St. Lucia im Überblick

Dass Columbus am 13. Dezember 1502, am Tag der heiligen Lucia, die Insel gesichtet habe, ist wohl nur eine fromme Legende, denn in jenen Tagen kreuzte er vor der Küste Mittelamerikas. Wahrscheinlicher ist, dass er am 15. Juni des gleichen Jahres, als er in Martinique an Land ging, die Bergspitzen der Nachbarinsel St. Lucia zu Gesicht bekommen hat.

Ein Globus des Vatikan von 1520 weist jedenfalls St. Lucia als spanischen Besitz aus, was keine in der Gegend operierende Flotte davon abhalten konnte, nicht die Hand nach der Insel auszustrecken. Den Anfang machte der französische Seeräuber François le Clerc, der nahe der Nordspitze auf Pigeon Island einen Stützpunkt errichtete (um 1550), dann taten Holländer an der Südspitze das Gleiche. Ihnen folgten die Engländer 1605 und 1638, scheiterten aber am Widerstand der einheimischen Kariben. Erst die Franzosen hatten 1650 mehr Glück. Sie konnten sich festsetzen – eine blanke Herausforderung für die briten und so entbrannte ein 150 Jahre währender Kampf um St. Lucia, in dessen Verlauf die Insel vierzehn Mal den Besitzer wechselte. 1803 schließlich verjagten die Engländer ihre französischen Widersacher und im Vertrag von Paris wurde St. Lucia als britische Kronkolonie festgeschrieben (1814).

St. Lucia, Fischer

Das Erbe dieses hin und her wogenden Machtkampfes ist auf St. Lucia allgegenwärtig. So ist Englisch die Amtssprache, aber Umgangssprache ist Patois, eine Mischsprache aus Französisch und westafrikanischen Dialekten. Der Inselstaat ist Mitglied im britischen Commonwealth, doch die meisten Ortsbezeichnungen sind französisch. Und nur 1,6 % der Bevölkerung sind Anhänger der anglikanischen Kirche, während fast zwei Drittel der römisch-katholischen Glaubensrichtung folgen. Eine andere Hinterlassenschaft der Kolonialzeit – die Herrenhäuser, Kirchen, Wirtschaftsgebäude, Sklavenunterkünfte – macht sich rar. Zu oft wüteten brände (und nicht nur in Kriegszeiten), die leichtes Spiel mit den Holzbauten hatten, wie etwa in der Hauptstadt Castries, die 1796 vollständig abbrannte und erneut in den Jahren 1813, 1927 und zuletzt 1948.

Karneval auf St. Lucia

Karneval auf St. Lucia

Zu den ältesten erhaltenen Bauwerken der Stadt zählt die Kathedrale der Unbefleckten Empfängnis aus dem Jahr 1897 mit typisch karibischen Dekor- und Architekturelementen, herausragend die Wandmalereien von Sir Dunstan St. Omer, dem großen karibischen Künstler. Noch etwas älter als die Kathedrale ist die Bibliothek, beide am Rande des Derek Walcott Square, der den Namen des einheimischen Poeten Derek Walcott trägt, 1992 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet und 2011 mit dem T. S. Eliot Prize for Poetry für den Gedichtband „White Egrets“. Er erschien 2012 unter dem Titel „Weiße Reiher“ zweisprachig im Hanser Verlag. Sein 2004 geschriebenes Langgedicht „The Prodigal“, „eine melancholisch-grüblerische Selbsterkundung in Form einer ausgedehnten Reisekontemplation zwischen der Alten und der Neuen Welt“, erschien 2007 auf Deutsch unter dem Titel „Der verlorene Sohn“.

Tiefseehafen von Castries, St. Lucia

Der Tiefseehafen von Castries

Sehenswert ist auch die 1894 erbaute Markthalle, wo nicht nur exotische Früchte und Gewürze auf Käufer warten, auch farbenfrohe Werke naiver Maler werden angeboten. In Castries` Tiefseehafen am Pointe Seraphine machen die Kreuzfahrtungetüme fest, deren Menschenmassen sich dann in die Duty Free Shops ergießen oder in langen Wagenkolonnen die Strände ansteuern. Einer ist ganz nah: The Vigie Beach. Und ein anderes beliebtes Nahziel ist der Hügel Morne Fortune am südlichen Stadtrand mit herrlichen Ausblicken auf die Stadt, den Hafen und die umgebenden Meeresbuchten bis hinunter zur Nordspitze der Insel. Hier oben schlugen Engländer und Franzosen aufeinander ein. Noch immer sind Befestigungen und Geschützstellungen auszumachen und wie um diesen Platz englischen Kriegsglücks ein für alle Mal zu markieren, entstand hier das historische Government House.

Entlang der karibischen Westroute bis Vieux Fort

Anse Mamin, St. Lucia

Anse Mamin

Marigot Bay, etliche Kilometer weiter südlich, erreicht, wer endlose Bananenpflanzungen passiert hat. Die malerische, von unzähligen Palmen gesäumte Bucht gilt als einer der wettersichersten Yacht-Liegeplätze der Karibik. Weitere Bananen-Plantagen begleiten die Straße bis in die Nähe der Fischerdörfer Anse La Raye und Canaries, die an Buchten voller Fischerboote zu Füßen steiler Bergzüge liegen. Von Canaries geht es landeinwärts hinein in die Ausläufer des Regenwalds, der den zentralen Bergzug der Insel bedeckt. Hat man das dichte Gehölz wieder verlassen, geht es hinunter in eine atemberaubende Szenerie, die zu den ganz großen Highlights der karibischen Inselwelt zählt. Da ist Soufrière, das hübsche Städtchen, spektakulär überragt von den in tiefes Grün gehüllten Pitons, erstarrten, extrem steilen Vulkankegeln, die um 743 m (Petit Piton) und 771 m (Gros Piton) die Ufergewässer und bunten Häuschen von Soufrière überragen. Soufrière hat etwas von ihrem kolonialen Charme bewahren können. Etliche Holzhäuser im französisch-karibischen Stil sind noch erhalten und zeugen von der Blütezeit der Stadt, als sie das Zentrum einer intensiven Plantagenwirtschaft und sogar für einige Zeit Hauptstadt der Insel war.

Anse La Raye, St. Lucia

Anse La Raye

Das Gebiet um die Pitons gehört zum UNESCO-Weltnaturerbe, eingeschlossen der Qualibou-Krater, eine dreieinhalb mal fünf Kilometer große Caldera (eine riesige eingestürzte Magma-Kammer), die von den Einheimischen stolz als einziger „drive-in-volcano“ der Karibik gerühmt wird. Die tektonischen Kräfte sind noch immer spürbar, der Boden bebt, es blubbert, zischt und grummelt, Dampf steigt auf von Schwefelquellen. Wo die Schwefelbrühe erträgliche Temperaturen und Gerüche erreicht, liegen die Diamond Mineral Baths, die Frankreichs König Ludwig XVI. Ende des 18. Jahrhunderts für seine kriegsmüden Soldaten einrichten ließ und ganz in der Nähe stürzt das stark mineralhaltige Wasser des Diamond Waterfall die Felsen hinab. Man kann sich hier für ein kleines Eintrittsgeld umsehen und ein erfrischendes Bad nehmen.

Diamond Waterfall, St. Lucia

Diamond Waterfall

Übrigens: die Gewässer vor Soufrière und nördlich bis Anse La Raye sowie südlich bis in Höhe von Choiseul bieten die besten Tauchgründe St. Lucias mit einer betörend schönen Meeresflora und artenreicher Fischpopulation.

Eine Handvoll Kilometer südlich von Soufrière liegt die Fond Doux Cocoa Plantation, die schon deshalb einen Besuch lohnt, weil hier in schöner Ausführlichkeit der Verarbeitungsprozess der Kakaobohnen in Schokolade Besuchern gezeigt wird – mit Kostproben, versteht sich. Durch sanfte Hügellandschaft führt die kurvenreiche Straße auf Choiseul zu. Relikte aus der Kolonialzeit wie zerbrochene Windmühlen und eingestürzte Plantagengebäude ziehen am Wegesrand vorbei, Erinnerungen an die hohe Zeit des Zuckerrohranbaus. In einigen ruhigen Jahren, als der Krieg sie verschonte, war es den französischen Kolonialisten gelungen, eine Plantagenwirtschaft aufzubauen. Zuckerrohr und Baumwolle waren die „cash crops“ und afrikanische Sklaven machten die Knochenarbeit. 1765 begann der Zuckerrohranbau. Nach nur dreißig Jahren gab es schon fünfzig Plantagen. Fast 200 Jahre später (1963) endete der Anbau von Zuckerrohr, die Landwirtschaft orientierte sich neu. Auch in Laborie regiert nicht mehr der Zucker das Wirtschaftsleben. Fischfang ist heute angesagt und die Ernte von Seegras. Auch ein paar Touristen und Ausflügler aus den Städten zieht es an die Strände des kleinen Ortes, dessen weit verstreute Häuser, fast verdeckt vom üppigen Grün ihrer Gärten, den Hang eines Hügels hinaufklettern.

Fischer auf St. Lucia

Die südliche Spitze der Insel ist nun ganz nahe. Sie bildet eine Halbinsel, auf der das Städtchen Vieux Fort, die „alte Festung“, liegt, benannt nach der eingangs erwähnten holländischen Befestigungsanlage. Das Gelände ist hier ausnahmsweise einmal flach, genau das Richtige für eine amerikanische Militärbasis im 2. Weltkrieg. Später machte man sich ihre Anlagen zunutze und baute sie zu St. Lucias Hewannorra International Airport aus. Durch die Palmen, die malerisch den Strand säumen,schimmern die Silhouetten der winzigen Maria Islands, einem „nature reserve“, das vom National Trust betreut wird. Er ist der Ansprechpartner für geführte Touren über die Inseln, der letzten Heimstatt von fünf endemischen Reptilienarten, darunter der St. Lucia Racer, eine harmlose nachtaktive Grasnatter und die Zandou Eidechse. Außerdem nisten hier Fregattvögel, Wildtauben, Seeschwalben und zahllose Zugvögel, die alljährlich von der afrikanischen Westküste über Tausende von Kilometern die kleinen Inseln anfliegen, um hier zu brüten und den Nachwuchs aufzuziehen. Korallenriffe umgeben die Inseln. Auch die benachbarte Anse de Sable Bay ist durch Korallenriffe geschützt. Sie ist eine der schönsten und längsten Strandpartien St. Lucias und überdies eine „windsurfing location“ der Extraklasse, denn am südlichsten Kap der Insel, wo sich das türkisfarbene karibische Wasser mit den tiefblauen atlantischen Wogen vermischt, geht es stürmisch zu.

Auf der atlantischen Ostroute zurück nach Castries

Nächster Ort ist Micoud vor terrassenförmig angelegten Bananen-Plantagen und dicht mit Regenwald bewachsen Bergzügen. In der Nähe liegen die Mamiku Gardens, ein phantastischer botanischer Garten voller tropischer Blumen und duftender Gewürze, mit herrlichen Ausblicken und angenehmen Spazierwegen – und das alles auf dem Gelände einer ehemals von Baron de Micoud errichteten Plantage. Er war Oberst der französischen Armee und Gouverneur der Insel, als die Franzosen für einige Zeit die Übermacht besaßen. Die Straße windet sich nun ins Landesinnere, steigt die Hänge hinauf in den Regenwald zum Kamm der Barre de l`Isle, die St. Lucia in eine östliche und eine westliche Hälfte teilt. In der Höhe wurde einer der vielen „hiking trails“ (Wanderpfade) eingerichtet, die wie die „nature trails“ (Naturpfade) Wanderern und Naturfreunden die atemberaubende Landschaft, Flora und Fauna der Insel näher bringen, immer begleitet von erfahrenen Guides, die genau wissen, wo man den überaus seltenen St. Lucia Papagei zu Gesicht bekommen kann, was es mit den riesigen Farnen auf sich hat und den Aufsitzerpflanzen (Epiphyten), die auf anderen Pflanzen wachsen und sie kennen atemberaubende Aussichtsplattformen und die besten Rastplätze.

Blütenpracht auf St. Lucia

Übrigens: Auch der Gros Piton kann bestiegen werden, natürlich nur mit kundigem Guide!

In den Norden der Insel

Dorthin ist es nur ein Katzensprung von der Metropole Castries. Rodney Bay, Pigeon Island, Gros Islet und Cap Estate haben sich zu touristischen Zentren gemausert mit Amüsierbetrieb, guten Hotels und Restaurants, auch einen Golfplatz gibt es und alle erdenklichen Wassersportarten.

Heiraten auf St. Lucia

Dabei spielt die Rodney Bay eine besondere Rolle als riesiger Yachthafen mit großzügigen Einrichtungen. Die große Bucht ist alljährlich Zielhafen der „Atlantic Rally for Cruisers“, die von Las Palmas/Gran Canaria zur Atlantiküberquerung in See sticht. In der Rodney Bay liegt die aus dem Film „Pirates of the Caribbean / Fluch der Karibik“ bekannte brig „Unicorn“, die Charterfahrten anbietet.

St. Lucia Jazz Festival

St. Lucia Jazz Festival

Pigeon Island ist Gastgeber des weltberühmten „Saint Lucia Jazz Festivals“ und verspricht Heiratswilligen eine karibische Traumhochzeit. Offenbar mit Erfolg, denn St. Lucia wurde wie schon in den vergangenen Jahren auch 2012 zur „World`s Leading Honeymoon Destination“ gekürt. Cap Estate, wo auch der 18-Loch-Golfplatz in die Hügellandschaft eingepasst wurde, war früher eine Zuckerrohr-Plantage. Heute siedelt hier, wer viel Geld hat und auch die Hotels setzen auf gut betuchte Gäste. Weniger extravagant geht es im ehemaligen Fischerdorf Gros Islet zu. Fischfang spielt immer noch eine gewisse Rolle im Wirtschaftsleben, doch der Tourismus dominiert und dafür sorgt schon der populärste Strand der Westküste, Reduit Beach. Und so richtig turbulent wird es, wenn freitags Tagesgäste in Massen eintreffen, wenn das „Friday Night Jump up“ über die Bühne geht. Autos werden dann von den Straßen verbannt, Bands bringen sich in Stellung, in den Garküchen brodeln lokale Spezialitäten, die Rumshops machen glänzende Umsätze und wie jeden Freitag wird auch diese Straßenparty wieder ein voller Erfolg.

Eckart Fiene
Fotos: © St. Lucia Tourist Board

Mehr zu St. Lucia


Reportagen
Das Karbikidyll St. Lucia zwischen Regenwald und Kunst

St. Lucia




Das könnte Sie auch interessieren

.