Reiseführer Rom

Villa Medici

In antiker Zeit residierte auf dem grünen Pincio-Hügel der durch Kriegsbeute reich gewordene Feldherr Lukullus. Sein luxuriöser Lebensstil und besonders seine ausschweifenden Gastmähler wurden sprichwörtlich. Im Palast und den dazugehörigen Gärten – berichtet Tacitus in seinen Annalen – wähnte sich die skandalumwitterte Messalina sicher vor den Nachstellungen ihres rachsüchtigen kaiserlichen Gemahls Claudius. Doch sie entkam ihren Verfolgern nicht. Man habe ihren Geist später bei Vollmond durch das Gelände streifen sehen, erzählen alte Aufzeichnungen....
Die Palastanlagen verfielen. An ihrer Stelle breitete sich ein Weinberg aus. Ende des 15. Jahrhunderts war es mit der ländlichen Idylle vorbei, als Kloster und Kirche Trinità dei Monti gebaut wurden und wenig später nebenan die Arbeiten an der Villa Medici begannen. Sie sollte ein Palazzo neuen Typs werden, wie ihn Baldassare Peruzzi mit der Villa Farnesina einige Jahre zuvor kreiert hatte: eine vorstädtische Villa (villa suburbana), welche die Vorzüge eines Stadtpalastes mit denen eines herrschaftlichen Landhauses vereinte.

Rom: Villa Medici

Die Stadtseite der Villa präsentiert sich streng, fast abweisend. Die beiden Türme verstärken noch den festungsartigen Eindruck und lassen bei den Besuchern zunächst keine großen Erwartungen aufkommen. Das ändert sich schlagartig, wenn man die  luxuriös ausgestatteten Räumlichkeiten betritt und die vielfältig gegliederte und reich dekorierte Gartenfassade betrachtet, vor der sich die weitläufigen Gärten erstrecken. 
Besonders auffallend ist die offene und von Säulenstellungen gegliederte Loggia mit einem triumphbogenartig erhöhten Mittelteil. Sie ist antiken römischen Vorbildern nachempfunden. Zwei vorspringende, etwas niedrigere Eckflügel fassen die repräsentative Gebäuderückseite ein. Über ihnen erheben sich die Türme mit balkonartigen Anbauten, sogenannten Altanen. Auf dem Dachfirst verbindet eine Brücke die beiden Türme.

Rom: Villa Medici

Bronzeportal

In der Gestaltung der Gartenfassade sehen Kunsthistoriker ein „charakteristisches Beispiel des horror vacui im Manierismus“, der „Scheu vor der Leere“ in der manieristischen Kunstepoche zwischen Hochrenaissance und Barock. Und in der Tat hat man nicht mit Skulpturen, Theatermasken, Basreliefs, Medaillons und Girlanden antiker Herkunft gespart, die jede freie Fläche und jeden Winkel der Fassade bedecken. Auch die rund zwei Dutzend heute leeren Nischen waren früher mit Statuen besetzt.

Eine Villa auf einem Weinberg

In den 1540er Jahren soll Kardinal Crescenzi den Weinberg erworben haben. Seine Erben konnten wenig damit anfangen, verkauften ihn an die Neffen des Kardinals Ricci aus Montepulciano, der den Florentiner Architekten Nanni di Baccio Bigio mit dem Bau einer größeren Residenz beauftragte. Auch die Erben des Ricci waren für den inzwischen ansehnlichen Komplex nicht zu begeistern und so kamen die Medici ins Spiel. 1576 wurde Kardinal Ferdinando de` Medici neuer Besitzer des Anwesens, das ihm endlich die Möglichkeit bot, seine umfangreiche Antikensammlung angemessen unterzubringen. Architekt Ammanati aus Florenz sorgte für die erforderlichen Um- und Anbauten. Auch die Gartenanlagen wurden jetzt vollendet.

Nach Ferdinando wurde Kardinal Alessandro Ottaviano aus einer Seitenlinie der Medici neuer Hausherr am Pincio. 1605 wählte ihn das Konklave zum neuen Papst Leo XI. Nach nur 27 Tagen im Amt verstarb er. Die Villa Medici wurde seit jener Zeit nicht mehr kontinuierlich bewohnt. Sie diente den Medici-Diplomaten in Rom als Sommersitz und durchreisenden Familienangehörigen als vorübergehende Bleibe. Nach seiner Verurteilung am 22. Juni 1633 durch das Heilige Officium der Inquisition wurde Galileo Galilei vom 26. Juni bis 7. Juli in der Villa Medici festgehalten und danach in Arcetri nahe Florenz unter Hausarrest gestellt. 1630 und erneut 1650 war der spanische Barockmaler Diego Velazquez zu Gast. Er porträtierte hier Roms großen Barockkünstler Gian Lorenzo Bernini und schuf das berühmte Bildnis des Papstes Innozenz X., das man heute im Palazzo Doria-Pamphili bewundern kann.

Villa Medici

Villa Medici
Gartenanlagen auf der Rückseite

Dann passierte etwas, was die Gemüter für lange Zeit in helle Aufregung versetzte. An einem frühen Neujahrsmorgen soll es gewesen sein, als eine Kanonenkugel, abgefeuert aus einem Geschütz auf der Engelsburg, gegen das bronzene Tor der Villa krachte und eine ansehnliche Delle hinterließ. Was dem Vorfall seinen besonderen Reiz verlieh, war das Gerücht, Christina von Schweden habe den Schuss ausgelöst – aus purem Übermut, so die eine Version, weil sie Ärger mit den Medici hatte, eine andere. Delikater die dritte Version, die von einem Tête-à-tête mit ihrem Liebhaber, dem Kardinal Azzolino, nahe der Villa wissen will, der sie versetzte, worauf sie wutentbrannt zur Engelsburg eilte und das Geschütz in Stellung brachte. Christina war die Tochter des schwedischen Königs Gustav Adolf und seine Nachfolgerin auf dem Thron. Die Tochter des Anführers der protestantischen Kräfte im 30jährigen Krieg konvertierte 1654 zum Katholizismus, zog nach Rom und überraschte die dortige Gesellschaft mit ihrem unkonventionellen Lebensstil.

Villa Medici

Villa Medici
Cafeteria

1737 erlosch die männliche Linie des Medici-Geschlechts. Habsburg-Lothringen bestimmte jetzt in den toskanischen Besitzungen und auch in der Villa Medici, die nun große Teile ihrer Antiken-Sammlung an die Museen in Florenz verlor. In dieser Zeit des Niedergangs einstiger Pracht weilte J. W. v. Goethe in Rom. Er hatte gerade, wie er am 19. Februar 1787 in seinen Aufzeichnungen festhielt, den Tag mit Schmerzen unter den Narren zugebracht. Es war Karnevalszeit, die er nicht sehr schätzte. Mit Anbruch der Nacht erholte ich mich auf der Villa Medici; Neumond ist eben vorbei und neben der zarten Mondsichel konnte ich die ganz dunkle Scheibe fast mit bloßen Augen durchs Perspektiv ganz deutlich sehen. Über der Erde schwebt ein Duft des Tags über, den man nur aus Gemälden und Zeichnungen des Claude kennt, das Phänomen in der Natur aber nicht leicht so schön sieht als hier.

Die Académie zieht ein

Der Siegeszug der französischen Revolution ließ Italien nicht aus. Ein junger charismatischer General namens Napoleon stürzte die päpstliche Herrschaft und besetzte 1798 Rom. Schon 1666 hatte Jean-Baptiste Colbert im Auftrag von Ludwig XIV. einen Ableger der französischen Académie in Rom gegründet. Er war zuletzt im Palazzo Mancini am Corso untergebracht. 1803 bezog die Académie de France à Rome die Villa Medici, wo sie bis heute ihren Sitz hat. Jungen Künstlern, Komponisten und Schriftstellern sollte hier die Möglichkeit geboten werden, unter den besonderen Bedingungen der Ewigen Stadt ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zu erweitern. Neben der Betreuung der Stipendiaten bereichert die Villa Medici wie ihr deutsches Pendant Villa Massimo durch vielfältige Aktivitäten das Kulturleben Roms. Voraussetzung für das Stipendium nebst mehrjährigem Studienaufenthalt war der Erwerb des „Prix de Rome“. Die Crème der französischen Kulturszene machte auf diese Weise Bekanntschaft  mit der Villa Medici und den schier grenzenlosen Möglichkeiten, die sich ihnen in der Stadt am Tiber boten. Der Maler Jean-Auguste-Dominique Ingres, ein Vertreter des Klassizismus, stieg sogar zum Direktor der Académie auf. Stipendiaten waren der Bildhauer Jean-Baptiste Carpeaux und der Maler William-Adolphe Bouguereau, der Komponist George Bizet und seine Kollegen Maurice Ravel, Claude Debussy sowie Hector Berlioz, der von einer fürstlichen Örtlichkeit sprach, sich aber über die Zimmer der Stipendiaten beklagte, die mit zwei oder drei Ausnahmen klein, unbequem und vor allen Dingen äußerst schlecht möbliert seien. Überdies sei der Direktor zu jähzornig und die Freizeit zu knapp bemessen und überhaupt sei Rom entsetzlich langweilig.
Unter den vielen Direktoren der Académie ragt der polnisch-deutsch-französische Maler Balthasar Klossowski de Rola, genannt Balthus, hervor. Während seiner Amtszeit in den Jahren 1961 bis 1977 wurde das gesamte Interieur der etwas vernachlässigte Villa neu gestaltet, mit besonderer Sorgfalt die Privaträume des Medici-Kardinals Ferdinando mit ihren phantastischen Fresken von Jacopo Zucchi (um 1576). Auch die Fassaden ließ Balthus restaurieren und die Gärten neu anlegen. Sie entsprechen in ihrer Aufteilung noch den ursprünglichen Anlagen, nur die Bepflanzung stammt aus dem 19. und 20. Jahrhundert. So wurden 1832 mehrere Dutzend Pinien gepflanzt – die für Rom so typischen riesigen Schirmpinien – die nun aber auf Grund ihres hohen Alters nach und nach eingehen. In ihrem Schatten säumen originalgetreue Nachbildungen antiker Statuen, Myrten und Buchsbaum die geometrisch angelegten Alleen. Ein kleiner Obstgarten schmiegt sich an die Einfassungsmauer, im Angesicht der Loggia sprudelt der Obeliskenbrunnen und der „Parnass“ genannte kleine Hügel auf den Trümmern des antiken Fortuna-Tempels wurde zu einer Aussichtsterrasse.  
Er ist gefällig angelegt, hat aber nichts Außergewöhnliches an sich und ist eher von bescheidener Größe, hielt der Marquis de Sade 1775 fest, hat dann aber noch einen Tipp parat: Da der Garten sehr abgelegen ist, eignet er sich vorzüglich als Treffpunkt für entflammte Liebende. Hier entwickeln und lösen sich Einverständnisse; und ich weiß nicht, ob es nicht auch manchmal passiert, dass sie zur Vollendung gebracht werden. Sicher ist nur, dass man hier ganz ungestört wäre.

Damals war der Garten öffentlich zugänglich. Heute aber nicht mehr. Doch es gibt Führungen durch den Palazzo und die Gärten. Näheres am „Ticket Office“ oder unter www.villamedici.it/en

(Viale della Trinità dei Monti)





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