Thailand

Bangkok per Fahrrad

Text und Fotos: Rainer Heubeck

Was macht ein Holländer, der in Bangkok lebt und einige Monate lang nichts zu tun hat? Er kauft sich ein Fahrrad und fährt ziellos durch die Gegend! So ging es jedenfalls dem heute 46-jährigen Andre Breuer, als sein Arbeitsvertrag bei einem Textilunternehmen ausgelaufen war.

Was Anfang nur als Hobby gedacht war, entwickelte sich schnell zur Geschäftsidee. Denn als Andre Breuer einige Routen entdeckt hatte, die ihm besonders gut gefielen, startete er ein Tourismus-Unternehmen, das geführte Fahrradtouren durch Bangkok anbietet. „So gut wie jeder“, beteuert Breuer, „hat das gleiche Bild von Bangkok –  eine riesige Stadt, die mehr als 1600 Quadratkilometer groß ist, in der es Hochhäuser gibt, Tempel und viel viel Verkehr: Staus, Tuktuks, zigtausende von Motorrädern und Taxis, stinkende alte Busse und Trucks. Nicht unbedingt eine Vorstellung, die dazu einlädt, Fahrrad zu fahren.“ Doch seitdem Breuer die Stadt fünf Monate lang mit dem Drahtesel erkundet hat, ist er sich sicher: „Fahrradfahren in Bangkok ist eine der besten Sachen, die man machen kann, man muss nur wissen, wohin man fährt.“

Thailand - Bangkok - Radreparatur

Fahrradfahren in Bangkok ist eine der besten Sachen, die man machen kann

„The Colors of Bangkok“, die Farben Bangkoks, so nennt sich eine der Touren, die Breuers Agentur „Recreational Bangkok Biking“ im Programm hat. Zweimal täglich begibt sich eine Gruppe, die grundsätzlich nicht mehr als acht Teilnehmer umfasst, auf die  knapp dreißig Kilometer lange Rundtour – die praktischerweise direkt bei Breuers Büro beginnt. Nach etwa zwanzig Minuten – auf recht verkehrsarmen Straßen -  werden die Gässchen enger und enger. Die Gruppe ist im Yannawa Distrikt angekommen, einem Armenviertel im Süden Bangkoks. „Wenn Sie in Afrika oder in Südamerika einen Slum besuchen, kann das für Sie sehr gefährlich sein, aber hier in Bangkok, in Thailand, geht das in Ordnung.

Thailand - Bangkok - Armenviertel

Armenviertel in Bangkok

Die meisten Thais sind Buddhisten, sie mögen es nicht  zu streiten“, erläutert der 31-jährige Nanthaphong Photchanaphimon, genannt Nicky, der regelmäßig solche Fahrradtouren begleitet.  Und in der Tat, die Radfahrer werden freundlich begrüßt, vor allem von den Kindern, die winken oder  ihre Hand herausstrecken, wenn die Radfahrer vorbeikommen. Die einfachen Holzhäuser sind offen einsehbar, der Blick schweift fast automatisch in die Küchen und Wohnzimmer. Doch die Anwohner sind das gewohnt, schließlich kommen hier schon seit längerem zwei Mal am Tag weißhäutige Radfahrer vorbei. „Ausländer aus dem Westen nennen wir hier in Thailand Farangs“, erklärt Nicky, „das Wort kommt ursprünglich vom Wort ‚français’, Franzosen, aber das konnten wir nicht so richtig aussprechen“, erklärt Nicky -  und stoppt nach wenigen Minuten an einer Schule, die von Bangkok Biking seit mehr als zwei Jahren finanziell unterstützt wird. Das Klassenzimmer ist von der Straße aus einsehbar: rund dreißig Kinder befinden sich darin, sie liegen dicht an dicht auf dem Fußboden und halten gerade ihr Mittagsschläfchen.

Da wollen die Radfahrer nicht stören – und klettern stattdessen kurz darauf in ein kleines Holzboot, das sie über den Chao Phraya-Fluss in den Phra Padaeng Distrikt bringt – wo sich die Umgebung nach kurzer Zeit ändert. Kleine, maximal einen Meter breite Betonwege, die von Wassergräben gesäumt sind, führen durch eine grüne, fast dschungelartig anmutende Landschaft. Fahrradfahren in Bangkok – es ist doch gefährlich! „Ihr müsst aufpassen, es gibt hier scharfe Neunzig-Grad-Kurven – wer da gerade aus fährt, landet direkt im Wasser“, warnt Nicky. Die Radfahrer, eine Gruppe Männer und Frauen, die diesmal aus England, Holland und Deutschland kommen, nehmen es sich zu Herzen – und überstehen die nächsten Stunden heil. „Die meisten Einheimischen wissen gar nicht, dass dieses Idyll hier existiert. Auch ich selbst bin nie hierher gekommen – bevor ich damit angefangen hatte, für Andre zu arbeiten. Ich hatte das Gebiet zwar schon einige Male von Hochhäusern aus gesehen, ich dachte mir immer, das sieht so grün aus, was ist das nur -  aber kennen gelernt habe ich es erst, als ich meinen Job angefangen hatte“, verrät Nicky.

Thailand - Bangkok

Bananenstauden und Palmen,  Mango- und Papayabäume spenden den Radfahrern wohltuenden Schatten - und doch sind es von hier aus nur fünf Kilometer bis zur Silom-Straße, einer der Hauptschlagadern des Molochs Bangkok. Moloch? Davon ist hier wenig zu spüren. Es ist ruhig, nur die Vögel zwitschern und ein paar Pfadfindergruppen sind unterwegs. Einen kleinen Pavillon am Rande eines Sees haben die sieben Radfahrer ganz für sich alleine. Nicky hat Fischfutter gekauft – doch das lockt nicht nur Fische an, sondern auch einen Hund mit weißer Schnauze und schwarzen Ohren, „Der kommt jedes Mal, wenn unsere Gruppe hier ist. Er weiß, wenn wir die Fische füttern, hat er leichte Beute“, versichert Nicky.

Thailand - Bangkok - Pavillon am See

Kleiner Pavillon am Rande eines Sees

Nachdem sich der Vierbeiner nach langem Zögern einen Fisch geschnappt hat, der ihm fast in den Mund geschwommen ist, werden auch die sieben Radfahrer allmählich hungrig. Ein kleines Straßenrestaurant in der Nähe eines kleinen buddhistischen Tempels freut sich über Besucher. Es gibt Shrimps mit Gemüse und Sojasprossen. Kein austauschbares Touristenmenü, sonder typisch thailändisch.

Thailand - Bangkok - Thaifood

Shrimps mit Gemüse und Sojasprossen

„Bei ‚Colors of Bangkok’ wollen wir die verborgenen Schönheiten der Stadt zeigen. Ich bin überzeugt, dass diese Fahrradtour das Bild, das die Besucher von Bangkok haben, für immer verändert“, versichert Andre Breuer, dem es nichts  ausmacht, dass etliche Thais ihn für verrückt halten. Denn er gibt Summen für seine Fahrräder aus, für die sich die Einheimischen allenfalls Motorräder anschaffen. „Mir gefällt das Fahrradfahren in Bangkok inzwischen viel besser als in Holland“, sagt Breuer, „denn in Holland regnet es ständig und man hat Wind - und es kommt mir so vor, als ob es meistens Gegenwind ist.“

Mit Wind haben die Fahrradfahrer in Bangkok keine Probleme, stattdessen jedoch zuweilen mit der Sonne. „Viele Leute machen die Tour am Vormittag, weil sie denken, dass es dann kühler ist, aber sie vergessen, dass es von Stunde zu Stunde wärmer wird. Wer die Colors of Bangkok-Tour für den Nachmittag bucht, der hat die Situation, dass es anfangs zwar meist heiß ist, aber dann von Stunde zu Stunde angenehmer wird.“ Ein Vorteil der Tour ist ohnehin, dass die Pedalritter etwa die Hälfte der Zeit unter Schatten spendenden Bäumen entlang fahren. „Unser ältester Teilnehmer war 78 Jahre alt, und auch er hat die Tour ohne Probleme geschafft“, verrät Andre Breuer.

Thailand - Bangkok - Tempeldach

Giebel eines Tempelsdachs

Eine Tour durch Bangkok, das wäre unvollständig, wenn nicht auch an etlichen Tempeln angehalten würde. „Im Grunde genommen haben wir hier in Bangkok an fast jeder Ecke einen Tempel, fast so, wie wir auch überall einen Seven Eleven-Supermarkt haben“, meint Nicky schmunzelnd, bevor der am Wat Worawihan anhält. Dieser Tempel, so versichert er, hat eine Besonderheit. Er ist nicht, wie die üblichen Pagoden, rund und glockenförmig, sondern verfügt über lange gestaffelte Dächer, wie die Pagoden in Burma, erläutert Nicky – bevor er sich mit seiner Gruppe auf den Rückweg macht. Noch einmal werden die Fahrräder in ein Longtail-Boot gehievt. Auf dem Fluss- und Kanalsystem Bangkoks sind diese Boote ein wichtiges öffentliches Verkehrsmittel.

Thailnad - Bangkok - Boote auf dem Fluss

Der letzte Stopp: Ein Trainingszentrum für Thai-Boxer, eine Schule, die von der Polizei betrieben wird, in der aber auch Schulkinder trainieren können. „Viele Jungs, insbesondere aus den armen Familien, träumen davon, Profiboxer zu werden, aber die Konkurrenz ist sehr hat, man muss der Beste der Besten sein, um sich durchzusetzen“, erläutert Nicky – bevor er sich ein letztes Mal für heute in den Sattel schwingt.

Thailand - Bangkok - Thaiboxer

Beim Thai-Boxen wird nicht nur mit Fäusten gekämpft

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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