Aufwachen mit Flusspferdgrunzen

Auf Safari im unentdeckten Süden von Tansania

Text und Fotos: Beate Schümann

Das grüne Dickicht ist dicht wie eine Wand. Kitoi rast mit dem Jeep in flottem Tempo an ihr vorbei. Plötzlich stoppt er. Wir starren gebannt in die Richtung, in die auch Kitoi starrt. Nichts zu sehen. Auf einmal öffnet sich der Blätterwald und der graue Kopf eines ausgewachsenen Elefanten bricht hervor. Fassungsloses Entsetzen auf beiden Seiten. Dann löst der Dickhäuter unter seinen Füßen ein Erdbeben aus, stampft, dreht sich um 180 Grad und galoppiert zurück in den Busch. Ein Rendezvous von Sekunden.

Tansania Safari Savanne

Guides brauchen im Selous Game Reserve einen siebten Sinn. Zwei Drittel des südtansanischen Wildreservats, das mit 50.000 Quadratmetern das weltweit größte ist, bestehen aus zugewachsenem Miombo-Wald. Da sind Jägerqualitäten gefragt. Sonst läuft einem kaum ein Tier vor das Objektiv. Es sei denn, ein träumender Elefant, und das hätte auch ins Auge gehen können. Die Wildnis zeigt im Selous ihr üppiges, grünes Gesicht. Ihre Lebensader ist der Rufiji River, mit 800 Kilometern Länge für afrikanische Verhältnisse ein kleiner Fluss.

Tansaania Safari Elefant

Unser Camp liegt auf einem Hochufer über dem breiten Strom, der zähflüssig wie Öl vorüber fließt. „Für den Rufiji habe ich meine Boutique in Bologna aufgegeben“, bekennt Luigi Bisognin, und es klingt, als wäre er aus dem Gefängnis entlassen worden. Vor gut fünfzehn Jahren baute Luigi das Rufiji River Camp auf. Rustikal, doch mit Warmwasserdusche, Spültoilette und Moskitonetz verfügen die Wohnzelte über einigen Komfort. Dass es bei dem Mann aus Italien jeden Abend Nudeln als Vorspeise gibt, versteht sich von selbst. Abends an der Bar erzählt er mit einer Mischung aus Stolz und Ehrfurcht, dass am Vorabend zwei Löwen durchs offene Camp marschiert sind. „Typisches Afrika-Latein“, raunt jemand. Doch am nächsten Morgen sind die Spuren noch gut zu erkennen.

Tansania Safari Löwen

Aufwachen mit Flusspferdgrunzen, eine undefinierbare Mischung aus Schiffssirene, Eselgeschrei und Lachsack. Ein zuverlässiger Weckdienst. Es ist 7 Uhr, 75 Prozent Luftfeuchtigkeit und 22 Grad. Verdammt kühl der Morgen. Wenig später macht nur noch der frische Luftzug bei der Flusssafari die Hitze erträglich. Mehr als 20.000 Hippos leben am Rufiji. Die meisten liegen darin wie blanke Granitfelsen. In der Uferböschung klemmen Monitorechsen. Goliath-Reiher, Störche und Pelikane auf Sandbänken, Fischadler auf Baumkronen. Am Ufer dösen Krokos, die hektisch ins Wasser rennen, sobald sich das knatternde Boot nähert. Je größer die Fluchtdistanz der Tiere, desto unbekannter ist der Mensch.

Ist Jagd Naturschutz?

Deshalb ist die Pirsch im Selous eher unbeliebt; die Tiere fliehen, ehe wir sie erahnen. Doch nur so kommt man ganz nah ran an die Wildnis, erklärt Kitoi, der den Walk am nächsten Tag wieder führt. Der 25jährige Massai hat in Arusha Tourismus studiert und arbeitet seit vier Jahren für Luigi. Sein Englisch ist perfekt. Er deutet Fußspuren im Sand, bestimmt den Kot, erklärt den Nestbau der Webervögel und Termitenhügel. Doch außer ein paar Giraffen, Marabus, einer Hyäne und einem Kassava-Affen verbirgt der Urwald seine Bewohner. Über die Wildparks hat Kitoi ohnehin eine eigene Meinung. „Die offizielle Legitimation unserer Regierung für so viel Wildparkfläche ist der Naturschutz“, erklärt Kitoi. Die Jagd wird erlaubt, weil sie angeblich das Gleichgewicht in der Tierwelt erhalte. Doch Kitoi überzeugt diese Argumentation nicht. „Bevor der Mensch in die Natur eingriff, hat die Tierwelt den Bestand selber geregelt.“ Heute übernehmen das Jäger, weil es dem Staat enorme Einnahmen bringt. „Richtig ist, dass wir ein armes Land sind und Geld brauchen. Aber die Jagd sollte nicht als Naturschutz hingestellt werden.“

Tansania Safari Am Fluss

Nur ein kleiner Teil des Selous ist für Fotosafari reserviert. Das größere Geschäft macht die Regierung mit den Jagdlizenzen. Ein Safaritourist lässt nur rund 1000 Dollar im Lande, dagegen gibt ein Großwildjäger gut das Zehnfache aus. Die staatliche Abschussprämie für einen Elefanten liegt bei 4.000 Dollar, mit Löwe oder Leopard kommen je 2.000 Dollar in die Staatskasse.

Luigi sitzt da, wo er jeden Abend sitzt: an der Bar. Seinen Platz verlässt er nur, um seinen Gästen einen Drink zu bringen oder einen Blick auf den Fluss zu werfen. Die Nacht ist rabenschwarz, und der Südhimmel hängt wie ein Weihnachtsbaum voller Sterne. „Der Rufiji bedeutet Segen und Fluch“, meint Luigi. „Er bringt Touristen, reißt aber auch jedes Jahr ein Stück des Ufers mit weg.“ Das Camp musste er schon einmal verlegen, aber ans Fortgehen denkt er nicht. „Afrika lässt einen nicht wieder los“, sagt Luigi und etwas Schwärmerisches schmuggelt sich in sein Gesicht.

Eine Sternstunde der Safari

Szenenwechsel. Giraffen, Elefanten und Zebras stehen in der offenen Savanne wie bestellt beisammen, eine Handvoll Wölkchen, ein mächtiger Baobabbaum mittendrin. Am Horizont spielt sich eine Sensation ab. Zu allem Überfluss zieht sich der Sonnenball hinter einer Hügelkette zurück, schlägt einen Farbenfächer von Blutrot über Bernstein bis Gelbgold und lodert weit in die Steppe hinein. Aufgeregt greifen alle zur Kamera – klack, klack, klack. Diese Silhouette ist die Sternstunde für Safarireisende. Freigebig stellt der Ruaha Nationalpark im südlichen Hochland Tansanias seine Schätze zur Schau. Der Kontrast ist perfekt.

Tansania Safari Jeep

„Jambo!“ – Hallo! begrüßt Sarah Fox gutgelaunt die Neuankömmlinge auf dem sandigen Landeplatz mitten im Wildgebiet. Ein besseres Empfangskomitee für ihre Gäste kann sich die braungebrannte Engländerin im Safari-Look nicht denken. „Ruaha ist einer der wild- und artenreichsten Naturparks in Afrika“, sagt sie lässig und fährt los. In der linken Hand das piepende Funkgerät, mit rechts lenkt sie den Landrover behutsam durchs Gelände. Das satte, dichte Grün des Selous ist verblasst. Ruaha protzt mit Gelb- und Grautönen, trockenen Schirmakazien, ausgedörrten Gräsern, verholzten Sträuchern und rußschwarzen Stöcken. Auch hier ist weit und breit kein Mensch zu sehen. Nirgendwo ein Jeep, asphaltierte Straßen, ein Schlagbaum, an dem Besucher abgezählt würden. Impalas springen im Zickzack. Dikdiks und Klippschliefer, angeblich nahe Verwandte des Elefanten, flitzen aufgescheucht durchs Unterholz. Giraffen knabbern an einer Akazie. Am Fluss grast seelenruhig eine Riesenherde Zebras. Dies muss eines der letzten Paradiese Afrikas sein.

Tansania Safari Wildnis

Die Ruaha River Lodge, die Sarah und ihr Mann Peter betreiben, liegt am gleichnamigen Fluss auf einem Felsen. Eines von fünf Camps im Ruaha Nationalpark, der mit 13.000 Quadratkilometern Tansanias zweitgrößter ist. Die rustikalen Bandas, wie die Hütten heißen, bestehen aus rohen Steinquadern mit Dächern aus Stroh, jede mit Dusche und WC - mehr Komfort gibt es nicht. Im unentdeckten Südtansania ist man nicht auf Gäste eingestellt, die Champagner und Kaviar brauchen.

Das Abendrot wird zur Sucht

"It’s tea-time, girls!“ flötet der schwarze Kellner, der Tee und zwei Butterkekse auf dem hölzernen Klapptisch vor der Banda serviert. Es ist kurz nach sechs, die beste Zeit, um Wildtiere zu sehen. Guide Francis und der Fahrer Ayubu laden zum „Drive“ ein. Beim Verlassen des Camps warnt ein Hinweisschild: „Animals are dangerous. Take no liberties with them!“ – Wildtiere sind gefährlich. „Manche Europäer finden unsere Katzen plötzlich so süß wie ihre eigenen“, erklärt Francis den Hinweis.

Tansania Safari Giraffe

Den Giraffen gehören sofort alle Sympathien. Mit der Grandezza des tansanischen Wappentiers stolzieren die Langhälse umher. Natürlich stellt Francis die Fangfrage aller Fangfragen: „Wie viele Halswirbel hat die Giraffe?“ - Sieben, nicht mehr als der Mensch. Wer es nicht wusste, geniert sich auf die Schulbank zurück. Ayubu fährt im Schritttempo abseits der Sandpisten durch Gestrüpp und Steine. Francis lauert mit Raubtieraugen den Wildtieren auf. „Kudus“, ruft Francis und zeigt in den Busch hinein. Während Francis Arm vom Zeigen schon halb lahm ist, sucht das untrainierte Auge die schiefergrau-sandbraune Landschaft wie im Suchbild nach den famos getarnten Streifenantilopen ab.

Tansania Safari Flusslandschaft

Nach den Elefanten zeigen sich am zweiten Tag drei der übrigen „Big Five“. Ein mächtiger schwarzer Kaffernbüffel an einer Wasserstelle. Dann macht Francis eine Löwenfamilie aus. Ayubu pirscht sich mit dem Rover bis auf wenige Meter heran und stellt den Motor ab. Wie zwei eitle Diven liegen Mutter und Tochter auf dem hohen Steinklotz und lassen sich wohlgefällig von allen Seiten, vom Tatzenheben bis Naserümpfen, ablichten. „Solange Ihr im Wagen bleibt, tun sie nichts“, beruhigt Francis aufkeimendes Herzklopfen. Nur Büffel, Elefanten und Nashörner stürzen einen Jeep locker um. „Rhinozerosse stellen jedoch keine Gefahr mehr dar“, sagt Ayubu bitter. „Wilderer haben sie so gut wie ausgerottet.“ In ganz Tansania leben nur noch 17 Spitzmaulnashörner. „Nur der Hunger treibt Wildtiere zur Jagd, nie das Besitzstreben. Unter Tieren gelten Respekt und faire Waffen.“ Mitten in der Wildnis stehen wir plötzlich vor den elementaren Fragen der Zivilisation.

Tansania Safari Abend

Abends im Camp treffen sich alle oben in der Felsen-Bar. Safarigeschichten werden ausgetauscht, alle klingen wie Eroberungen. Peter Fox ist den biblischen Frieden, der im Ruaha Nationalpark noch herrscht, froh. Die meisten Touristen klappern Tansanias Norden ab, die Serengeti, den Kilimanjaro und den Victoria See. Die Serengeti, flächenmäßig kaum größer als Ruaha, zählt jährlich rund 45.000 Besucher, Ruaha nicht einmal ein Zehntel. Dennoch wünscht sich der Camp-Chef mehr Tourismus. „Der Parkbetrieb kostet rund 700.000 Dollar im Jahr“, rechnet Peter vor. „Umgerechnet bräuchten wir jährlich 15.000 Gäste, um den Parkfrieden und den Schutzauftrag zu gewährleisten.“ Als die Sonne untergeht, gerät auch Peter ins Schwärmen: “Dieses Leben ohne Uhr, das sich einfach nach der Natur richtet, und dieses einmalige Abendrot, das ist wie eine Sucht.“ Als Finale dieses grandiosen Tages sehen wir auf der Spitze einer benachbarten Berggruppe gerade noch, wie sich der gescheckte Kopf eines Leoparden zurückzieht.

 

Reiseinformationen

Beste Reisezeit

Juni bis Dezember

Impfungen

Gelbfieberimpfung zwingend vorgeschrieben, Hepatitis-A + -B-Impfungen und Malaria-Prophylaxe empfehlenswert. Bei der Einreise nach Zanzibar ist eine Cholera-Impfung nachzuweisen.

Unterkunft

Ruaha River Lodge, P.O. Box 10270, Dar Es Salaam/Tansania, Tel./Fax 00255/811/32 77 06, Internet: www.ruahariverlodge.com.

Rufiji River Camp, P.O. Box 13824, Dar Es Salaam/Tansania, Tel. 00255/51/716 10 oder 751 64, Fax 751 65, e-Mail: hippo@twiga.com.

 

Website der Autorin: http://www.beate-schuemann.de

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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