Sommerwunderland oder Das andere Gesicht der Skiregion Adelboden

Entspanntes Biken dort, wo sich zur Winterzeit die Pisten kreuzen

Text und Fotos: Karsten-Thilo Raab

Das Abenteuer beginnt in der Tschenten-Seilbahn, die uns zügig auf 1940 Meter Höhe bringt. Von dort allerdings geht´s auf Schusters Rappen weiter. Über einen steilen, wenig befestigten Pfad zur noch einmal hundert Meter höher gelegenen Schwandfeldspitz. Hier nun übernimmt Marc Vetter die Szenerie: Mit geschickten Handgriffen breitet der erfahrene paraglider den knapp dreiundvierzig Quadratmeter großen Gleitschirm auf der Hangwiese aus und sortiert die einzelnen Leinen.

Jetzt wird´s ernst: Wir schnallen die Rucksäcke auf, verschnüren die Helme und gehen langsam einige Schritte voran, bis sich das Nylontuch aufbläst. Wir schauen zu Marc herüber, die Spannung steigt. Da, er gibt das Zeichen! Wir laufen los, zwei, drei Schritte die Almwiese hinab und – schweben, schweben, schweben. Unter uns entfaltet sich die imposante Alpenregion mit ihren schneebedeckten Gipfeln in vollendeter Pracht. Aus unserer Vogelperspektive bietet sie Einblicke in weite Täler, auf die Ski-Weltcupstrecke, auf sattgrüne Weiden, in Schluchten und auf mäandernde Bergbäche. Bequem auf das Brett im Rucksack gelehnt, endet der Flug erst – dem guten Wind sei Dank – nach vierzig Minuten, direkt an den beeindruckenden Wasserfällen an der Engstligenalp.

Schweiz / Adelboden / Kuh

Sanfte Landung

Wenn auch ein wenig holprig, doch stehend und ganz sanft landen wir im weichen Gras der Wiese, ein paar Kühe schauen zu und der Wagen, der uns nach Adelboden zurückbringen wird, ist auch schon da. Adelboden, die 3500-Seelengemeinde im Berner Oberland ist nicht nur als eine der Drehscheiben im Welt-Cup-Skizirkus bekannt, auch zählt sie, als Familienskigebiet, zu den reizvollsten Ziele in den Schweizer Alpen.

Schweiz / Adelboden / Winternacht

Blick auf Adelboden in einer Winternacht

Und das nicht nur zur Winterszeit. Auch während der Sommermonate bietet sich Aktivspaß für Groß und Klein – auf und abseits der Wanderwege. Da ist paragliding nur eine Variante ...

... und abseiling die andere. Für dieses knifflige Abenteuer bietet die nahe gelegene Cholerenschlucht, wo schroffe Felswände in siebzig Metern Tiefe in einem glasklaren Gebirgsbach münden, die perfekte Kulisse. Nach einer ausgiebigen Einführung durch erfahrene Bergführer an einem Übungsfelsen beginnt der eigentliche Nervenkitzel: Das Abseilen.

Schweiz / Adelboden / Abseilen

Der Autor Karsten-Thilo Raab seilt sich ab

Mit Karabinern am Klettergurt und durch zwei stabile Seile doppelt gesichert, gilt es sich rückwärts über den Felsvorsprung vorzutasten, um dann Zentimeter für Zentimeter dem eisigen Gletscherwasser entgegenzugleiten. Tausende Wassertropfen glitzern im Gegenlicht, ergänzen dieses einmalige Naturerlebnis zwischen Himmel und Erde um eine schillernde Nuance. Ohnehin ist die Erfahrung eine der besonderen Art, denn so gesichert die Aktivität nach allen sicherheitstechnischen Vorgaben auch ist, so aufregend ist das Austesten der eigenen Courage. Denn ehe der Hobby-Alpinist auf dem Steg kurz über der Wasseroberfläche wieder festen Boden unter den Füßen hat, mag er sich dieses Gefühl des Zurückkommens auf die Erde gewünscht haben – je nach Protagonist mal mehr, mal weniger.

Zurück zum Engstlingen-Wasserfall

Schweiz / Adelboden / Wasserfall

Dennoch genügt diese Herausforderung nicht jedem. Diesen ganz Wagemutigen nun sei geraten, entlang dem siebenhundert Meter hohen Engstligen-Wasserfall bis zur Engstligenalp zu klettern, die Gischt des durch die Felsen schlagenden Wassers immer vor Augen. Extremer geht´s dann aber auch in der Landschaft von Adelboden nicht mehr.

Das sommerliche Adelboden ...

Schweiz / Adelboden im Sommer

... aber besticht durch eine weitere Besonderheit: Als einziger Ferienort in der Schweiz verfügen hier - man erinnere sich: in knapp 2000 Metern Höhe - die Berner Oberländer über zwei Velovermietstellen, soll heißen Fahrradverleihe. Aha, denken die Insider, „jetzt ist mountainbiking angesagt.“ Doch mitnichten, die Routen des Hahnenmoos (1956 m) und die der Sillerenbühl (1978 m) führen den Radwanderer auf sieben verschiedenen, farbig gekennzeichneten Wegen durch die abwechslungsreiche und landschaftlich so reizvolle Region. Dabei sind die unterschiedlich anspruchsvollen Strecken auf ihrer gesamten Länge von knapp zweihundert Kilometern nahezu durchgehend geteert und kreuzen nur an wenigen Stellen die alpinen Wanderwege.

Schweiz / Adelboden / Radler2

Es muss nicht unbedingt mountainbiking sein ...

Schweiz / Adelboden / Radler

... es geht auch komfortabler

Die Fahrräder fahren in der Seilbahn mit

„Nicht Mountainbiking, sondern entspanntes Biken in den Mountains anzubieten, war und ist oberstes Anliegen in Adelboden“, lautet denn auch das Credo der Gemeinde, die zudem einen besonderen Service bietet: Radsportfreunde können auf die schweißtreibende Fahrt auf ihren Drahteseln hinauf in die Berge verzichten, denn die fünf Seilbahnlinien der Region transportieren auf Wunsch die Fahrräder auf die einzelnen Bergstationen, von wo die bequemen Abfahrten in Angriff genommen werden können.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

Kurzportrait Schweiz

Die Schweiz? Kennt doch jeder, oder? Wilhelm Tell, Banken, Schokolade, Löcherkäse. Wer so denkt, ist aber höchstens mal durchgefahren, auf dem Weg nach Italien oder Frankreich. Man braucht schon etwas Zeit, um sich über das Klischee hinwegzusetzen.

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Entspannte Pointenhatz auf dem Appenzeller Witzweg

Das Ziel ist der Witz. Und es gibt viele Witze zwischen dem schweizerischen Biedermeierdorf Heiden und dem rund achteinhalb Kilometer entfernten Walzenhausen. Genauer gesagt etwa alle 106,5 Meter einen. Denn hier im wunderschönen Appenzeller Land verläuft hoch über dem Bodensee und dem Rheintal der 1993 eröffnete, erste und älteste Witzweg der Welt.

Appenzeller Witzweg

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Jugendherbergen in der Schweiz

Vor gut dreißig Jahren war die preisgünstige Übernachtungsalternative in Vergessenheit geraten. Doch die Anhänger der alten Idee, die dem deutschen Lehrer Richard Schirrmann 1909 auf einer Schülerwanderfahrt gekommen war und sich unter dem Motto "Gemeinschaft erleben" weltweit verbreitete, besaßen einen starken Erneuerungswillen. In der Eidgenossenschaft, wo sich der Verbund 1924 gründete, reagierten sie mit einer tiefenwirksamen Sanierungsoffensive. Unrentable Häuser wurden geschlossen, andere gründlich aufgepeppt. In den letzten zehn Jahren investierte der Verein Schweizer Jugendherbergen 80 Millionen Franken in Um- und Neubauten.

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