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Mehr als Paprika und Piroschka

Entdeckungen im Süden Ungarns

Text und Fotos: Rainer Heubeck

Ob Ferien auf dem Bauernhof oder der Besuch in einem Weinkeller, ob eine Stippvisite in der größten Porzellanmanufaktur der Welt oder ein Bummel durch die sympathische Universitätsstadt Pécs – auch jenseits von Budapest und dem Plattensee hat der Süden Ungarns viel zu bieten.

Ungarn Musiker

Zigeunermusik: das "klassische" Bild von Ungarn

Flach ist das Land, es knallen die Peitschen, Pferdehirten sitzen am Lagerfeuer und essen. Was? Gulasch natürlich. Irgendwie passt in dieses Bild noch ein kleiner Bahnhof - doch wer steht am Bahnsteig und winkt? Piroschka natürlich. Hach, beinah hätten wir den Paprika und die Zigeunermusik vergessen, dabei spielt die doch überall - zumindest in den Vorstellungen so mancher Besucher. Und tatsächlich gibt es einen Teil dieser Projektion zu entdecken, denn flach ist das Land ja ohne Frage.

Im östlichen Teil, also diesseits der Donau, erstrecken sich die Weiten der großen ungarischen Tiefebene. Auf der anderen Seite der Donau hingegen, drüben in Transdanubien, wird es zuweilen recht hügelig. Ein Unterschied, den man bereits in der Hauptstadt Budapest bemerken kann: links der Donau - flussabwärts betrachtet - das

Ungarn Budapest

Die Donau teilt Budapest

frühere Pest, rechts der Donau, auf Hügeln gelegen, das herrschaftliche Buda. Mit dem Königspalast und der Fischerbastei, der Matthiaskirche und dem alles überragenden Gellertberg.

Türkische Minarette und köstlicher Rotwein

Ungarn WinzerUnd je weiter südlich man kommt, desto mediterraner wird das Flair. Wer nämlich Orte wie Pécs oder Villány besucht, lernt ein Ungarn kennen, in dem Weinberge zu finden sind und Spuren der frühen Christianisierung, aber auch türkische Minarette. Hier bewirtschaftet Zoltán Polgár (Foto rechts) seinen Weinkeller, und um seinen Kunden etwas Besonderes bieten zu können, vermietet der hoch dekorierte Winzer auch Wein-Schließfächer, inklusive eines Wein-Abonnements für Jahrzehnte. Ist das nicht ein Tipp für so manchen Liebhaber außergewöhnlicher Tropfen? Ist doch die etwa dreißig Kilometer lange Weinstraße zwischen Villány, wo Zoltán Polgár lebt, und Siklós ein Dorado für Rotweinliebhaber. Wer hier einen Merlot, einen Blauen Portugieser oder einen Cabernet Sauvignon bestellt, wird sich mit jedem Schluck an dieser Auswahl delektieren.

Das Zentrum dieser Region aber ist Pécs, zu deutsch Fünfkirchen. Schon 1009 machte König Stephan der Heilige die Stadt zum Sitz eines Bistums. Die frühchristlichen Grabkammern, die hier gefunden wurden, gehören zum Weltkulturerbe der Unesco. Die Wandmalereien und Deckenfresken in den Grabkammern stammen zum Teil aus dem vierten Jahrhundert. Bereits 1367 gab es in Pécs eine Universität. Leider ist von den Gebäuden dieser Alma Mater, die als eine der ersten Europas Geschichte schrieb, nichts übrig geblieben. Anders der Dom von St. Peter, der aus der Zeit König Stephans stammt und trotz Umbauten und Rekonstruktionen seine romanischen Grundzüge erhalten hat - und der die Stadt mit seinen mittelalterlichen Ecktürmen ganz selbstverständlich dominiert.

Ungarn Pecs Dom St. Peter

Pécs: der Dom St. Peter

Ein weiteres Gotteshaus, die innerstädtische Pfarrkirche, überrascht durch ein Kuppeldach: Ghasi Kassim Pascha errichtete das Gebäude während der Türkenherrschaft einst als Moschee.

Zwischen Disco und Dorfidylle

Ungarn Abteikirche TihanyWährend Kreuz und Halbmond in Pécs scheinbar eine Symbiose eingegangen sind, wurde die Abteikirche in Tihany (Foto rechts) während der türkischen Besatzungszeit als Festung genutzt - und niemals eingenommen. In der schmucken Barockkirche am Nordufer des Balatons, zu deutsch Plattensee, gefallen nicht nur die Schnitzereien des österreichischen Benediktinermönchs Sebastian Stuhlhoff. Die Ungarn pilgern aus einem ganz anderen Grund hierher: Im ältesten Teil der Abtei, in der romanischen Krypta aus dem elften Jahrhundert, liegt Ungarnkönig Andreas I. begraben. Wer die Abteikirche besucht, bleibt schon deshalb nicht allein.

Der Weg den Hügel hinauf, denn die Kirche thront etwa hundertzwanzig Meter über dem See, führt vorbei an Souvenirständen, an denen lokales Kunsthandwerk und Spitzendecken verkauft werden. Kein Zweifel, der Balaton ist das wichtigste Tourismusziel in Ungarn. Warmes Wasser und flache Strände machen den Plattensee vor allem für Familien mit Kindern zu einem Erlebnis. Der größte Binnensee Mitteleuropas ist fast siebzig Kilometer lang und hat einen Uferumfang von knapp zweihundert Kilometern. Allerdings: Städte wie Siofók und Balatonfüred sind alles andere als ein Geheimtipp. Hier reiht sich Hotel an Hotel, hier locken Discos und andere Vergnügungen.

Ungarn Plattensee

Am Plattensee

Wer es ruhiger mag, für den lohnt ein Besuch in einem der neugeschaffenen Urlaubsdörfer, die Ferien auf dem Bauernhof anbieten - beispielsweise in Bonnya. Inmitten des Hügellandes von Somogy lebt man direkt in der Natur. Die Unterbringung ist familiär, aber dennoch komfortabel, und wer Töpfern lernen oder eine Kutschfahrt unternehmen möchte, ist hier an der richtigen Adresse.

Porzellan für die Kaiserin

Auf dem Rückweg nach Budapest empfiehlt sich ein Stopp bei der Porzellanmanufaktur in Herend. Um ungarische Handwerkskunst zu erleben, vielleicht aber auch, um ein handgefertigtes Porzellanservice zu erstehen, auch wenn es nicht ganz preiswert sein wird.

Ungarn Porzellanmanufaktur

Porzellanbemalung

Das kunstvolle Geschirr aus dem ungarischen Meißen begeisterte schon Kaiser Franz Josef und Kaiserin Sissi. Die Manufaktur, die heute fast zweitausend Mitarbeiter beschäftigt - darunter allein sechshundert Porzellanmaler - bietet ihren Besuchern ein besonderes Highlight: Porzellanherstellung zum Anfassen. So führen im Porcellanium die Künstler vor, was es heißt, eine der kostbaren Skulpturen zu formen, Teller zu bemalen oder eine hauchdünne Tasse zu verzieren. Schon dies Erlebnis allein lohnt den Weg hierher und - ungarisches Gulasch steht in nahezu jedem Restaurant auf der Speisekarte. Mit Paprika, versteht sich.

Ungarn Paprika

Reiseinformationen zu Ungarn

Ungarisches Tourismusamt
Wilhelmstr. 61
10117 Berlin
Telefon 030/2431460
www.ungarn-tourismus.de

Budapester Tourismusamt
Március 15 tér 7
H-1056 Budapest
Telefon 0036/1/322-4098
www.budapestinfo.hu/de

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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