Schwarzes Selbstbewusstsein in Südafrika

Mit dem Fahrrad durch Soweto

Text und Fotos: Rainer Heubeck

Weiße auf die linke Seite, Farbige und Inder rechts anstellen – am Eingang des Apartheidmuseums im Johannesburger Vorort Ormonde wird noch einmal lebendig, was Südafrika über Jahrzehnte zu einem Paria in der internationalen Staatenwelt gemacht hat: Eine Politik der Rassentrennung, die sämtliche Lebensbereiche durchzog.

Südafrika - Soweto

Heute sind nach Hautfarbe getrennte Busse, Taxis, öffentliche Parks, Strände und Wohnsiedlungen gottlob nur noch im Museum anzutreffen – und dem Leben des Mannes, der es geschafft hat, den Wandel in Südafrika weitgehend friedlich zu gestalten, sind im Apartheid-Museum gleich mehrere Ausstellungsräume gewidmet: Nelson Mandela.

Nelson Mandela und Erzbischof Desmond Tutu sind zwei engagierte und charismatische Südafrikaner, die beide mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurden und die im Land als Idole gelten. Auf ihre Spuren begibt man sich, wenn man von Johannesburg aus Richtung Südwesten fährt, in die South Western Townships, kurz Soweto genannt. Dort lebte Desmond Tutu lange Zeit – und die Familie von Nelson Mandela, genauer gesagt seine Ex-Frau Winnie, wohnt heute noch dort.

Südafrika - Soweto

Soweto, das ist mehr als ein Township-Konglomerat mit bis zum Horizont reichenden Armensiedlungen, in Soweto gab und gibt es auch Stadtteile wie Orlando West, das auch als das Beverly Hills der Stadt bezeichnet wird, einer Stadt, in der nach Schätzungen zwischen 3,5 bis 5 Millionen Menschen leben, die aber seit dem Jahr 2002 offiziell nur noch als ein Stadtteil von Johannesburg gilt. Doch Orlando West ist nur eine von vielen Facetten des Townshipverbunds, in dem in Zeiten der Apartheid Tausende von Minenarbeitern kaserniert und hinter Stacheldraht ihr Leben fristen mussten.

Für Südafrika-Urlauber, die mehr interessiert als nur Fußball und Safari, lohnt es sich sehr, Soweto kennen zu lernen. Nicht etwa, weil es hier besondere Sehenswürdigkeiten gibt, sondern vor allem, weil hier das Herz des schwarzen Südafrikas schlägt. Eines schwarzen Südafrikas, das den Weißen die Rassendiskriminierung verziehen hat – und das deshalb offen und neugierig reagiert, wenn weiße Besucher auftauchen.

Südafrika - Soweto - Lebu

Lebu

Der heute 33-jährige Lebu ist ein Pionier in Sachen Soweto-Tourismus. Er gründete im Jahr 2003 in Orlando eine einfache Pension, das Backpacker Soweto. Und er bietet seinen Gästen – sowie Reisegruppen, die in Johannesburg untergebracht sind, aber eine Tagestour hierher unternehmen - geführte Fahrradtouren durch das Township an. „Das Haus, in dem das Soweto Backpacker untergebracht ist, gehörte meinen Urgroßeltern. Auch ich lebte früher hier, mein Job war es, Kunsthandwerk an Touristen zu verkaufen. Dabei bemerkte ich, dass es vielen Besuchern nicht reicht, nur einen halben Tag in Soweto zu bleiben, sondern dass sie das Township richtig kennen lernen wollen.“

Südafrika - Soweto - Backpacker Soweto

Diese Möglichkeit kann Lebu ihnen nun bieten. Damit die Nachbarn sein Projekt unterstützen und nicht etwa neidisch reagieren, hat er sie von Anfang an aktiv mit einbezogen - er gibt ihnen Jobs, er beherbergt ehrenamtliche Helfer, die einen örtlichen Kindergarten unterstützen und er organisiert Säuberungsaktionen im Township. „Gegenüber von unserem Haus war früher ein Müllplatz. Aber wir haben aufgeräumt und einen Fußballplatz daraus gemacht.“

Südafrika - Soweto - Tshepo Matsile

Tshepo Matsile

Während Lebu das Konzept des sozial verträglichen Township-Tourismus erklärt, hat der 21-jährige Tshepo Matsile ein halbes Dutzend Fahrräder bereit gestellt – denn um in hautnahen Kontakt mit den Township-Bewohnern zu kommen, bringt es nichts, im klimatisierten Minibus durch die Straßen zu fahren. „Ihr müsst darauf gefasst sein, dass ab und zu Kinder herkommen und euch anfassen wollen“, erläutert Guide Tshepo, „das liegt einfach daran, dass viele von ihnen bislang selten einen Weißen gesehen haben.“

Südafrika - Soweto - Fahrradverleih

Soweto, das macht Tshepos Einführung deutlich, ist nicht zu verstehen ohne Johannesburg. Die heutige Millionenmetropole hat sich vom Jahr 1884 an fast aus dem Nichts heraus entwickelt. Der Grund dafür: Gold. Prospektoren hatten eine große Goldader ausfindig gemacht. Seitdem wuchs die Stadt explosionsartig - und weil die Infrastruktur dabei nicht mithielt, wurden im Jahr 1904 rund 2000 Schwarze und Inder in das Gebiet südwestlich der Stadt umgesiedelt. „Hier war nur flaches Land, die Besiedlung war nur als Provisorium gedacht, die Menschen sollten so lange hier bleiben, bis die Regierung direkt in Johannesburg genügend Häuser gebaut hat“, erläutert Tshepos.

Südarfika - Soweto

Doch es kam anders – die Siedler blieben und von Tag zu Tag kamen mehr Menschen hinzu. Viele von ihnen bauten sich im Garten anderer Leute eine einfache Blechhütte. „Solche einfachen Hütten, wir nennen sie Shacks, gibt es auch heute noch. Dafür bezahlt man meist zwischen 150 und 200 Rand Pacht, dazu kommen noch die Kosten für Strom und Wasser“ berichtet Zhepo Matsile.

Südafrika - Soweto - Hostels

Hostel

Als die Goldminen in Johannesburg, von denen heute mehr als 200 gewaltige Abraumhalden geblieben sind, mehr und mehr Arbeitskräfte brauchten, holte man Männer vom Land und brachte sie in Wohnsiedlungen unter. „In und um Soweto hatten wir insgesamt elf solcher ‚Hostels’, zehn davon waren für Männer, die in den Minen arbeiteten, das elfte Hostel war für Frauen, die als Dienstmädchen im Raum Johannesburg arbeiteten“, erklärt Zhepo. „Die Regierung wollte die Menschen kontrollieren, deshalb durften nur Einzelpersonen hier wohnen, keine Familien. Das Hostel, das wir während der Fahrradtour besuchen werden, hatte den Namen ‚Weißer Elefant’, denn während der Apartheid war es den Leuten nicht erlaubt, ihre Häuser bunt zu streichen - deshalb waren diese weiß wie ein Elefant“, erläutert Zhepo. Er führt seine Gäste, die für die Soweto-Radtour allesamt mit einem Helm ausgestattet wurden, nicht nur in eines der Hostels, die inzwischen zu einer normalen Mietsiedlung umfunktioniert wurden, sondern auch in einen Shebeen - eine halb offizielle einfache Einheimischen-Kneipe in einer Wellblechhütte, in der vor allem selbst gebrautes Bier ausgeschenkt wird. Die weißhäutigen Radfahrer werden dort zuerst etwas beäugt, dann stellen einige der Einheimischen ruhig und bedächtig ein paar Fragen. „Wie viel kostet es eigentlich, sich in Deutschland ein Gebiss machen zu lassen“, will ein etwa 50-jähriger Mann wissen, der nur noch wenige Zahnstummel im Mund hat, „hier in Südafrika kann man sich das nämlich kaum leisten.“

Südafrika - Soweto - Shebeen

Shebeen - eine halb offizielle einfache Einheimischen-Kneipe

Shebeens, so erfahren wir am Abend von Themby Nyandeni, einer Schauspielerin, Theatermanagerin und Choreographin, die in Soweto aufgewachsen ist, und deren Erfolgsmusical „Umoja – the spirit of togetherness“ im Johannesburger Victory Theater seit knapp zehn Jahren Abend für Abend von jungen Nachwuchstalenten aufgeführt wird, waren in der Zeit der Apartheid ein wichtiger Ort, um schwarze Identität zu pflegen – um politische Pläne zu schmieden, aber auch, um das Leben trotz Apartheid und Diskriminierung zu genießen. „Wir durften als Schwarze das Haus ohne ID Karte offiziell nicht verlassen, wenn die Polizei abends Licht im Haus gesehen hat, dann hat sie uns Schwierigkeiten gemacht. Aber das hat uns nicht davon abgehalten zu leben. Die Musik hat uns während der Apartheid am Leben gehalten, wir haben uns unsere eigenen Plätze geschaffen, wo wir unserer Freunde treffen konnten“, berichtet Themby Nyandeni.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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