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Lessines – mehr als nur Magrittes Geburtsort

Ja, hier im Hennegau erblickte der wohl berühmteste belgische Surrealist, René Magritte, das Licht der Welt. Doch kein Museum vor Ort würdigt den bedeutenden Sohn der Stadt. Was die Stadt sehenswert macht, ist zum einen die Kirche des hl.Peter, die urkundlich erstmals im 11.Jahrhundert erwähnt wurde und Ausgangspunkt der karfreitaglichen Büßerprozession von Lessines ist. Bekannt ist Lessines zudem für Le Festin, ein historisches Fest, mit dem an den Einzug des Gouverneurs der Niederlande Prinz Alexandre Farnese erinnert wird. Am ersten Wochenende im September ziehen Bogen- und Armbrustschützen, Spielmänner, Glockenspieler und noble Bürger durch das Städtchen und lassen die Zeit der Renaissance wieder aufleben. Gewaltig ist der Klosterkomplex des Klosters Unsere Liebe Frau von der Rose, das auch über einen sehenswerten Klostergarten mit 120 Heilpflanzenarten verfügt. Wie andere Orte im Hennegau auch wird die Gegend um Lessines von Steinbrüchen geprägt. Eine kleine Fußwanderung führt aus der Stadt heraus an genutzten, aber auch aufgelassenen Steinbrüchen vorbei.

Belgien - Wallonien - Lessines
Ein Denkmal für den Philosophen mit
dem Pinsel, René Magritte © fdp

In der Hauptstadt Belgiens zeigt man im René-Magritte-Museum einen Überblick über sein Werk. In Jette, wo er lebte, wurde im Wohnhaus der Magrittes ein kleines Museum inszeniert, das Einblicke in das Private ermöglicht. Eher schlicht, kleinbürgerlich und bescheiden lebten die Magrittes. Es ist ein einfaches Stadthaus, keine pompöse Villa mit riesigem Atelier, wie die Brüsseler Stadtvillen von Anton Wiertz und Constantin Meunier. Der Mann mit dem schwarzen Anzug und der Melone auf dem Kopf war eher ein Querdenker und daher bei der Obrigkeit nicht allzu sehr angesehen. Zudem führte Magritte eher das Leben eines Außenseiters, spielte Schach im unlängst geschlossenen Café Greenwich in der Brüsseler Altstadt, führte seinen Spitz Gassi und pflegte Freundschaften mit einem sehr engen Kreis von Vertrauten.

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Typisch Magritte, oder? © fdp

Die Geburtsstadt Magrittes erinnert sich

Wenn auch Lessines kein Magrittemuseum besitzt, an den berühmten Sohn der Stadt wird dennoch erinnert. Gleich am Bahnhof existiert die Wohnanlage René Magritte. Xavier Parmentier, der auch für den Schlosspark von Enghien eine Skulptur konzipierte, entwarf im Auftrag der Stadt und des belgisch-rumänischen Kulturzentrums eine Skulptur für den „Philosophen mit der Farbpalette“. An einer Häuserwand unweit des Bahnhofs findet man in Blautönen gehalten die von Magritte bevorzugten Motive: die Mondsichel, Wölckchen, ein leeres Fenster und die Pfeife.

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E
ntwickelt für eine schnelle Verladung – doch heute nur
noch ein verfallendes Industriedenkmal © fdp

Ein Industriedenkmal verliert den Kampf mit der Zeit

Ehe wir den aus Back- und Sandstein errichteten beeindruckenden Klosterkomplex mit Hospital besuchen, fällt unser Blick auf ein Industriedenkmal, um das sich niemand zu kümmern scheint. Gemeint sind nicht die Kalkbrennöfen mit ihren konischen Formen, die einen mächtigen weiß getünchten, auch zum Komplex des Klosterhospitals gehörenden Wehrhof überragen, sondern eine Schiffsverladestation, die 1922 im Auftrag von Carrières Unies entstand und an einem Tag acht Schiffe beladen konnte. Das war nur deshalb möglich, weil man mehrere beladene Loren gleichzeitig leeren konnte und das Material über Trichter in die Schiffsbäuche rutschte. Doch der Zahn der Zeit hat an diesem, längs der Dender errichteten Industriedenkmal mehr als nur genagt. Es ist also absehbar, wann dieses Baudenkmal verschwinden wird. Finanzmittel werden in dieses Denkmal überhaupt nicht investiert. Statt dessen erhält der Klosterkomplex Unserer Lieben Frau von der Rose die volle Aufmerksamkeit der wallonischen Regionalregierung.

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Klosterarchitektur des 17.Jahrhunderts
erstrahlt in neuem Glanz © fdp

1242 gegründet

Das Hospital Unsere Liebe Frau von der Rose wurde mit dem Zweck ins Leben gerufen, Bürgern von Lessines die medizinische Versorgung zukommen zu lassen, die für ihre Heilung und Linderung ihrer Krankheiten erforderlich waren. Der heutige imposante backsteinerne Komplex entstand zwischen dem 16. und dem 18.Jahrhundert. Elemente der flämischen Renaissance findet der aufmerksame Betrachter ebenso wie des Barock. Was den Klosterkomplex zu einem Baudenkmal ersten Ranges macht, ist die Tatsache, dass sowohl Kloster als auch Hospital ganz und gar auf Selbstversorgung ausgerichtet waren. Daher gehört ein Bauernhof ebenso zum Kloster wie ein Eiskeller und verschiedene Gärten.

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Blick in den Klostergarten © fdp

Ursprünglich wurde das Kloster von Augustinerinnen bewohnt, die sich auch der Krankenpflege annahmen. Unter ihnen war die Priorin Jeanne Duquesne, die im 17.Jahrhundert zeitweilig die Geschicke des Klosters lenkte. Beim Besuch des Klosterkomplexes taucht man in die achthundertjährige Medizingeschichte von Lessines ein, besucht den Krankensaal, wirft einen Blick auf eine historische Narkosemaske oder das chirurgische Besteck für eine Schädelöffnung. Das Refektorium besucht man auf dem Rundgang ebenso wie die Kapelle und die Apotheke, die noch so ausschaut, wie sie im späten 19.Jahrhundert eingerichtet wurde. Auch in einen Krankensaal aus der Zeit um 1900 können die Besucher einen Blick werfen und ihn mit dem aus der Zeit von 1715 vergleichen. Beide sind im Klosterkomplex mit Sinn für ansprechende Inszenierung gestaltet worden.

Medizin im Mittelalter kam ohne die Nutzung von Heilpflanzen nicht aus und so gehört auch ein Heilpflanzengarten zu dem sehenswerten Klosterkomplex. Durchstreifen wir den Garten, so entdecken wir Kamille, Minze, Baldrian, Brustwurz, Schlafmohn und auch tödliche Nachschattengewächse – alle umgeben von niedrigen Buchsbaumhecken. Walderdbeeren findet man im Garten, aber auch Bergglockenblumen und Wilde Akelei. Außerdem wurden Rosen, Zitronenmelisse und Schnittlauch angepflanzt.

Dem heiligen Peter geweiht

Verlassen wir diesen beschaulichen Ort und wenden uns der Kirche des heiligen Peter zu: Die Grundmauern des Torturms gehen auf das 11.Jahrhundert zurück. Romanisch ist außerdem noch die Empore des Hauptschiffes. Ansonsten weist die Kirche unterschiedliche Stilelemente auf, da sie mehrfach umgebaut wurde.

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Nicht zu verfehlen: St.Peter von Lessines © fdp

Der Chor beispielsweise ist im gotischen Baustil errichtet worden, nachdem ein Brand im 14.Jahrhundert die Kirche beschädigt hatte. Aufgrund der Bombardierung durch deutsche Kampfflugzeuge im Mai 1940 kam man nicht umhin die Kirche in den 1950er Jahren zu restaurieren. Infolge des Bombardement ist beinahe nichts mehr von der historischen Innenausstattung des Gotteshauses erhalten. Erhalten ist ein Lesepult in Gestalt eines Adlers, ein vergoldeter Reliquienschrein aus dem 18.Jahrhundert und einige Reliquien. Zu dem was sonst noch die Kriegswirren überstanden hat, gehört das vergoldete, kupferne Tabernakel, das von 1898 stammt und mit den Symbolen der vier Evangelisten geschmückt ist.

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Dieser Reliquienschrein gehört zur erhaltenen
Ausstattung des Gotteshauses © fdp

Zu nennen ist außerdem eine bronzene Chorglocke, die der berühmte Löwener Glockengießer Andreas Can den Ghein 1791 gegossen hatte. In einer kleinen Ausstellung im Kircheninneren kann man nicht nur diese Kirchenschätze bewundern, sondern auch Wissenswertes zur Baugeschichte des Gotteshauses erfahren – zumindest der, der Französisch, Englisch oder Niederländisch versteht.

Auf zu den Steinbrüchen von Lessines

Auf einer 7,5 Kilometer langen Wanderung kann man mehr über die Steinbrüche und deren Ausbeutung erfahren. Dazu muss man nur der entsprechenden Ausschilderung eines schwarzen Männchens und grünem Balken aus der Stadt heraus folgen. Unterwegs kommt man nicht nur an der oben genannten Schiffsverladestation und dem Denkmal für Réne Magritte vorbei, sondern auch an dem Haus eines Comic-Fans. Tim und Struppi schmücken die Hausfassade ebenso wie Kapitän Haddock. Und im Garten trägt Obelix seinen Hinkelstein spazieren. „Die spinnen die Belgier“ ...

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Dieser Hauseigentümer liebt Comics © fdp

Vorbei an einem Wasserturm, im Französischen „Wasserschloss“ genannt erreichen wir über einen schmalen, leicht versteckt liegenden Weg die ersten Steinbrüche, riesige Kraterlöcher, teilweise begrünt, teilweise kahler Fels und mit Wasser gefüllt. Betrachtet man den einen oder anderen Steinbruch mit seinen terrassierten Wänden, dann denkt man bisweilen an eine riesige Arena. Noch immer werden die hiesigen Steinbrüche genutzt. Aufgegeben sind lediglich die Gruben längs der Chaussée Gabrielle Richet, die allerdings vertikal abfallende glatte Wände aufweisen.

Je näher man den eigentlichen Betriebsanlagen von Carrière Unies kommt, desto staubiger wird es. Ein grauweißer Schleier hat sich über die Straßen und die Gebäude gelegt. Wie wichtig die Gruben für die Menschen in Lessines sind, unterstreicht das Denkmal von Jean Selen, mit dem der Steinbrucharbeiter gedacht wird, die noch körperlich schwere Arbeit verrichtete und nicht auf moderne Maschinen zurückgreifen konnten. Hammer statt Presslufthammer hieß das jahrzehntelang. Längs der Dender führt uns die Wanderung dann wieder nach Lessines zurck. (fdp)

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Denkmal für die, die in den Steingruben malochten © fdp

Weitere Informationen

Office du Tourisme de Lessines
Rue Grammont 2
7860 Lessines

Hospital Notre Dame à la Rose
Place Alix de Rosoit
http://www.notredamealarose.com

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