Tannenbaum und "Scheißerchen"

Feliz Navidad: spanische Weihnachtsbräuche in Andalusien

Text und Fotos: Uwe Lexow

Weihnachten im Süden – für mache eine Horrorvorstellung, für viele eine willkommene Abwechslung: Weihnachten garantiert ohne Schnee an der Küste, Weihnachten unter Palmen.

Spanien Andalusien geschmückte Gasse

Ein bisschen komisch ist uns schon zumute, als wir am 20. Dezember in den Flieger nach Malaga klettern, nachdem wir den Samstag vor dem vierten Advent noch zu einem Bummel über den Hamburger Weihnachtsmarkt genutzt haben – mit Glühwein und Bratwurst versteht sich – wissen wir doch nicht, was da weihnachtsmäßig in unserer zweiten Heimat auf uns zukommt.

Schon bei der Ankunft am Flughafen merken wir: Wir haben Weihnachten nicht für uns gepachtet. Weihnachten ist nicht nur ein kirchliches Fest, sondern ein internationales Großereignis, an dem auch in Spanien niemand vorbei kommt, insbesondere nicht an der Costa del Sol, einer Region mit der größten Vielfalt an Nationen, die man sich denken kann.

Spanien Andalusien geschmücktes Haus

Unsere Freunde holen uns vom Flughafen ab. Natürlich wollen Sie mit uns noch einen weihnachtlichen Bummel durch Malaga machen, ehe sie uns nach Hause fahren. Wir sind überrascht: Malaga präsentiert sich mit einer stilvollen, wenn auch bunten Lichterdekoration. Alle Gebäude sind angestrahlt, breite Lichtbänder mit leuchtenden Tannenbäumen oder Kugeln überspannen die Strassen und es herrscht selbst heute am Sonntag ein Getümmel in der City, als wenn es schon morgen nichts mehr zu kaufen gäbe. Und natürlich sind heute am vierten Advent um 22.00 Uhr die Geschäfte noch teilweise geöffnet.

Tannenbäume ausverkauft

Die Weihnachtszeit beginnt in Spanien am 8. Dezember. An diesem Datum wird das Fest der unbefleckten Empfängnis gefeiert. In vielen Familien wird schon an diesem Tag ein Weitnachtsbaum geschmückt, der dann bis zum 6. Januar in der Wohnung stehen bleibt. Kein Wunder, dass wir am 21. Dezember Probleme haben, irgendwo in Marbella ein Weihnachtsbäumchen zu erstehen. Alles, was auch nur im Entferntesten Ähnlichkeit mit einer Tanne hat, ist seit Wochen ausverkauft.

Spanien Andalusien verkleidete Kinder

War der Tannenbaum bis vor einigen Jahren an der Küste Spaniens noch wenig verbreitet, ziert er heute in Spanien zum Fest nicht nur öffentliche Plätze, sondern auch zunehmend die Eingangshallen von Hotels, Banken , Maklerbüros und Privathäusern. Viele der Bäume sind aus Plastik, was allerdings niemanden stört.

Bei den Spaniern besonders beliebt sind Weihnachtsgirlanden in allen möglichen Farben. Umwickelt wird alles – von Möbeln über Tischbeine bis zu den Fenstern. Und auch die spanischen Weihnachtsmänner haben – wie ihre Kollegen in Deutschland und den USA – gewisse sportliche Ambitionen entwickelt, seilen sie sich doch mit Vorliebe von Hotelfassaden, Häuserwänden oder Balkonen ab. Auch in den Kaufhäusern zeigt sich amerikanischer Einfluss. Obwohl in Spanien nicht der Weihnachtsmann den Kindern am Heiligen Abend die Geschenke bringt, sondern die Heiligen 3 Könige in der Nacht zum 6. Januar, sitzen schon Wochen vor dem Fest in den Einkaufszentren bärtige Typen in Nikolaus-Verkleidung und nehmen Wunschzettel der Kinder entgegen, wobei sich im Zuge internationaler Verständigung eine Gleichberechtigung ergeben hat. So bekommen denn die spanischen Kinder doppelt Geschenke: Am 24.12. vom Papá Noel und am 6. Januar von den Tres Reyes.

Spanien Andalusien Weihnachtsmänner

An die spanische Weihnachtsmusik müssen wir uns gewöhnen: Überall in der Stadt sind riesige Lautsprecher aufgestellt, aus denen von morgens bis abends Weihnachtsmusik dröhnt, und zwar nicht nur Besinnliches, sondern fröhliche Klänge mit südamerikanischem Einschlag, sodass wir uns eher an ein Tanzturnier für lateinamerikanische Tänze als an Weihnachten erinnert fühlen. Aber was soll`s – Weihnachten ist hier in Spanien ein fröhliches Fest.

Weihnachtliches Glücksspiel

Der 22.Dezember hat in Spanien eine besondere Bedeutung: Es ist der Tag der Auslosung der Weihnachtslotterie. Fünf Stunden übertragen Radio und Fernsehen die Auslosung der Glückszahlen. Der erste Preis „El Gordo“ schüttet zwei Millionen Euro aus. Kein Wunder, dass während der Übertragung der Ziehung die Strassen wie leergefegt sind, während sonst überall weihnachtliche Hektik herrscht. Eingeführt wurde die Lotterie im Jahr 1763 von König Carlos III. Nicht einmal während des spanischen Bürgerkriegs wurde auf die Ausspielung von El Gordo verzichtet – jede Seite spielte damals ihre eigene Lotterie. Natürlich kaufen wir auch ein Los – die Weigerung, sich an diesem weihnachtlichen Glücksspielrausch zu beteiligen – würde uns zu sozialen Außenseitern stempeln.

Spanien Andalusien weihnachtliches Kaufhaus

Carlos der III. war es auch, der im 18. Jahrhundert eine weitere Tradition aus Italien nach Spanien brachte, die heute noch lebendig ist: Das Aufstellen der Krippe. Diese Krippen werden in vielen Gemeinden aufgestellt, die Figuren Jahr für Jahr aufbewahrt und Wochen vor dem Fest aus der Mottenkiste geholt und liebevoll restauriert und aufgebaut. Ganze Landschaften mit unzähligen Figuren werden jedes Jahr neu aufgebaut, mit Lichtern versehen. Teilweise werden Bewegungsabläufe sogar vom Computer gesteuert. Einer Figur gilt die besondere Aufmerksamkeit der Kinder: Sie heisst „cagón“. Meist sitzt sie im Hindergrund des Stalles von Bethlehem – mit herunter gelassener Hose. Erfahrene Krippenbauer interpretieren das „Scheißerchen“ als Glück bringendes Symbol , das im krassen Gegensatz zur beschaulichen Atmosphäre des Krippenszenerios steht.

Spanien Andalusien Gebäck

Das traditionelle spanische Weihnachtsmenü beginnt meist mit der Sopa de mariscos, einer Suppe mit Meeresfrüchten und Garnelen. Danach gibt es Meerbrasse ( besugo ) , deren Erwerb in den Tagen vor Weihnachten in den Geschäften geradezu ruinös werden kann. Überhaupt: Die weihnachtliche Hektik im sonst doch eher beschaulichen Spanien steht dem vorweihnachtlichen Getümmel anderswo auf der Welt im nichts nach. Selbst die Sandkünstler am Strand haben sich auf Weihnachten eingestellt: Statt Ritterburgen und Drachen finden wir den Weihnachtsmann aus Sand.

Ein ausgelassenes Fest

Wir sind gerade dabei, die Meerbrasse zu verzehren, als es an der Tür „Sturm“ klingelt. Als wir öffnen, sind wir von einer Schar Kinder aus der Nachbarschaft umringt, die begleitet von Hirtentrommel und einem Tamburin Weihnachtslieder singen. „Aguinaldo“ heißt dieser Brauch, der an das Martinssingen bei uns erinnert - auch was die Gabe von Süßigkeiten oder ein paar Münzen an die kleinen Sänger betrifft.

Spanien Andalusien feiernde Kinderschar

Wer glaubt, dass an der Costa der Rest des Heiligen Abends besinnlich verläuft, hat sich getäuscht: Unsere Freunde holen uns zur Mitternachtsmesse , der „Misa del Gallo“ ab. ( Nach der Überlieferung war der Hahn das erste Lebewesen, das von der Geburt Jesu erfuhr und die Kunde in der Welt verbreitete ). Zu unserer Überraschung gibt es nach der Messe nicht nur das traditionelle Mantecado-Gebäck ( was soviel wie Schweineschmalz-Plätzchen bedeutet ) sondern Anisschnaps. Danach ziehen wir - wie Hunderte meist junger Menschen auch - mit einer ganzen Truppe ausgelassen durch die Stadt – Weihnachten ein fröhliches Fest.

Spanien Andalusien Rentier

Ausgelassenheit zeichnet auch den 28. Dezember aus: Es wird der Tag der unschuldigen Heiligen ( „Dia de los Santos Innocentes) gefeiert, der an die Tötung der Kinder durch den König Herodes erinnert. An diesem Tag nehmen sich die Spanier gegenseitig „auf die Schippe“ – das spanische Gegenstück zum ersten April, an dem selbst die spanischen Medien es sich nicht verkneifen können, Zuschauern oder Zuhören mit gefälschten Nachrichten einen ordentlichen Bären aufzubinden.

Spanien Andalusien Weihnachtspuppen

Der Gedenktag ist nie von der Kirche verordnet worden, erfreute sich aber seit dem Mittelalter großer Beliebtheit. Er wurde mit Narrenspielen begangen. Erst die Reformation schaffte den Brauch ab, in den katholischen Gegenden Deutschlands starb er im 18. Jahrhundert aus, in Spanien hat er sich bis heute gehalten. Aus diesem Grunde trat auch die spanische Verfassung erst am 29. Dezember 1978 offiziell in Kraft – einen Tag später als ursprünglich vorgesehen. Schließlich wollte man die Verfassung nicht in Verbindung mit einem Scherz bringen.

Noch mehr Feiern an Silvester

Auch Silvester wird ausgelassen gefeiert: Ein schöner Brauch ist das Weintraubenessen um Mitternacht: Glück bringt es, wenn man bei jedem Glockenschlag eine Traube zu sich nimmt. Das allerdings will geübt sein und ist schwieriger als wir gedacht haben: Der Markplatz von Marbella ist schon eine Stunde vor Mitternacht überfüllt. Unglaublich, was sich alles zwischen Kirche, beleuchtete Orangenbäume und Lichtergirlanden zwängt. Es ist so laut, dass man die Glockenschläge um Mitternacht nicht hört, in die sich das Knallen von Sektkorken und das Zischen der Raketen mischt, und man muss sich unglaublich mit dem Schlucken beeilen, wenn man tatsächlich im Sekundentakt die Weintrauben herunter schlingt, insbesondere dann wenn man – wie wir dumme Zugereiste – etwas größere Trauben gekauft hat.

Spanien Andalusien Drei Könige

Abschluss und Höhepunkt der Weihnachtszeit bilden die traditionellen Weihnachtsumzüge, die meist am 5. Januar am Spätnachmittag stattfinden. In Marbella nimmt der Zug bereits Stunden vorher am Fußballstadion Aufstellung. Weihnachtsmänner, Musikzüge und Festwagen werden in die richtige Reihenfolge gebracht, da wird geschminkt, noch genäht, schnell noch Pferde und Kamele gefüttert und die Wagen mit Bonbons beladen, ehe dann der festliche Umzug wie ein Karnevalsumzug von der Polizei eskortiert durch die Stadt führt, - für die Kinder ein Highlight, bevor dann in der Nacht vom 5. auf den 6. Januar die Heiligen Drei Könige die Geschenke in die geputzten Schuhe der Kinder stecken.

Spanien Andalusien Weihnachstkind

Zum Frühstück oder Mittag gibt es dann eine traditionelle Süßigkeit, den Roscón de Reyes, einen ringförmigen Kuchen aus leichtem Teig mit kandierten Früchten. Eingebacken in den Teig ist eine kleine Überraschung. Wer sie findet, wird zum König der Familie gekrönt. Nach dem Dreikönigstag wird es merklich ruhiger an der Küste. Die Touristen sind wieder abgereist, die meisten Restaurants bis zum Beginn der Osterferien geschlossen.

Und für alle die, die vom Trubel genervt sind, bietet ein Ausflug in die nahe gelegen Bergregionen die schönsten Weihnachtsgeschenke: eine fast unberührte, nach der Trockenzeit erwachende Natur mit Orangenbäumen, zauberhaften Blüten und einem Hauch von Frühling.

 

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