Plovdiv

 

Bulgarien - Plovdiv Vereinigungsdenkmal

Vereinigungsdenkmal

In unmittelbarer Nähe erhebt sich - gewissermaßen am anderen Ende der Geschichte - eindrucksvoll das Vereinigungsdenkmal. Es wurde 1985 anlässlich des 100. Jahrestages der Vereinigung von Ost-Rumelien und dem Fürstentum Bulgarien im Jahr 1885 errichtet. Dabei streckt die überdimensionierte Mutter der Nation den Siegeskranz über den vereinten Landesteilen aus. Dieses Ereignis ist eines der wichtigsten in der Geschichte Bulgariens. Nach dem russisch-türkischen Krieg zur Befreiung Bulgariens von der Osmanen-Herrschaft teilte der Berliner Friedensvertrag von 1878 Bulgarien in zwei unabhängige Staaten. Die nördliche Hälfte des heutigen Territoriums hieß Fürstentum Bulgarien - unter der Herrschaft eines Prinzen - mit der Hauptstadt Sofia und die südöstliche Rumelia - unter der Kontrolle eines Gouverneurs - mit seiner Hauptstadt Plovdiv.

Bulgarien - Plovdiv Kunstmarkt in der Fußgängerzone

Kunstmarkt in der Fußgängerzone

Lange schlummerte Plovdivs antikes Erbe sieben Meter unter dem Stadtniveau, bis man 1955 mit systematischen Ausgrabungen begann. Der Weg zurück ins Zentrum führt zu ihrem ersten Höhepunkt. Vorbei an einem kleinen Kunstmarkt erreicht man im Herzen der Fußgängerzone als Erstes das Römische Stadion aus dem 2. Jahrhundert. 1980 machte das Olympische Feuer auf seinem Weg von Athen nach Moskau in der antiken Wettkampfstätte Zwischenstation. Sein Nordteil ist zugänglich. Der Großteil der 240 Meter langen und 50 Meter breiten Anlage versteckt sich jedoch unter Plovdivs Einkaufsstraße. Zu sehen sind einige der Sitzreihen aus Marmor, die insgesamt bis zu 30.000 Zuschauern Platz boten, sowie einer der Tunnel, durch welche die Teilnehmer bei den verschiedenen Veranstaltungen das Stadion betraten. Das moderne Besucherzentrum mit 3D-Kino macht die Gesamtanlage virtuell sichtbar.

Bulgarien - Plovdiv Römisches Stadion samt Eingangstunnel mit Dschumaja-Moschee und Einkaufsstraße

Römisches Stadion samt Eingangstunnel mit Dschumaja-Moschee und Einkaufsstraße

Der Eingang zum Stadion wird vom Minarett der Dschumaja-Moschee überragt. Ab 1364 wurde Plovdiv von den Osmanen regiert und das heutige Zentrum füllte sich mit orientalischen Bauten. Um 1425 wurde darunter die Freitagsmoschee mit ihren neun Kuppeln erbaut. Sie ist eine der ältesten und größten auf dem Balkan. Interessant ist das christlich-byzantinische dunkelrosa Ziegel-Mauerwerk, dem sich offensichtlich selbst die Muslime nicht entziehen konnten.

Regelrecht wiedergeboren wurde das nur wenig östlich gelegene Antike Theater. Erst 1968 entdeckt und bis 1984 vollständig ausgegraben, wieder aufgebaut und konserviert, erfüllt es heute erneut seine angestammte Funktion. Zugegeben, der Sitzkomfort auf den antiken Rängen lässt aus heutiger Sicht etwas zu wünschen. Dafür aber ist die Akustik exzellent. Ein Rahmen, in dem Plovdivs Opernorchester beim Sommerfestival „Opera open“ von Juni bis August mit seiner ganzen brillanten Klangfülle glänzen kann.

Bulgarien - Plovdiv Antikes Theater Opera open

Antikes Theater „Opera open“

Weiter südlich, an der Kreuzung der beiden antiken Hauptstraßen, Cardo Maximus (Nord-Süd-Richtung) und Decumanus Maximus (Ost-West-Richtung) befindet sich die griechische Agora bzw. das Römische Forum, das Handels-, Verwaltungs- und Religionszentrum der antiken Stadt. Selbst eine Stadtbibliothek will man hier entdeckt haben. Heute befindet sich das Ausgrabungsgelände direkt vor dem Hauptpostamt. In dem Steingewirr am besten zu erkennen ist das bereits restaurierte Odeon mit seinen hoch aufragenden Säulen. In dem 2004 restaurierten Theater mit rund 350 Sitzplätzen fanden vor seiner kulturellen Nutzung Ratsversammlungen statt.

Bulgarien - Plovdiv Odeon am Römischen Forum

Odeon am Römischen Forum

Weit östlich von Rom besaß das antike Plovdiv allen Komfort des Imperiums, darunter Leitungswasser und Kanalisation. Bereits im 2. Jahrhundert verfügte die antike Stadt über ein ausgebautes Wasserleitungsnetz, das sie mit 480 Liter Quellwasser aus den Rhodopen pro Sekunde versorgte oder mit 43.0000 Tonnen täglich. Reste des römischen Aquädukts stehen heute außerhalb des Zentrums im Stadtteil Komatevo direkt am Bul. Komatevsko shose, Plovdivs breiter Ausfallstraße nach Südwesten.

Im 4. Jahrhundert übernahm Byzanz die Herrschaft über die Provinz und Philippopolis bzw. Trimontium wurde Bischofsstadt. Eine Sensation war 1982 die Entdeckung der einstigen Bischofsbasilika. Ein Münzfund aus der Zeit von Kaiser Licinius (308-324) lässt darauf schließen, dass sie mit zu den ersten gehört, die nach der konstantinischen Wende 313 erbaut wurden. Mit rund 100 Meter Länge und 40 Meter Breite gehört sie auch zu den besonders großen.

Bulgarien - Plovdiv Bischofsbasilika römisches Fußbodenmosaik

Römisches Fußbodenmosaik in der Bischofsbasilika

Die eigentliche Sensation aber sind die 2000 Quadratmeter gut erhaltenen römischen Mosaike. Ihre Erforschung, Restaurierung und Präsentation musste jedoch warten, bis die America for Bulgaria Foundation 2014 die Finanzierung übernahm. Mit der Eröffnung am 7. November 2019 wurde das darüber erbaute Museum inklusive modernem Kulturzentrum der Öffentlichkeit übergeben.

Vermutlich durch ein Erdbeben war der erste Mosaikboden zerstört worden. Anstatt ihn auszubessern, schüttete man ihn zu und zog einen neuen zweiten darüber. Beide Böden werden jetzt gezeigt: der ältere in situ im Erdgeschoss des neuen Museums, der neue eine Etage darüber. Die Mosaike umfassen über hundert Medaillons verschiedener Vogelarten: vom tanzenden Perlhuhn bis zum Rad schlagenden Pfau.

Bulgarien - Plovdiv Kleine Basilika römisches Fußbodenmosaik Taufbecken Tauben

Kleine Basilika: römisches Fußbodenmosaik mit Tauben und Taufbecken

Einen kurzen Fußmarsch entfernt beschützt die römischen Mosaike einer frühchristlichen Kleinen Basilika aus dem 5./6. Jahrhundert dank der America for Bulgaria Foundation schon seit 2014 ein Museumsbau. Der Blick richtet sich automatisch auf sein in den Boden eingelassenes kreuzförmiges Taufbecken. Es ist das bisher einzige seiner Art, welches in Bulgarien konserviert, restauriert und ausgestellt ist. Sein Mosaik mit den beiden Tauben ist ein Symbol für den Heiligen Geist. Das Mosaik mit dem Hirsch ist ein Symbol des Erlösers und der Seele. Der Quellwasser trinkende Hirsch in der Nähe von Taufbecken ist zudem eine Metapher für die Christenheit, welche ihre Wahrheit aus dem Evangelium erhält.

Bulgarien - Plovdiv Kleine Basilika römisches Fußbodenmosaik Taufbecken Hirsch

Römisches Fußbodenmosaik Hirsch

Dort, wo das Kopfsteinpflaster anfängt, beginnt die Altstadt. Ihre Hauptstraße Ulitsa Saborna führt direkt auf den Nebet Tepe, einen der drei Hügel, auf dem die antike Stadt gegründet wurde. Die ersten Ausgrabungen fanden in den 1930er Jahren statt und sind bis heute nicht abgeschlossen. Der erste verlässliche Beweis für seine Besiedlung stammt aus der Kupfersteinzeit um 4000 v. Chr. Während der Bronze- und Eisenzeit wurde der Hügel von Thrakern besiedelt, später von Philipp II. von Mazedonien, dann den Römern. Als die Stadt sich ausdehnte, lag hier die Zitadelle der Akropolis. Verstreutes altes Gestein und Mauerreste sind ihre letzten Zeugen wie auch der Geheimtunnel aus der Zeit Justinians (4. Jh.), der zur Maritsa, dem Stadtfluss, hinunterführt. Archäologie hin oder her, der Aufstieg lohnt in jedem Fall wegen des Panoramablicks über die Stadt.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

Kurzportrait Bulgarien

Bei Bulgarien stellt sich rasch die Assoziation "Balkan" ein. Ganz so falsch ist das nicht, zieht sich doch die gleichnamige, langgestreckte Gebirgskette, Namensgeberin des gesamten südosteuropäischen Raumes, auf einer Länge von 420 km von Ost nach West mitten durch das kleine Land. Überhaupt sind es die Gebirge und Hügellandschaften, die den Charakter Bulgariens prägen: Zu eindrucksvollen Gebirgstouren laden die kargen alpinen Regionen des Rila- und des Pirin-Gebirges im Südwesten des Landes ein.

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So viele Ikonen, so viel Joghurt. Fahrradtour in der Grenzregion zwischen Rumänien und Bulgarien

Ein langgezogener, silberner Spiegel in einer welligen Ebene, gerahmt von Pappeln und einer Hügelkette in Blau, unbewegt, fast unwirklich: Die Donau. 781 Kilometer liegen hinter ihr, seit sie sich an der Quelle aufgemacht hat, 1075 muss sie noch bis zur Mündung im Schwarzen Meer zurücklegen und wird dabei Rumänien erst von Serbien, später von Bulgarien und auch der Ukraine trennen. Beinahe glaubt man, sie stehe still. Ein Eindruck, der nicht ganz unrichtig ist, denn der Fluss ist hier, fast bis zurück nach Belgrad, eher See, angestaut vom Kraftwerk "Eisernes Tor" hinter Orsova, etwa 150 Kilometer weiter flussabwärts. Und bis dahin folgen wir ihm.

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