellus-Theaters, dem ein Renaissance-Palazzo die Krone aufsetzt. Gaius Iulius Caesar hatte das Grundstück nahe dem Tiber erworben. Er ließ die darauf befindlichen Gebäude, darunter einen Tempel der Pietas und den der Diana, niederreißen und gab den Bau des Theaters in Auftrag. Schon damals wurde gemunkelt, dass er unter allen Umständen mit seinem Widersacher Pompeius gleichziehen wollte, der Roms erstes großes Theater aus Stein in den Jahren 61 – 55 v. Chr. hatte erbauen lassen.

Die Arbeiten gingen nur schleppend voran. Jahre nach Caesars Tod (44 v. Chr.) machte Kaiser Augustus das Theaterprojekt zur „Chefsache“, kaufte Gelände hinzu und ließ den Bau vollenden. 13 v. Chr. wurde das Theater von Augustus dem  Andenken seines früh verstorbenen Neffen und designierten Thronfolgers, Marcellus, geweiht.

Anders als ihre griechischen Vorbilder wurden die römischen Theater nicht in einen konkaven Hang eingepasst, der einen weiten Ausblick in die Landschaft gewährte. Das ansteigende Halbrund der römischen Theater, die Cavea, stützt sich vielmehr auf massive Substruktionen (Unterbauten) und hinter der Bühne erhob sich in der Regel eine mehrstöckige Schauwand, die den Blick auf sich zog. Von den ursprünglich drei Stockwerken des Theaters – es erreichte eine Höhe von mehr als 32 Metern – sind noch das erste und zweite erhalten. 41 Arkaden  aus Travertin bilden die Außenseite des Zuschauerraums. Halbsäulen dorischen Stils sind  den Arkaden im Untergeschoss vorgelegt und solche ionischen Stils schmücken die Arkaden im Obergeschoss. Das dritte, heute verschwundene Stockwerk, wies korinthische Stilmerkmale auf. Ausgrabungen brachten marmorne Theatermasken ans Tageslicht, die einst an den Bogenscheiteln angebracht waren. Der Umgang an der Innenseite und die strahlenförmig ansteigenden Mauern unter den Sitzreihen sind aus massiven Tuffquadern gefertigt, diverse Hohlräume und Gewölbe wurden mit dem „römischen Beton“ opus caementicium ausgearbeitet, auch Ziegelsteine kamen z. B. bei der Gestaltung der inneren Wandelgänge zur Anwendung. 

Marcellus-Theater

Knapp 130 m beträgt der Durchmesser des Zuschauerraums. Man schätzt das Fassungsvermögen auf ca. 15.000 Zuschauer. In der Orchestra, der hufeisenförmigen Fläche vor den Zuschauerrängen, nahm die Prominenz Platz, die Senatoren, Priester, Magistratsmitglieder, auf den unteren Rängen die Militärs, weiter oben die freien Bürger und ganz oben gab es Bereiche für Frauen und für  Ausländer. 

Kaiser Vespasian soll sich um Restaurierungen bemüht haben, doch schon gegen Ende des 4. Jahrhunderts diente das Theater als bequemes Reservoir für Baumaterial zur Erneuerung des Pons Cestius (Ponte Cestio), der das rechte Tiberufer mit der Tiberinsel verbindet. Das Marcellus-Theater wurde zur Ruine. 

Marcellus-Theater

Sommerkonzerte unter den Travertinbögen des Theaters

Der eng mit der Kirche liierte römische Patrizierclan der Pierleoni soll im Mittelalter das Theater besessen haben. Vermutlich im 13. Jahrhundert baute die römische Aristokratenfamilie Savelli das Theater festungsartig aus. Papst Honorius IV. war ein Savelli. Später übernahm es die reiche und mächtige Familie Orsini, die den grausamen und größenwahnsinigen Papst Nikolaus III. hervorbrachte, den Dante Alighieri ins „Inferno“ verwies. Aus der Festung der Savelli gestaltete der Maler und Architekt Baldassare Peruzzi im frühen 16. Jahrhundert den Renaissance-Palazzo Orsini.

(Via del Teatro di Marcello)





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