Historische und kulturelle Kapriolen in Papua Neuguinea

 

Somerset Maugham lässt grüßen

Madang hat in den vergangenen hundert Jahren einige Kolonialmächte gesehen: die Deutschen, die zu Beginn des Ersten Weltkrieges schnell wieder verschwinden mussten, die Japaner, die während des Zweiten Weltkrieges ein blutiges Intermezzo inszenierten, und die Australier, die im Auftrag von Völkerbund und Vereinten Nationen in Papua Neuguinea für westliche Vorstellungen von Ordnung sorgen sollten. Viel ist davon nicht mehr übrig: Der deutsche Friedhof ist verwildert hinter einem mächtigen Zaun ohne Tür, und in der Umgebung der Stadt sollen noch jede Menge Schiffs- und Flugzeugwracks herumliegen.

Papua Neuguinea Bananenbraterei

Gleich am Hafen kehren wir ein in den Madang Club - “one of the Pacific´s premier clubs”. In Wahrheit ist er ein verkommenes, tropisches Etablissement. Über der Veranda drehen sich die Ventilatoren, aus dem Lautsprecher kommt einheimische Popmusik, eine Art Papua-Calypso. Die Gentlemen mit den Shorts und den weißen Kniestrümpfen sind nicht mehr hier; nur zwei Billardtische aus anderen Zeiten stehen verloren mitten im Raum. Verflossener Kolonialismus - Somerset Maugham lässt grüßen. Wir vertrödeln den tropischen Nachmittag auf wackligen Barhockern, das Bier, „South Pacific Lager“, auf dem Geländer der Veranda abgestellt, und schauen den Auslegerkanus zu, die den kleinen Hafen verlassen, vollbeladen mit den Waren des Wochenmarktes.

Papua Neuguinea Vater und Sohn im Kanu

Unterdessen beklagen sich die Gäste am Nachbartisch, offenbar die letzten Repräsentanten einer vergangenen Epoche, dass nichts mehr so sei wie früher. Als außenstehende Beobachter können wir der Situation, so wie sie ist, allerdings viel abgewinnen. Madang erweist sich als eine freundliche und saubere Hafenstadt, wie man sie in dieser Weltgegend nicht häufig findet, und nennt sich deshalb nicht zu Unrecht „prittiest town in the South Pacific“. Dass das alles nur deshalb noch so sei, weil die Australier hier bis 1975 das Sagen hatten, ist schwer vorstellbar, aber in Madang eine gängige postkoloniale Mär.

Man hat Zeit, viel Zeit

Inseln wie Tami gelten in Reisekatalogen gemeinhin als paradiesisch: vier palmenbestandene Eilande mit Korallenriff und weißem Sandstrand, gruppiert um eine fischreiche Lagune, sauberes Wasser und tropisches Klima. Dieses winzige Stückchen vom Paradies, irgendwo im Golf von Huon und höchstens auf detaillierten Seekarten verzeichnet, ist allerdings in keinem Prospekt zu finden. Die Einheimischen haben es für sich, und sie wollen, dass es so bleibt: Kokosnüsse und Bananen ernten, Fische fangen, Holzschüsseln und Holzlöffel schnitzen und damit gelegentlich auf dem Festland ein paar Tauschgeschäfte erledigen, das ist alles. Ansonsten haben sie Zeit, sich ihrem Gärtchen zu widmen, mal wieder ein neues Boot zu bauen, ihre aufgeräumte Insel noch mehr in Ordnung zu bringen oder mit den Kindern im schmucken Auslegerkanu ziellos durch die Lagune zu paddeln. Und dann haben sie immer noch Zeit, viel Zeit.

Papua neuguinea Geschwister

Früher, so gehen die Geschichten des Clans, kamen regelmäßig Invasoren vom Festland oder von anderen Inseln, aggressive Nachbarn, die zu Beutezügen herüberpaddelten. Deshalb legten sich die Tami-Leute abschreckende Masken aus Kokosschalen und raschelnde Kostüme aus den Blättern der Sagopalme zu, aber das half ihnen nicht immer. Doch an die Zeiten dieser Kämpfe kann sich keiner der Einwohner mehr erinnern, sie liegen mehr als hundert Jahre zurück.

papua Neuguinea Maskenmänner

Heute tragen sie die Kriegskostüme nur noch zu besonderen Anlässen wie zur Begrüßung der Schiffe, die hier zwei- oder dreimal pro Jahr vor Anker gehen. Und weil ihnen der traditionelle Kriegstanz soviel Spaß macht, aber nicht jeder daran teilnehmen kann, haben sie neuerdings noch eine zweite Gruppe gegründet und einen bis dahin unbekannten Tanz mit neuen Kostümen und neuer Musik choreographiert. Verwurzelt in ihrer Kultur und aufgeschlossen zugleich sind sie, die Tami-Leute, und Zeit zum Üben haben sie genug.

Papua Neuguinea  Tänzer

Die sechs Dörfer auf Cape Nelson sind auf Tourismus eingerichtet. Aber weil nur hin und wieder einige Taucher oder Hochseefischer auf der Halbinsel landen, muss das Einkommen gerecht geteilt werden. Jedes Dorf hat seinen Strand und beansprucht einen Abschnitt der Küstengewässer, und so hat man sich auf ein Rotationsprinzip geeinigt. Die Gemeinden kommen abwechselnd an die Reihe, und das verdiente Geld wandert in eine gemeinsame Kasse. In vertrauensvoller Harmonie lebt man deshalb noch lange nicht: Holt ein Dorf seinen Anteil ab, dann müssen mindestens drei Personen beteiligt sein, und es wird zum Beweis ein Foto gemacht: Die Geldscheine werden deutlich sichtbar vor die Kamera gehalten - und klick: der Umgang mit traditionellem Gemeindeeigentum in Zeiten digitalisierter Technik.

Äxte und Messer bleiben zuhause

Das Auswärtige Amt in Berlin warnt vor Reisen nach Papua Neuguinea. Das bedarf einer Erläuterung. In den Städten Lae und Port Moresby treiben tatsächlich die „raskols“, kriminelle Banden, ihr alltägliches Unwesen. Legendär ist ein Banküberfall in der Hauptstadt, bei dem die Gangster zunächst den einzigen Polizeihubschrauber außer Gefecht setzten, bevor sie selbst mit einem gekaperten Helikopter auf dem Dach der Bank landeten. Weil ihr Plan vorher verraten wurde, wartete bereits die Polizei, und der Coup endete in einem Blutbad.

Papua Neuguinea Häuptling

Eskaliert sind inzwischen auch die Stammeskämpfe im südlichen Hochland. Früher wurden sie wegen Grenzstreitigkeiten, Frauen oder den allseits begehrten Schweinen ausgetragen, nach strengen Regeln mit Speer und Pfeil und Bogen. Unbeteiligte hatten nichts zu befürchten; die Konflikte zogen sogar Zuschauer von anderen Clans und manchmal auch westliche Ethnologen an, die Kampftechnik und Regeln studierten. Inzwischen stehen enorme Gewinne an Erdöl- und Gasvorkommen auf dem Spiel, die Kämpfe werden mit Gewehren und unter Einfluss von Alkohol und Drogen ausgefochten, und Unbeteiligte sollten möglichst nicht in die Schusslinie geraten.

Papua Neuguuinea Bananenverkäuferinnen

An der Küste, im Tiefland und auf den Inseln ist von alldem nichts zu spüren. Hier ist jede Form von Kriminalität bislang schlicht unbekannt. Das schwerwiegendste Delikt im Gerichtssaal von Alotau, immerhin einer mittelgroßen Hafenstadt, war im vergangenen Jahr die Herstellung von selbstgebrautem Bier. Fremde bekommen nichts abgenommen, sondern fast überall etwas geschenkt. Man fühlt sich geehrt durch den Besuch der Menschen vom Stamm der Weißhäutigen, jedenfalls sobald klar ist, dass sie keine Fehde anzetteln wollen. Ein freundlicher und oft sogar überschwänglicher Empfang ist deshalb Ehrensache, wenn sich die Gäste ihrerseits respektvoll verhalten. Bei unserem Besuch in Watam wurden die Bewohner sogar instruiert, möglichst nicht mit den dort üblichen Äxten und Küchenmessern im Dorf herumzulaufen, um uns nicht zu erschrecken.

Papua Neuguinea Segelboot

 

Reiseinformationen

Anreise

Qantas fliegt täglich von Frankfurt über Singapur nach Cairns im australischen Nordosten. Dort hat man Anschluss per Charter- oder Linienflug in die Papua-Hauptstadt Port Moresby und nach Rabaul auf der Insel New Britain.

Papua-Expeditionen

Auskunft und Buchung in Deutschland über Best of Travel Group, Telefon 01803/307273, Internet www.botg.de.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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