Reiseführer Rom

Palazzo Farnese

Gilt der Palazzo Venezia als exemplarisch für die römische Palazzo-Architektur der Frührenaissance, so wird der Palazzo Farnese, einer der größten Paläste Roms, als das Meisterwerk der römischen Hochrenaissance, als „König der Paläste“ gefeiert. Und alles, was Rang und Namen hatte in Architektur, Baugewerbe oder  Kunst war damals mit von der Partie. Ihr Auftraggeber, der als Humanist und Kunstsammler bekannte Alessandro Farnese, ein mächtiger Kurienkardinal und späterer Papst, scheute keine Kosten und Umstände, um Prominente wie della Porta, da Sangallo, Michelangelo, Vignola, Carracci heranzuziehen, die kostbarsten Materialien zu verwenden und selbst noch aus dem Colosseum etliche Quadersteine und Marmorblöcke herausbrechen zu lassen, um eine Residenz zu errichten, die einer fürstlichen Repräsentation genügte. 

Rom: Palazzo Farnese

Als der Grundstein gelegt wurde (1516), genau ein halbes Jahrhundert nach dem Baubeginn am Palazzo Venezia, lag die Verantwortung in den Händen von Antonio da Sangallo dem Jüngeren, einem früheren Assistenten der zentralen Künstlerpersönlichkeit der Hochrenaissance, Donato Bramante.

Der Palazzo steht allseits frei. Er überragt leicht die ihn umgebenden Bauten. Sein geräumiger Vorplatz war von Anbeginn eingeplant, damit der mächtige Palastkubus Wirkung entfalten kann. Die Fassade weist nur wenig Bossenwerk auf, das sind die grob behauenen Natursteinquader, die das Portal umrahmen und die Gebäudekanten nachdrücklich markieren. Drei Stockwerke mit kräftigen Gesimsen (horizontalen Bändern) – besonders ins Auge fällt das weit vorkragende Dachgesims – gliedern die Frontseite. Rechteckfenster, auf Konsolen unten, von Säulenpaaren eingefasst im mittleren und oberen Stockwerk und überbaut im Wechsel mit Spitz- oder Rundbögen sind Betonungen und Rhythmisierungen, wie sie für die Hochrenaissance typisch waren. Auf diese Weise konnte „die Harmonie des Ganzen“ gesteigert werden. So strömen Kubus nebst Fassade  Ruhe aus, Festigkeit und Geschlossenheit.

Inzwischen war das Jahr 1546 angebrochen, da Sangallo war gestorben, nun kam Michelangelo zum Zuge. Er änderte zunächst die Fensterpartie über dem Portal. Statt eines Giebels erhielt sie seitlich Säulen und Pilaster. Mit dem übergroßen Farnese-Wappen darüber wurde so der Ehrenbalkon zu einem besonderen Blickfang. Dann nahm er sich das obere Stockwerk vor, das er erhöhte und mit dem weit ausladenden Gesims abschloss. Der Effekt war verblüffend, denn nun zeigte sich der Bau mit einer freien, hohen Stirn und wurde oben durch das Dachgesims wie durch einen kräftigen Schlussakkord noch einmal zusammengefasst.

Das Portal öffnet sich zu einer dreischiffigen Durchfahrt in den Innenhof. An ihren Seiten reihen sich dorische Säulen auf, ein Wandrelief wird sichtbar, Halbsäulen und Nischen und das Ganze überdeckt ein aufwändig gestaltetes Tonnengewölbe.

Rom: Palazzo Farnese

Und dann der Innenhof!
Von da Sangallo als großes, regelmäßiges Quadrat entworfen mit umlaufenden Loggien vor den Stockwerken, mit vorkragendem, die Horizontale betonendem Gebälk, mit ionischen Stilelementen, veränderte Michelangelo diese Hofansicht erheblich. So schloss er die Arkaden des 2. Stockwerks an zwei Seiten, im 19. Jahrhundert geschah dies auch mit den beiden anderen Seiten, dann verwandelte er die Loggia des Obergeschosses in eine Fensterfront, gegliedert durch rechteckige, starke Wandpfeiler (Pilaster). Dadurch wurde eine gewisse Einförmigkeit der Stockwerke aufgehoben: unten blieb es bei Sangallos Arkadenbögen, dann, im 2. Stock eine geschlossene Arkadenfront (man erkennt noch die ursprünglichen Arkadenbögen) und darüber eine transparente Fensterfront.

Wenn man auf der Via Giulia die Rückseite des Palazzo passiert, kann man durch ein Gartentor einen Blick auf die Gartenanlagen und die rückwärtige Fassade werfen, die von Michelangelos Nachfolgern Giacomo della Porta und Jacopo Vignola ganz im Sinne des Meisters gestaltet wurde. Eine Loggia mit drei Arkaden ziert das Obergeschoss und es wiederholt sich das Wappenmotiv der sechs Lilien der Familie Farnese. 

Noch bevor die letzten Handschläge an der Fassade vorgenommen wurden (1589), hatte schon Ranuccio Farnese den Maler Francesco Salviati mit den ersten Fresken im „Salotto dipinto“, dem Gemäldesalon, beauftragt. Nach ihm schuf Annibale Carracci seine berühmten Wand- und Deckengemälde in der großen Galerie und im intimen „Camerino“, dem kleinen Zimmer des Kardinals („Herkules am Scheideweg“). Zeitweise unterstützt von seinem Bruder Agostino entstanden brillante, freizügige, ironisch interpretierte Darstellungen der Liebschaften der Götter, hinreißend die Szene, in der Juno den Göttervater Jupiter bezirzt. In einem der riesigen Säle stand anfänglich der berühmte „Ercole Farnese“, eine antike, aus den Caracalla-Thermen stammende Herkules-Statue, zusammen mit dem „Toro Farnese“, dem Farnese-Stier. Die riesigen Skulpturen zählen heute zu den Hauptattraktionen des neapolitanischen Museo Nazionale di Capodimonte.

Der Palazzo Farnese und andere prominente römische Immobilien im Besitz der Familie, ihre kostbaren Kunstsammlungen und das farnesische Herzogtum Parma-Piacenza gingen nach dem Ausbleiben männlicher Erbfolger in den Besitz des Herrschergeschlechts der Bourbonen über, nachdem die Herzogtochter Elisabetta Farnese den spanischen König Philipp V. 1714 geehelicht hatte. Der Grande auf dem spanischen Thron entstammte einer Nebenlinie der Bourbonen. Andere Fürsten der europaweit verzweigten Familie herrschten in Neapel-Sizilien und übernahmen auch Parma-Piacenza. Erben der Farnese wurden die neapolitanischen Bourbonen. 1874 vermieteten sie Teile des römischen Palazzo an Frankreich, das seinem Botschafter hier eine opulente Residenz einrichtete. Zugleich bezog die École Française de Rome einige Zimmerfluchten. Sie ist ein staatliches Forschungsinstitut, das sich mit Geschichte, Archäologie und Sozialwissenschaften befasst. Mussolini missfielen die Besitzverhältnisse. 1936 kaufte er den Palazzo zurück und verpachtete ihn zugleich auf 99 Jahre an Frankreich. Beide Einrichtungen, die Botschaft und die Ècole, haben dem Palazzo die Treue gehalten. Der Botschafter amtiert im Prunksaal, den Salviati mit der Darstellung des Epos der Farnese-Dynastie, den „Fasti Farnesiani“, ausschmückte. Die Farnese hatten keinen Geringeren als Aeneas, den Ahnherrn des römischen Volkes, zu ihrem Stammvater erkoren. . .

Die Salons mit ihren herrlichen Gobelins, die schönen alten Spiegel, die Deckengemälde und Bildergalerien, die hölzernen Fensterläden, Brokatvorhänge, Terrakotta-Fußböden, das alte Mobiliar – vieles davon kann besichtigt werden, vorausgesetzt, man hat eine schriftliche Anfrage an die Botschaft gerichtet: Ambassade de France en Italie, Piazza Farnese 67, 00186 Rom oder einfacher: visitefarnese@france-italia.it

Brunnen vor dem Palazzo Farnese

Den perfekt proportionierten Vorplatz des Palazzo mit seinen eleganten Fassaden und wenig Betriebsamkeit schmücken zwei dreiteilige Brunnen. Was wie eine Badewanne aussieht, war tatsächlich eine. Badelustige nutzten sie einst in den luxuriösen Anlagen der Caracalla-Thermen. 1626 baute man die schwergewichtigen Granitwannen als Mittelbassins ein, verpasste ihnen einen grazil geschwungenen Brunnenaufsatz und krönte diesen mit den Blütenblättern der Lilie, die das Wappen der Farnese wie auch der Bourbonen schmückt. 

(Piazza Farnese) 





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