Jenseits von Paprika und Puszta

 In Zala: eine Radtour durch den Süden Ungarns

Text und Fotos: Judith Weibrecht

Das ist wahre Gastfreundschaft! Die lange Tafel der kühlen Burg ist schon gedeckt: Nudelsuppe, Büffel-Pörkölt, Szapary-Torte. Man versteht zu speisen und die Gäste zu verwöhnen. Aus eigener Büffelzucht sei unser Hauptgericht, beeilt sich der Bürgermeister von Szécsisziget zu versichern, aus deren Milch man aber auch Käse mache, oder sie vor den Wagen spanne. Doch das ist nicht alles: Auch mit lokalem Wein werden wir verwöhnt, denn wir befinden uns hier in der 22. Weinbauregion Ungarns! Zeit hat er, der Bürgermeister und freut sich über die zahlreichen Gäste in der schmuck renovierten, gelb und weiß angestrichenen Burg.

Ungarn Zala Beschilderung

Doch die malerische Burg von Szécsisziget ist auch Fahrradstation! Wie praktisch: Fahrradpumpen, Flickzeug, Radverleih, all das gibt es hier für den entdeckungsfreudigen Touristen. Denn Paprika und Puszta findet man hier nicht. Dafür ein Ungarn, wie es keiner kennt. Grüne Hügel, uralte Bäume, Ruhe und urige Dörfer in denen die Zeit innehält, so scheint es.

Ungarn Zala Arboretum

Natur pur im Arboretum

Natur pur und Kleinigkeiten gilt es zu entdecken für den, der genauer hinsieht. Dazu Straßen, die nur selten ein Auto sehen. Wie geschaffen also für Fahrradfahrer, die Region Süd-Zala im Südwesten Ungarns! Sie wurde erst kürzlich für den Fahrradtourismus erschlossen, das bedeutet: Bestens ausgeschildert und mit Kartenmaterial und Prospekten versehen, in denen man auch die fahrradfreundlichen Betriebe entlang des Weges findet.

Ungarn Zala Brunnen

Pause am Brunnen

Happy Bike, das sind junge enthusiastische Ungarn, die sich zusammen geschlossen haben, um ihren Traum zu verwirklichen, nämlich in Zusammenarbeit mit dem ungarischen Fahrradverein das Radwegenetz in Ungarn auszubauen. Dies scheint zu gelingen, denn vier Regionen wurden bereits erschlossen: Sokoró in West-Transdanubien, Pilis Ost und West (die Regionen am so genannten Donauknie) und eben Süd-Zala.

Im Büffelreservat

Also los jetzt und auf die Räder geschwungen! Die erste Station finden wir gleich um die Ecke: Das Büffelreservat! Die mächtigen Tiere interessieren sich gar nicht für uns, sondern eher für Wasser und Schlamm. Kein Wunder bei der Hitze! Schon jetzt denke ich wehmütig an die kühle Burg zurück, doch das schwere Essen muss schließlich abgearbeitet werden. Die Schilder weisen nach links, eine steile Straße hinauf Richtung Tormafölde. Rechts gackern wahre Kampfhühner mit strammen Schenkeln in einem Garten um die Wette.

Ungarn Zala unterwegs mit dem Rad

Unterwegs ...

Wir landen im Urbuchenwald von Vétyem. Einem Urwald, in dem seit fünfzig Jahren kein Baum mehr gefällt wurde! Auch hier ist es kühler als auf der sonnenbeschienenen „Straße“, die anscheinend nur für uns da ist. Lediglich ein Wartburg kommt dahergetuckert. Bin ich im Museum?

Ungarn Zala Mittagessen

... zur nächsten Mahlzeit

Doch der nächste Strudel wartet schon. In Lispeszentadorjánban nämlich, wo wir natürlich vom Bürgermeister und sogar vom Hum-tata einer Blaskapelle empfangen werden! Die Strudel werden uns in drei Formen angeboten: Mit Mohn, mit Quark und Rosinen oder mit Kraut. „Was tut einer hier, wenn er nicht Rad fährt?“ denke ich noch und ergebe mich. Achtzig Einwohner hat das Dorf, sagt der Bürgermeister, und eine Klosterruine aus dem 14. Jahrhundert. Ruine, weil das Kloster einst von den Türken zerstört worden sei. Es gebe dabei nur ein Problem: Keiner wisse, wo die Reste zu finden seien. Auch sein Freund, der stämmige rotwangige Winzer, ist ein Scherzkeks. Während wir die verschiedenen Weinsorten testen, gibt er einige Kalauer zum Besten.

Am liebsten im Wasser

Mit so viel Wein und Strudel im Bauch fährt es sich gar nicht mehr leicht, doch wir wollen noch bis Bázakerettye, um dort zu übernachten. Man schlingert vor sich hin, nimmt Anstiege langsam und gelassen, dafür Abfahrten umso lieber und mit Schwung. Angekommen im fahrradfahrerfreundlichen Hotel mit Radgarage gibt es, erraten, erst mal Abendessen. Dreigängig! Kalte Obstsuppe, Schweinefleisch mit Kartoffeln, Eisbecher. Und Wein natürlich. Der Schlaf war tief.

Ungarn Zala Museumsbahn

Konkurrenz zum Fahrrad: die Museumsbahn

Vor Ort in Bázakarettye gibt es eine neu angelegte Therme. Wie überhaupt Ungarn von Thermen durchzogen ist, und der Ungarn liebster Aufenthaltsort das Wasser zu sein scheint. Wasserball ist die beliebteste Sportart und György, unser Radwanderführer, erzählt, dass er als Kind sommers wie winters dreimal die Woche morgens um sechs zum Training ging. Eine willkommene Abwechslung auch für Radfahrer! Die hiesige Therme wurde mit Hilfe der Gelder, die aus den Ölvorkommen sprudeln, gebaut. Auch darüber werden wir informiert, denn schließlich befinden wir uns hier auf dem ältesten Ölfeld Ungarns, das schon im Zweiten Weltkrieg zu Verwicklungen führte. Mit dem Rad geht’s also zu einer Ölpumpe und weiter ins Mini-Ölmuseum mit Fotos und Gegenständen zur Ölförderung aus alten Zeiten.

Ungarn Zala Idylle am See

Eine Idylle am See

Und so geht es immerzu in dieser wahrhaft ruhigen Gegend. Wir besuchen ein Arboretum, eine Art Botanischen Garten für Bäume, treffen einen jungen Angler und erfahren fast alles über die lokale Pflanzenwelt während einer Führung. Ein Stück des Wegs fahren wir ab Törösznek sogar mit einem Museumsbähnchen, auf dem man die Räder mitnehmen kann, und vom offenen Waggon aus einen herrlichen Blick auf die grüne Landschaft hat. Letzte Station ist der See von Kistolmács.

Ungarn Zala Badebetrieb

Badebetrieb am See von Kistolmács

Und neben dem See gibt es, Sie haben es sicher erraten, ein nettes kleines Restaurant mit üppigen Speisen auf großen Tellern. Dazu leckeren Wein. „Köszönöm!“ - danke - übe ich mich in der schwierigen ungarischen Sprache

Ungarn Zala Fahrräder

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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