Mit Muschelgeld auf Brautschau

Historische und kulturelle Kapriolen in Papua Neuguinea

Text und Fotos: Volker Mehnert

Kannibalen und Kopfjäger gehören der Vergangenheit an. Aber stundenlang könnte man erzählen von merkwürdigen melanesischen Sitten, manchmal vermischt mit europäischen Bräuchen, die in Papua Neuguinea verbreitet sind. Begleiten sie uns auf einer abenteuerlichen Reise durch ein fernes, fremdes Land.

papua Neuguinea Segelboot

Schweine gelten als Statussymbol Nummer eins, und in vielen Dörfern führen die Männer stolz ihre besten Schweine am Halsband spazieren. Stammesfehden im Hochland enden mit einem gemeinsamen Fest, bei dem Hunderte von Schweinen in einem riesigen Erdofen, bedeckt mit heißen Steinen und Bananenblättern, gegart werden. Zwischen den ernsthaften Kämpfen vertreibt man sich die Zeit mit einem Wurfpfeilspiel, das von den britischen Darts abgeleitet sein mag, wegen der großen Entfernung zur Zielscheibe aber mehr an Speerwerfen erinnert.

Papua Neuguinea Männer-Tanzgruppe

Beim Mendi-Clan im Süden des Landes reiben sich frisch verheiratete Frauen mit einem schwarzen Pflanzenöl ein, das den Ehemann nach der Hochzeit einen Monat lang von körperlichem Kontakt abschrecken soll. In manchen Teilen des Hochlands misstrauen die Männer den Frauen, die angeblich Krankheiten verbreiten, so grundsätzlich, dass die mutigen Krieger ein Leben lang in eigenen Männerhäusern wohnen. Die Mud Men von Asaro schmieren sich traditionell mit Schlamm ein, bevor sie in den Kampf ziehen und führen ihren gespenstisch-kriegerischen Auftritt heute für gutes Geld den Touristen vor. Auf den Trobriand Islands spielen barbusige einheimische Mädchen in kurzen Baströckchen englisches Cricket, das dort von Missionaren eingeführt wurde, um die Menschen von Stammeskämpfen abzuhalten. Wo immer man hinkommt in diesem Land - man ist auf Schritt und Tritt mit kulturellen und historischen Kapriolen konfrontiert.

Papua Neuguinea Kinder auf dem Markt

Der Reiseführer hatte uns gewarnt: Irgendwann, so hieß es, platzen in Papua Neuguinea auch die besten Pläne. Dass es aber gleich zu Beginn schon passieren sollte, war nicht einkalkuliert. Der gebuchte Weiterflug mit Air Niugini von der Hauptstadt Port Moresby nach Rabaul war gestrichen. Gründe gab es offiziell keine, aber hinter vorgehaltener Hand hieß es: „No aircraft“. Dafür bekamen wir Bordkarten für den Vormittagsflug am nächsten Tag. Der wurde allerdings wieder kurzfristig gestrichen. Erklärungen wollte die Dame am Check-in nicht abgeben, aber das Gerücht besagte diesmal: „No pilot“. Der Ansturm auf die wenigen freien Plätze für den folgenden Flug war sofort entbrannt, aber weil die einheimischen Konkurrenten offenbar unter keinerlei Zeitdruck standen und ihren Heimvorteil nicht ausnutzten, bekamen wir zum dritten Mal unsere Bordkarten. Und diesmal, vierundzwanzig Stunden später, hob die Maschine tatsächlich ab. Air Niugini fliegt - aber „on South Pacific time“, was bedeutet, dass man die Abflugszeit nur bedingt dem Flugplan entnehmen kann. Damit lebt hier jeder ganz selbstverständlich, Fremde müssen sich erst daran gewöhnen.

Verblasster kolonialer Glanz

Noch ein Plan, der gründlich schiefgegangen ist: Ein gewisser Christopher Robinson - „ein aufrechter Richter“, wie es auf seinem Grabstein in Samarai heißt - versuchte zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts Papua Neuguinea in ein „Land für den weißen Mann“ zu verwandeln. Dreißig Jahre später schien das Projekt vorangekommen zu sein, zumindest auf der Insel Samarai, damals eine günstig gelegene Zwischenstation an der Handelsroute zwischen Australien und China. Auf alten Fotos erkennt man eine Stadt mit rechtwinklig ausgelegten Straßen, feinen Kolonialhäusern und einem veritablen Schiffsanleger.

Papua Neuguinea großes Auslegerkanu

Heute ist Samarai ein trauriger Ort; der Welthandel hat die Insel links liegen gelassen. In den Straßen wächst das Gras, die Farbe von den Holzhäusern ist längst abgeblättert, und viele Fenster sind mit Brettern vernagelt. Der einst stolze Pier fault vor sich hin. In der anglikanischen Kirche tropft der Regen durchs Dach, und während des Monsuns fließen kleine Bäche an den Bänken der wenigen Gläubigen vorbei. Die beiden Buntglasfenster sind beschädigt, der Engel hat ein Loch im Gewand. Ein halbes Dutzend Bibeln und Gesangbücher liegen noch aus, doch sind ihre Seiten von Schimmel und Termiten angefressen.

Papua Neuguinea Erdnussverkäuferin

Zwar steht das Städtchen offiziell unter Denkmalschutz, doch niemand hat hier Geld übrig für seine Erhaltung. Einzig und allein der meterhohe Grabstein von Mister Robinson steht aufrecht und unantastbar mitten auf einer Straßenkreuzung und zeugt von den hochtrabenden Absichten der britischen Kolonialmacht. Der Mann, den wir im Büro der Stadtverwaltung treffen, zuckt mit den Achseln: „Das geht hier alles sowieso unter“. Bis dahin findet man in Samarai zumindest noch den morbiden Charme eines verblassten kolonialen Glanzes.

Deutsche Geschichte im Pazifik

Samson Kakai kennt sich gut aus mit deutscher Geschichte - jedenfalls, soweit sie sich in Papua Neuguinea abgespielt hat. Er lebt in Kokopo, das Herbertshöhe hieß, als sich das Deutsche Kaiserreich gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts auch im Pazifik ausbreiten wollte und im östlichen Neuguinea das Kaiser Wilhelms-Land ausrief. Samson führt Touristen über den deutschen Friedhof, wo zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts unter tropischer Sonne drei Dutzend Menschen begraben wurden: einige Pflanzer, ein paar Besatzungsmitglieder von Schiffen der Kaiserlichen Marine und mehrere „unbekannte Deutsche“.

Papua Neuguinea Fest der Frauen

Samson hat auch die deutsche Abteilung im Heimatmuseum von Kokopo zusammengestellt. Viel zu sehen ist freilich nicht, außer einigen Dokumenten der „Neu Guinea Compagnie zu Berlin“ und Fotos aus der Zeit von 1884 bis 1914, in der die Deutschen rund um Herbertshöhe Kokosnuss- und Kopraplantagen aufbauten. Die Bildunterschriften unter den verblaßten Fotografien sind in deutscher Sprache verfasst: „Auf dem Tennisplatz“, heißt es da, „Kaserne für farbige Polizeisoldaten“ oder „Dr. Wilhelm Wendland vor dem Hotel Fürst Bismarck“ - die skurril anmutende Dokumentation einer kurzlebigen Kolonialgeschichte.

Papua Neuguinea geschmückte Frauen

Samson, der junge, gebildete Papua, mag tagsüber sein historisches Wissen an Touristen weitergeben und sich mit ihnen über die Probleme dieser Welt unterhalten. Aber abends kehrt er zurück in sein Dorf, lebt dort ein traditionelles Leben und befolgt die Regeln seines Tolai-Clans. Kaum zu Hause, wechselt er deshalb sein hellblaues Hemd und seine gebügelte Hose gegen einen Lendenschurz. Seine Frau hat er, wie Generationen vor ihm, mit Muschelgeld gekauft - die einzige Möglichkeit, die Eltern der Braut für sich zu gewinnen. Das Muschelgeld existiert beim Clan weiterhin neben den Kinas, der offiziellen Landeswährung. Während der Verlobungszeit hatte Samson bereits eine Anzahlung hinterlegen müssen. Wie viel die Braut ihm wert war, will er nicht verraten, aber eine gute Frau, so sagt er, bekomme man wohl für tausendfünfhundert Kina in Muschelwährung.

Chief Jimmy hisst die Flagge

Man kommt nicht einfach so nach Watam. Man meldet sich an. Das geht nur mit Hilfe von jemandem, der jemanden kennt, der wiederum jemanden im Dorf kennt. Einmal dort, kann man lernen, wie man Gäste auf gesittete Weise empfängt - früher wie heute. Vor dem Strand wartet bereits das Begrüßungskomitee: ein Kanu mit einem Dutzend Männern und Frauen, geschmückt mit Federn und bunten Bändern. Sie schwingen Palmwedel, trommeln und singen fröhliche Gesänge.

Papua Neuguinea Begrüßungsboot

Am Ufer gelandet, erhält jeder Gast ein rotes Mal auf die Wange, eine Art Ausweis für die Dauer des Besuchs. Dann paradieren die Einheimischen - das ganze Dorf ist versammelt - mit ihren Gästen zwischen den Häusern entlang. Zehn Männer kriechen unter eine Art Schlange aus Palmblättern und Früchten und begleiten die Prozession mit einem wilden Tanz. Frauen schlagen Kokosnüsse auf und gießen die Kokosmilch übermütig über die Tänzer.

Papua Neuguinea Flaggenzeremonie

Auf dem Schulhof wird die Flagge von Papua Neuguinea gehisst. Chief Jimmy, der wichtigste Mann im Clan, dirigiert höchstpersönlich den Schülerchor, der die Nationalhymne singt. Auch in diesem entlegenen Dorf an der Mündung des Sepik River, umgeben von Sümpfen und Mangroven, nur zugänglich vom Meer aus, ist man stolz auf die Unabhängigkeit des Landes. Anschließend gibt sich Chief Jimmy jovial, spricht mit jedem seiner Gäste ein paar Worte, und wer sich traut, mit ihm zusammen Buai, Betelnüsse, zu kauen - auch auf die Gefahr hin, dass dabei der widerliche rote Saft aus dem Mund auf die Hose tropft - der hat beim Chief für alle Zeit, zumindest für die Dauer des Besuchs, einen Stein im Brett.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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