Reiseführer Rom

Ponte Sant Àngelo - Engelsbrücke

Sie galt als die schönste Brücke der Antike. Roms Kaiser Aelius Hadrian ließ sie zwischen 121 und 134 n. Chr. zusammen mit seinem kolossalen Grabmal, dem Mausoleum Hadriani, das man heute Engelsburg nennt, errichten. Pons Aelius, wie die Brücke ursprünglich nach dem Familiennamen des Kaisers hieß, stellte die Verbindung zwischen dem dicht besiedelten Stadtzentrum am Tiberknie und dem Grabmal jenseits des Flusses her. Später, in christlicher Zeit, nahm die Bedeutung der Brücke von Jahr zu Jahr zu. Auslöser dafür waren die endlosen Ströme von Pilgern. Ihr Prozessionsweg führte sie über die kaum noch die Menschenmenge fassende Brücke hinweg an das Ziel ihrer Wallfahrt. Diese letzte Etappe ihrer langen und beschwerlichen Reise versüßte ihnen der geniale Bernini mit einer Doppelreihe prachtvoller Engelsstatuen, die auf dramatische Weise die Brücke krönen.

Rom: Engelsbrücke

Zeitweise war der Andrang so gewaltig, dass die Pilgermassen nur in einer Richtung über den Ponte geleitet werden konnten oder zu anderer Zeit ein zweispuriges Verkehrssystem versucht wurde. Da auch Händler und Budenbesitzer auf der Brücke ihr Geld machen wollten, waren Gedränge und Staus an der Tagesordnung und oft genug kam es zu Unfällen wie im Jahre 1450, als der Maulesel eines Kardinals scheute und um sich trat, die Menge in Panik ans Geländer drängte, das nachgab und Hunderte mit sich riss, von denen mehr als 170 zu Tode kamen.
Erst seit dem 19. Jahrhundert gibt es dank neuer Brücken alternative Zugänge zum Vatikan. Die Engelsbrücke ist nicht mehr das einzige Tor zum St. Peter, doch für das Gros der Besucher bleibt der Weg entlang Berninis aufgereihten Engelsstatuen die stimmungsvollste Annäherung an das Zentrum der katholischen Christenheit.

Wirft man vom Ufer einen Blick auf die Brücke, erkennt man fünf Bogen, von denen die drei mittleren noch antiken Ursprungs sind, die beiden ufernahen Bogen links und rechts stammen vom Ende des 19. Jahrhunderts. Damals wollte man endlich Nägel mit Köpfen machen und durch die Regulierung des innerstädtischen Tibers die jedes Jahr auftretenden zerstörerischen Überschwemmungen endlich abstellen. Also zwang man den Tiber in ein Bett mit hohen steinernen Wänden, konnte ihn dadurch bändigen und veränderte zugleich nachhaltig das Stadtbild. Die Regulierung förderte zwei antike Rampen zutage, 33 m lang die eine, 22 m die andere. Es waren die Zubringer zur Brücke, die ursprünglich neben den drei Hauptbogen noch drei kleine Bogen links und zwei kleine rechts besaß, insgesamt also acht. Rampen und kleine Brückenbogen wurden während der Regulierungsarbeiten 1892/94 zerstört und abgetragen und statt ihrer zwei moderne Bogen links und rechts mit dem antiken Bauteil verbunden.



Ihr endgültiges Aussehen erhielt die Brücke zwischen 1669 und 1671. Der damalige Papst, Clemens IX., nahm die Idee eines Vorgängers auf, der anlässlich des Besuchs von Kaiser Karl V. in Rom (1535) schon einmal an gleicher Stelle Stuckfiguren aufstellen ließ. Nun aber kam Bernini zum Zuge, der ideenreiche Architekt und Bildhauer, der, als er mit dem Projekt beauftragt wurde, schon siebzig war und sich dennoch voller Elan ans Werk machte und seine Schüler mitriss. Auf dem Hintergrund von römischem Himmel und Tiberwasser und in heftigem Kontrast zur massig-düsteren Engelsburg sollten die Engelsgestalten das ganze Pathos der späten Barockskulptur und Berninis „Neigung zum Theatralischen“ widerspiegeln. Pilger sollten sie als „Wegweiser des Himmels“ auf den letzten Metern ihrer Wallfahrt zum St. Peter deuten. „Ein Spalier des Leidens auf der alten römischen Brücke, und hindurch gehen die Menschen von heute“, notierte Marie Luise Kaschnitz in ihren römischen Betrachtungen „Engelsbrücke“ von 1955.

Rom: Ponte Sant Àngelo

Gian Lorenzo Bernini verfolgte ein ikonographisches Programm, in dessen Mittelpunkt die Leidenswerkzeuge Christi und einige in Rom aufbewahrte Reliquien standen. So hält jeder der paarweise die Brücke flankierenden zehn Marmorengel solch ein Symbol der Passion Christi in seinen Händen, die Dornenkrone, einen Nagel vom Kreuz, die Lanze, Ruten, das Schweißtuch der Veronika. Der Engel auf dem Foto zum Beispiel (Inschrift: In flagella paratus sum / Ich bin bereit, die Geißeln zu ertragen) trägt ein Bündel Peitschen. Und noch einmal Marie Luise Kaschnitz, der nur wenige der Engelfiguren gefielen, „der mit der Dornenkrone vielleicht oder der Inschriftträger, diese leidenschaftlich klagenden Berninigestalten, oder der Engel mit den Kreuznägeln, mit seinem hoffärtig-spöttischen Knabengesicht.“ Die anderen erschienen ihr „fad und gefallsüchtig, ohne Bewusstsein ihrer Sendung und nur bemüht, aus dem wilden Schwung ihrer Gewänder ihre hübschen Mädchenbeine zu enthüllen. Dabei sind die Dinge, die sie tragen, doch lauter tödliche . . .“ 

Die Entwürfe der Engel stammten von Bernini. Bis auf zwei überließ er die Ausführung seinen Schülern. Der auf dem Foto zu sehende Engel etwa ist das Werk von Lazzaro Morelli. Bernini schuf den Engel mit dem Kreuzestitulus INRI und den Engel mit der Dornenkrone. Beide Werke erregten das Interesse des Kardinals Rospigliosi, eines Neffen von Papst Clemens IX. Er beanspruchte sie für sich und bekam sie auch. Kopien nehmen den Platz der Originale bis auf den heutigen Tag ein. Seit 1729 sind Berninis Originale in der Kirche Sant`Andrea delle Fratte zu besichtigen.





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