Elefanten im Taj Mahal und Weltkugeln auf dem Dach

Kunstvolle und kuriose Architektur-Attraktionen in Budapest

Text und Fotos: Rainer Heubeck

Die ungarische Hauptstadt Budapest lockt Besucher nicht nur durch den Panoramablick von den Hügeln Budas aus, sondern auch durch ihre architektonische Vielfalt. Viele der prächtigsten und interessantesten Gebäude entstanden in einer Blütephase der Stadt, die 1896 Gastgeber der Weltausstellung war und gleichzeitig das tausendjährige Jubiläum Ungarns feierte: in der Zeit von 1890 bis 1914.

Ungarn - Budapest - Geologische Institut im 14. Budapester Stadtbezirk

Geologische Institut

In diesem Zeitraum, genau genommen von 1897 bis 1899, wurde auch das Geologische Institut im 14. Budapester Stadtbezirk errichtet. Die Pläne dafür stammten von dem Avantgarde-Architekten Ödön Lechner, der vielen als der ungarische Antoni Gaudi gilt. Lechner war ein Wegbereiter der Sezessionsarchitektur – der ungarischen Variante des Jugendstil bzw. des Art Nouveau. Ödön Lechner ließ in die Gestaltung des Instituts Motive der ungarischen Volkskunst einfließen, vor allem Blumen und Lebensbäume, schmückte die Wände aber auch mit abstrahierten Fossilienreliefs. Er wollte einen deutlichen Bezug zur Funktion des Gebäudes.

Ungarn - Budapest - Innenräume des Geologischen Instututs

Innenräume des Geologischen Instututs

Dies zeigt sich auch auf dem Dach des Instituts, das im Rahmen von Sonderführungen, etwa am Tag des offenen Denkmals, über eine wacklige Wendeltreppe erreichbar ist: Auf einer der Spitzen hat Lechner einen überdimensionierten Globus aus Metall anbringen lassen, der von drei Figuren gehalten wird. Diese scheinen die Last der Welt auf ihren Schultern zu tragen. Das in verschiedenen Blautönen gehaltene Dach des Geologischen Instituts ist mit Keramikfliesen bedeckt, die aus der Zsolnay-Keramikmanufaktur in der südungarischen Stadt Pecs stammen. „Die blaue Farbe findet man an vielen Jugendstilgebäuden in Budapest. Sie sollte eine Art Verbindung oder Brücke zum Himmel darstellen“, erläutert der Journalist und Budapest-Kenner Richard Bogdan. Doch auf dem Weg zum Himmel lauern oftmals Drachen oder Dämonen. Architektur als Philosophie: „Wir müssen erst unsere eigenen Kämpfe zu Ende führen und unsere Monster töten, um über die Brücke zu gehen“, so lautet für Richard Bogdan die Botschaft dieser Gebäude.

Ungarn - Budapest - Geologisches Institut

Globus aus Metall, der von drei Figuren gehalten wird

Ein blaues Dach auf einem markanten Jugendstilgebäude – das finden Besucher Budapests auch an Orten, an denen sie es nicht vermuten – zum Beispiel im Budapester Zoo. Der Tiergarten der Donaumetropole wurde im Jahr 1866 gegründet und war bis zum Jahr 1907 ein Privatunternehmen – doch dann ging die Betreiberfirma bankrott. Zu den Aushängeschildern des Zoos, der 1912 als kommunale Einrichtung wieder eröffnet wurde und an dessen Eingangstor ein Elefantenkopf prangt, der aus der Keramikfabrik in Zsolnay stammt, gehört seit der Neugestaltung das von Kornél Neuschloss entworfene Elefantenhaus.

Ungarn - Budapest - Budapester Zoo

Elefantenhaus im Budapester Zoo

Viele Besucher kommen nicht wegen der Elefanten und Nilpferde hierher, die in dem Gebäude in den Wintermonaten Schutz finden, sondern weil sie fasziniert sind von seiner eigenwilligen Gestaltung. Die Idee der Zoodesigner, die unter der Leitung des Architekten Karoly Kos standen, war es, Tiere in einer architektonischen Umgebung unterzubringen, die an ihr Herkunftsland erinnert. Für die indischen Elefanten nahm sich Kornél Neuschloss deshalb kein geringeres Gebäude zum Vorbild als den Taj Mahal, die legendäre indische Grab-Moschee, die erst kürzlich zu einem der sieben neuen Weltwunder der Menschheit gewählt wurde.

Ungarn - Budapest - Zoo - Gang

Die Elefanten waren mit ihrer kunstvollen Jugendstil-Behausung durchaus zufrieden – dennoch führte das Bauwerk, das mit Dächern aus Keramik, einem sehenswerten Mosaikboden und einem 850 Kilo schweren Leuchter ausgestattet wurde, während des 1. Weltkriegs zu diplomatischen Verwicklungen. Dem türkischen Sultan war das Minarett, das zum Elefantenhaus gehörte, ein Dorn im Auge. Auf seinen Wunsch hin musste es 1915 wieder abgerissen werden. Erst als das Haus, das im zweiten Weltkrieg stark beschädigt wurde, in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts restauriert wurde, hatte man den Turm wieder aufgebaut.

Ungarn - Budapest - Zoo - Elefantenhaus

Elefantenhaus im Budapester Zoo

Zu Stein erstarrte Musik, so wird Architektur oftmals genannt. Gerade auf die Jugendstilarchitektur Budapests scheint dies auch tatsächlich zuzutreffen. Wer diese versteinerte Musik zu sehen bekommt, war für die Jugendstil-Pioniere wie Kornél Neuschloss, der den Elefanten im Zoo einen regelrechten Palast baute, und für Ödön Lechner eher zweitrangig. Bei der Gestaltung der Budapester Postsparkasse, die kurz nach dem Geologischen Institut errichtet wurde und dessen Dachgiebel mit Stierköpfen und Schlangenformen verziert wurden, brachte Lechner auch auf dem gelb-grünen Dach zahlreiche Ornamente an. Diese waren und sind von der Straße aus nicht zu erkennen. Den Einwand von Kritikern, dass kein Mensch diese Dachkunst wahrnehmen könne, ließ Lechner jedoch nicht gelten - schließlich, so betonte er, könnten sich ja die Vögel an seinen Kreationen erfreuen.

Ungarn - Budapest - Bedö-Haus in der Budapester Honvéd-Straße

Bedö-Haus in der Budapester Honvéd-Straße

Ganz auf menschliche Besucher ausgerichtet ist hingegen das 1903 errichtete Bedö-Haus in der Budapester Honvéd-Straße. Hier zeigt der Bauunternehmer und Kunstsammler Tivadar Vad seit dem Jahr 2007 auf drei Etagen eine beachtliche Sammlung von Möbeln, Bildern, Gebrauchsgegenständen, Schmuckstücken und Dekorationen aus dem Bereich der Donaumonarchie, aber auch aus Deutschland und England. Die Objekte stammen zum Großteil aus der Zeit von 1890 bis 1925 und sind fast durchweg vom Jugendstil geprägt. Ein Museum in dem man sich treiben lassen kann und in dem jeder Besucher sein persönliches Kleinod finden kann. Statt mit Schautafeln und Multimediapräsentationen besticht die Sammlung mit verschnörkelten und verzierten Kunstwerken, die bunt durcheinander gewürfelt erscheinen, und die bei längerer Betrachtung immer neue Details preisgeben.

Ungarn - Budapest - Bedö-Haus - Jugenstilfiguren

Neben großen repräsentativen Einrichtungsensembles, wie einem Esszimmer für zwölf Personen, finden sich auch eine Reihe von Kuriositäten – etwa ein Kinderwagen für Zwillinge, in dem die Kinder sich gegenüber sitzen. Sollten sie jedoch streiten, kann die Sitzfläche umgestellt werden – und die Zankhähne sitzen Rücken an Rücken. Oder ein Makeup-Tisch, der wie eine schwere alte Bibel gestaltet ist. Dadurch erinnert er bei jedem Schminkvorgang daran, dass der Stolz zu den sieben Todsünden gehört.

Ungarn - Budapest - Bedö-Haus

Im Bedö-Haus

Das komplette Esszimmerensemble freilich ist ein echter Glücksfall. „Wenn der Besitzer solcher Sets gestorben ist, wurden sie häufig unter den Erben aufgeteilt, der eine bekam den Tisch, der nächste das Geschirr, ein anderer die Uhr“, erläutert Kunstkenner Richard Bogdan. „Dazu kommt, dass in der kommunistischen Zeit viele alte Möbel zerstört wurden, weil sie nicht in die damals vorherrschenden Mini-Wohnungen passten“, ergänzt Bogdan. Wer das Bedö-Haus, in dem auch ein kleines, im Jugendstil gestaltetes Cafe untergebracht ist, besucht, der tut gut daran, das Gebäude auch von außen zu betrachten – denn Tivadar Vad hat die einstige Jugendstilperle, die in kommunistischer Zeit zu verfallen drohte, mit viel Liebe zum Detail restauriert – und damit zu einem Juwel in der Pester Innenstadt werden lassen.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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